Für viele Handwerker und Bauunternehmen ist häufig nicht der Bauherr, sondern der Architekt der maßgebliche Ansprechpartner. Dabei wird allerdings relativ häufig übersehen, dass der Architekt grundsätzlich nicht rechtsgeschäftlich bevollmächtigt ist, für den Bauherrn verbindliche Entscheidungen zu treffen, die in den abgeschlossenen Vertrag eingreifen. Dies gilt insbesondere dann, wenn eine Änderung des ursprünglich vereinbarten Bausolls erfolgt oder Nachträge beauftragt werden. Treten nicht besondere Umstände hinzu, ist der Bauherr daran nicht gebunden, was für den Unternehmer unangenehme Folgen haben kann: Der eingereichte Nachtrag wird nicht vergütet oder die Abweichung vom Bausoll begründet einen Mangel, weil der Architekt eben nicht befugt war, den Nachtrag zu beauftragen oder das Bausoll zu ändern. Für den Unternehmer ist das dann sehr unbefriedigend. Bei der Beachtung einiger weniger Spielregeln können missliche Situationen vermieden werden.
Ausgangslage: Keine originäre Architektenvollmacht
Noch immer geistert der Begriff der "originären Architektenvollmacht" durch manches Schrifttum, die mit der Beauftragung aus dem jeweiligen Leistungsbild verbunden sei. Zwar hat der BGH in der Tat in einer frühen Entscheidung (BGH NJW 1969, 853) die Stellung des Architekten mit einer Vollmacht verbunden. Davon ist der BGH aber schon lange abgerückt und hat bereits im Jahr 1975 ausgeführt, dass die Vertretungsmacht der Bauleitung "sich - jedenfalls im Wesentlichen - in den Grenzen des geschlossenen Vertrages halte und gerade nicht die Befugnis umfasse, Nachträge zu erteilen (BGH, Urteil vom 12.06.1975, VII ZR 195/73).
Keinesfalls kann der Architekt ohne gesonderte Vollmacht durch den Bauherren ohne für diesen bindend veranlassen:
- Rechtsgeschäftliche Abnahme der Unternehmerleistung,
- Änderungen des Vertrages hinsichtlich der Art und Weise der Ausführung,
- Änderung des Vertrages unter zeitlichen Gesichtspunkten,
- Erteilung von Änderungsaufträgen oder Nachträgen, selbst wenn es sich um notwendige Leistungen handelt,
- Rechnungsanerkennung (Prüfvermerk des Architekten ist per se keine Anerkennung)
Selbst die bloße Entgegennahme einer Behinderungsanzeige oder einer Vergütungsanzeige wird kritisch gesehen. Damit der Architekt all dies mit Wirkung für und gegen den Bauherren tun kann, bedarf es "mehr" als den bloßen Architektenvertrag.
Anscheins- und Duldungsvollmacht
Auch wenn keine Vollmacht erteilt ist, kann in bestimmten Konstellationen der Rechtsschein einer Vollmacht bestehen, auf den sich der Unternehmer nach den Grundsätzen der Anscheins- und Duldungsvollmacht berufen kann.
Eine Anscheinsvollmacht setzt voraus, dass der Bauherr bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen können und verhindern müssen, dass der Architekt wie ein Bevollmächtigter auftritt. In aller Regel kann ein derartiger Rechtsschein einer Bevollmächtigung nicht durch ein einmaliges Handeln erzeugt werden; vielmehr ist ein Verhalten von gewisser Häufigkeit und Dauer erforderlich. Eine Duldungsvollmacht liegt vor, wenn der Bauherr es wissentlich geschehen lässt, dass ein anderer für ihn wie ein Vertreter auftritt, und der Geschäftsgegner dieses Dulden nach Treu und Glauben dahin verstehen darf, dass der als Vertreter Handelnde bevollmächtigt ist.
Die bloße Einschaltung eines Architekten und dessen Beauftragung mit der Vollarchitektur genügt für einen solchen Anschein gerade nicht. Ebenso wenig genügt dafür, wenn der Architekt genau das tut, wofür er nach der HOAI entlohnt wird, wie z.B. das Einholen von Angeboten und das erteilen von Weisungen auf der Baustelle. Das ist der "normale" Job des Architekten, aus dem gerade nicht geschlossen werden kann, dass der Architekt bevollmächtigt sei. Von einer Anscheinsvollmacht kann man dagegen ausgehen, wenn der Bauherr dem Architekten allein die Vertragsverhandlungen mit dem Unternehmer überlässt oder in anderer Weise völlig freie Hand bei der Durchführung des Bauvorhabens lässt, ohne sich selbst um den Bau zu kümmern. Eine Anscheinsvollmacht kann auch begründet werden, wenn der Bauherr Abschläge auf zusätzliche Leistungen zahlt, die der Architekt in Auftrag gegeben hat.
Das Vorliegen der Voraussetzungen einer Rechtsscheinvollmacht ist stets vom Unternehmer zu beweisen. Zu beachten ist, dass der Anschein einer solchen Vollmacht leicht zerstört werden kann, indem z.B. in AGB des Bauherren der Hinweis enthalten ist, dass der Architekt gerade keine Vollmacht hat.
Lösungsmöglichkeiten
Die vielfältigen Probleme, die sich aus einer nicht ausdrücklich erteilten Vollmacht ergeben können, lassen sich meist auf denkbar einfachste Weise lösen: Kommunikation! Findet sich im Vertrag keine Regelung dazu, wer den Bauherren vertreten darf, sollte dies konkret angesprochen werden. Häufig gelingt es dann, eine ausdrückliche vertragliche Regelung zu finden, wie weit die Vollmacht eines Bauleiters oder Architekten eigentlich geht.
Wird dies versäumt oder gelingt eine solche Vereinbarung auch nachträglich nicht, dann sollte im Zweifelsfall stets der Bauherr angeschrieben werden, wenn eine Entscheidung ansteht, die offenbar das Bausoll oder den Geldbeutel des Bauherrn betrifft. Erfolgt dann keine zeitnahe Rückmeldung des Bauherrn, sollte nicht - wie so häufig anzutreffen - die Änderung umgesetzt oder der Nachtrag ausgeführt werden, sondern es sollte eine Behinderungsanzeige an den Bauherrn - und nicht etwa den Architekten - gerichtet werden. Davor scheuen sich Unternehmen häufig, weil sie die Stimmung nicht verschlechtern wollen. Allerdings sollte sich der Unternehmer fragen, ob er bei Bauherren, die sich nicht verbindlich äußern, wirklich das Risiko eingehen will, auftragslos einen Nachtrag auszuführen oder vom Bausoll abzuweichen.
Fazit
Die meisten Streitfälle im Zusammenhang mit vollmachtlos handelnden Bauleitern oder Architekten sind vermeidbar. Im Zweifelsfall sollte stets der Vertragspartner und nicht dessen Architekt kontaktiert werden.
Rechtsanwalt Marco Röder
- Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht