Gefährliche Gefälligkeiten – Volle Haftung auch ohne Honorar

Gefälligkeitsleistungen am Bau sind keine Seltenheit. Oft führen Bauleistende Arbeiten aus, die sie nach dem Vertrag eigentlich gar nicht schulden, sei es um dem Bauvorhaben Fortgang zu verschaffen oder dem Bauherrn einen Gefallen zu tun. Wer jedoch etwas tut, was er vertraglich nicht schuldet, bekommt dafür möglicherweise zwar kein Geld, schaufelt sich dadurch aber unter Umständen sein eigenes Haftungsgrab.

Was zunächst etwas überspitzt klingt ist insbesondere für Architekten, die Freundschaftsdienste erbringen, teils bittere Realität. Der klassische Fall, der so oder ähnlich bereits Grundlage zahlreicher Entscheidungen der Rechtsprechung war, ist der, dass sich ein Architekt aus freundschaftlicher Verbundenheit bereit erklärt, dem Bauherrn auf Abruf bei der Verwirklichung des Bauvorhabens behilflich zu sein ohne hierfür Honorar zu verlangen. In der Folge kommt es zu gravierenden Mängeln und es stellt sich die Haftungsfrage (BGH, a.a.O.; OLG Celle Urt. v. 19.06.2001 – 16 U 260/00; OLG Frankfurt, Urt.v. 29.09.2010 – 15 U 63/08).

Unentgeltlich zählt nicht

In solchen Konstellationen versucht sich der Architekt nicht selten damit zu verteidigen, dass lediglich eine unentgeltliche Gefälligkeit vorlag. Bei dieser Argumentation wird jedoch übersehen, dass auch ein Gefälligkeitsverhältnis zur vollen Haftung führen kann. Das ist dann der Fall, wenn die gefälligkeitshalber erbrachte Leistung mit rechtsgeschäftlichem Bindungswillen erbracht wurde. Ob ein solcher Rechtsbindungswille vorliegt, hängt nicht vom inneren Willen des Leistenden ab, sondern davon, ob der Leistungsempfänger aus dem Handeln des Leistenden auf einen solchen Willen schließen durfte (BGH a.a.O.). Zu würdigen sind dabei die wirtschaftliche und rechtliche Bedeutung der Angelegenheit (vor allem für den Leistungsempfänger) sowie Art, Grund und Zweck der Gefälligkeit. Eine rechtsgeschäftliche Bindung liegt nahe, wenn sich der Leistungsempfänger erkennbar auf die Zusage verlässt und für ihn erhebliche Werte auf dem Spiel stehen. Architektenleistungen haben für den Bau stets eine große wirtschaftliche Bedeutung. Bereits bei einem Einfamilienhaus können durch mangelhafte Architektenleistungen schnell Schäden im fünf- oder sechsstelligen Bereich entstehen, weshalb sich der Bauherr auf die sorgfältige Erbringung der Leistungen verlassen muss.

Somit können Schadenersatzansprüche des Bauherrn gegen den Architekten auch bereits aus einem reinen Gefälligkeitsverhältnis entstehen, d. h. auch dann, wenn der Architekt gar nicht mit Architektenleistungen beauftragt ist. Auch wer aus bloßer Gefälligkeit planende oder überwachende Architektentätigkeiten ausübt, haftet nach den selben Maßstäben wie ein Architekt aus einem Architektenvertrag (BGH, Urt. v. 11.01.1996 – VII ZR 85/95; OLG Köln Urt. v. 28.09.2005 – 11 U 16/05).

Auskünfte oder Anweisungen als Haftungsgrund

Das betrifft nicht nur die planerische und überwachende Tätigkeit, sondern auch rein gefälligkeitshalber erteilte Auskünfte oder Anweisungen. So haftet auch der nur mit der Genehmigungsplanung (LP 1- 4) beauftragte Architekt, der sich aus Interesse die Baustelle ansieht und hierbei einen offensichtlichen Ausführungsfehler entdeckt und daraufhin dem Unternehmer eine Anweisung erteilt, um den in der Entstehung befindlichen Mangel zu beseitigen, wenn er dabei selbst Umstände übersieht und es dann auf Grund seiner Anweisung zu einem anderen Mangel kommt.

Der Architekt ist bei solchen Gefälligkeiten nicht automatisch haftungsprivilegiert, wie dies bei einem Freundschaftsdienst ohne Rechtsbindungswillen der Fall sein kann. Dort findet regelmäßig eine Haftungsbegrenzung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit statt. Eine solche Begrenzung der Haftung kommt nur in Betracht, wenn sich der Geschädigte auf Grund besonderer Umstände einem ausdrücklichen Ansinnen des Leistenden nach einer solchen Haftungsmilderung billigerweise nicht verschließen kann (BGH, Urt. v. 14.11.2002 – III ZR 87/02; OLG Frankfurt a.a.O.). Mit Blick auf die meist große wirtschaftliche Bedeutung der zu erbringenden Architektenleistungen für den Leistungsempfänger, kann jedoch in den seltensten Fällen davon ausgegangen werden, dass sich der Empfänger auf ein solches Ansinnen hätte einlassen müssen, auch dann, wenn kein Honorar vereinbart ist.

Mangels Vertrag gibt es in solchen Fällen eine Beschränkung der Haftung dem Grunde oder der Höhe nach nicht. Verteidigt sich der Architekt im Prozess dann ggf. auch noch damit, dass kein Vertrag geschlossen und kein Honorar vereinbart worden ist, so kann er ggf. nicht einmal mit Honoraransprüchen gegen den Schadenersatzanspruch aufrechnen. Die reine Verteidigung damit, dass lediglich ein Gefälligkeitsverhältnis vorliegt, verbietet sich daher. Es ist daher eindringlich davor zu warnen, aus reiner Gefälligkeit oder Freundschaft Architektenleistungen auszuführen, jedenfalls ohne vorher einen ausdrücklichen Haftungsausschluss zu vereinbaren und entsprechend sorgfältig zu dokumentieren.

 


Jennifer Essig
Rechtsanwältin, Karlsruhe 
Mitglied der ARGE Baurecht und Gründungsmitglied der Arbeitsgruppe junge Baurechtler