Unter anderem streifte das Referat auch das organisationsrechtliche Gewand für eine Kanzlei in Gestalt der Partnerschaft mit beschränkter Berufshaftung. Hier wies der Referent darauf hin, dass § 735 BGB ein Einfallstor für die persönliche Haftung der Gesellschafter im Liquidationsfall sei. Die Haftungsbegrenzung bei Berufspflichtverletzungen nach § 8 Abs. 4 PartGG sperre insoweit nicht die gesetzliche Nachschusspflicht im Verlustfalle bei der Liquidation der Partnerschaftsgesellschaft. Genau zu einer derartigen Liquidation mit Nachschusspflicht könne es bei einem vorausgegangenen Haftungsfall mit einer Berufspflichtverletzung kommen, wenn die Partnerschaftsgesellschaft durch Insolvenz aufgelöst werde,
§ 728 Abs. 1 BGB.
Der Blick auf diesen wunden Punkt erzeugte nachvollziehbarer Weise eine gewisse persönliche Aufregung bei den Tagungsteilnehmern. Man sorgte sich, dass dann das Modell der Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung gar nicht zum Schutze des persönlichen Vermögens der Gesellschafter geeignet sei. In der ausgelösten regen Chatbeteiligung kommentierte man, dass § 735 BGB das Konzept der Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung ad absurdum zu führen drohe.
Um den Seelenfrieden der Tagungsteilnehmer wieder herzustellen, die Sorge vor finanziell unüberschaubaren Auswirkungen auf die private Vermögenssphäre zu nehmen und um einmal für den Gesetzgeber mit einer gelungenen Konzeption wie der Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung „die Stange zu brechen“, kann man folgende beruhigende Botschaft zur Rechtslage nachreichen:
Die Haftungsbremse der Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung auf das Gesellschaftsvermögen greift stabil und schützt die Gesellschafter vor dem ungebremsten Totalschaden des Verlustes des Privatvermögens!
Dies ergibt sich aus einem „Dreiklang“ jeweils eigenständiger rechtlicher Überlegungen, bei der jede für sich genommen der drohenden vollständigen Inanspruchnahme des Privatvermögens entgegensteht:
Zum einen setzt die Nachschusspflicht des § 735 BGB die Liquidation der Partnerschaftsgesellschaft voraus. Zwar kommt eine derartige bei einem vorausgegangenen beruflichen Haftpflichtfall durchaus in Betracht. Denn die Haftungsbegrenzung auf das Gesellschaftsvermögen nach § 8 Abs. 4 PartGG kann dazu führen, dass die Gesellschaft vollständig vermögenslos wird. Denn der geschädigte Mandant ist nicht dahingehend beschränkt, aus dem Gesellschaftsvermögen nur auf die Versicherungsleistung der Berufshaftpflichtversicherung zuzugreifen. Er kann darüber hinaus auch auf alle anderen Aktiva wie offene Honorare der Kanzlei, Bankguthaben und auch auf für die weitere Anwaltsbetätigung geradezu unverzichtbare Schätze wie den Werner/Pastor zugreifen. Ist der Mandant über das schlecht geführte Mandat derart verärgert, dass er auch zu solchen Weiterungen schreitet, steht dann zwar nicht der nur bei juristischen Personen eingreifende Insolvenzgrund der Überschuldung vor der Tür, sehr wohl aber derjenige der Zahlungsunfähigkeit, § 11 II Z. 1 InsO, § 17 Abs. 1 InsO. Schließlich müssen die Mitarbeiter und der Vermieter als die beiden Hauptkreditoren bei Kanzleien weiterbezahlt werden.
Nun müssen sich die Gesellschafter nicht fatalistisch mit der Insolvenz zufriedengeben und damit erst die Anwendbarkeit des § 735 BGB auslösen: Stattdessen können Sie die Auflösung wegen Insolvenz dadurch vermeiden, dass sie ihrer Partnerschaftsgesellschaft die zur Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit erforderlichen liquiden Mittel zur Verfügung stellen. Dies sind überschaubare finanzielle Aufwendungen, die weit von der Existenzvernichtung im Falle einer persönlichen Zahlungspflicht der Gesellschafter auf die Schadensersatzforderung eines durch eine Berufspflichtverletzung geschädigten Mandanten im Falle eines Großschadens entfernt sind.
Das erste beruhigende Argument ist also, dass man es mit durchaus begrenztem finanziellen Aufwand als Gesellschafter in der Hand hat, den Weg zur Anwendung des § 735 BGB zu versperren.
Zum anderen stellt § 735 BGB einen Fall der Innenhaftung gegenüber der Partnerschaftsgesellschaft dar. Nach herrschender Auffassung und der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist § 735 BGB – wenn man richtig formuliert! – BGB-gesellschaftsvertraglich abdingbar. Man muss es als Verfasser des Gesellschaftsvertrages nur beachten, dass die Innenhaftung und nicht etwa die Außenhaftung, um die es bei § 735 BGB nicht geht, ausgeschlossen oder eingeschränkt wird (BGH WM 2012, 507 f, RN 17).
Und schließlich rettet den Gesellschafter außer den beiden vorerwähnten Absicherungen als „Gürtel und Hosenträger“, selbst wenn der Gesellschafter von diesen beiden Sicherungsmitteln entblößt ist und die Hose rutscht, weil er es zu der Liquidation kommen lässt und keinen „schlauen“ Gesellschaftsvertrag mit beschränkter Innenhaftung formulierte, der Rettungsfallschirm, dass § 735 BGB nicht die Rechtsfolge einer unbegrenzten persönlichen Haftung auslöst. Dies wiederum erschließt sich wie folgt:
Gleich gelagert zu der unmittelbaren Außenhaftung des Gesellschafters gegenüber Gläubigern analog § 128 HGB mit ihrer strikten Akzessorietät, die sich ausdrücklich auch analog aus § 129 Abs. 1 HGB ergibt, ist auch die Innenhaftung nach § 735 BGB gegenüber der Gesellschaft selbst ebenso strikt akzessorisch.
Der Gläubiger aus einer Berufspflichtverletzung kann bei unmittelbarer Inanspruchnahme der Gesellschafter im Wege der Außenhaftung bei der Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung nicht auf das Privatvermögen der Gesellschafter zugreifen, weil diese analog 129 I HGB die Haftungsbeschränkung der Gesellschaft nach § 8 Abs. 4 PartGG einwenden können.
Der Gläubiger kann nun nach Sinn und Zweck derivativer, aus der Schuld der Gesellschaft abgeleiteter, Haftungsansprüche gegen ihre Gesellschafter nicht besser stehen, wenn er statt der unmittelbaren Inanspruchnahme des Gesellschafters zu dessen mittelbarer Inanspruchnahme schreitet und sich den Innenanspruch nach § 735 BGB pfänden und überweisen lässt. Auch die Innenhaftung ist also eindeutig strikt akzessorisch.
Regelungstechnisch ergibt sich dies nicht aus der Analogie zu § 129 Abs. 1 HGB als lediglich im Außenverhältnis eingreifende Vorschrift, sondern aus dem in § 735 BGB enthaltenen Tatbestandsmerkmal der gemeinschaftlichen Schulden, die mittels des Gesellschaftsvermögens nicht berichtigt werden können. Diese gemeinschaftliche Schuld der PartmbB selbst im Falle einer Haftung wegen Berufspflichtverletzung ist lediglich die auf das Gesellschaftsvermögen beschränkte Schuld mit der Haftungsbegrenzung nach § 8 Abs. 4 PartGG auf das Gesellschaftsvermögen.
Da die Schuld der PartmbB auf ihr Gesellschaftsvermögen limitiert ist, verbleibt bei einem Zugriff des Gläubigers aus einer Berufspflichtverletzung auf die Innenhaftung insoweit nach § 735 BGB kein durch das Gesellschaftsvermögen ungedeckter Fehlbetrag, der der Ausgleichung durch die Gesellschafter nach § 735 BGB zugänglich und bedürftig wäre. Die Haftung des Gesellschafters, gleich ob als unmittelbare Außen- oder als mittelbare Innenhaftung kann nicht weiter reichen als die Schuld der Gesellschaft.
Des Weiteren ist im Sonderfall eines Nachschussanspruches nach § 735 BGB für den Fall der Auflösung wegen Insolvenz der Partnerschaftsgesellschaft nach § 728 Abs. 1 BGB noch folgendes zu berücksichtigen:
Die Auflösung tritt hier zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein (Palandt, Kommentar zum BGB, 80. Aufl., München, 2021, § 728 Rn. 1). Damit geht das Verwaltungs- und Verfügungsrecht auf den Insolvenzverwalter über, § 80 Abs. 1 InsO, und sind Zwangsvollstreckungsmaßnahmen dinglich unwirksam, § 89 Abs. 1 InsO (Andres/Leithaus, Kommentar zur InsO, 4. Aufl., München, 2018, § 89 RN 8). Die in anderen Fällen als der Insolvenz denkbare Zwangsvollstreckung in eigeninitiativer Form durch den durch die Berufspflichtverletzung geschädigten Gläubiger auf einen Nachschussanspruch nach § 735 BGB vermittels eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses scheidet damit ohnehin aus. Angesichts der strikten Akzessorietät der Innenhaftung aus § 735 BGB existiert Des Weiteren gerade kein Nachschussanspruch, ein solcher kann damit auch nicht vom Insolvenzverwalter nach § 80 Abs. 1 InsO erfolgversprechend geltend gemacht werden.
Zusammenfassend droht durchaus auch bei einer Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung die Nachschusspflicht nach § 735 BGB. Sie erfasst allerdings nur und ausschließlich Verbindlichkeiten gegenüber anderen Gläubigern, als demjenigen, der das Gesellschaftsvermögen gegebenenfalls umfassend wegen einer Berufshaftpflichtverletzung in Anspruch nimmt. Damit liegt eine stimmige gesetzliche Gesamtkonzeption vor: Nur für eine Berufspflichtverletzung und nur gegenüber dem hierdurch geschädigten Gläubiger führt die Haftungsbegrenzung des § 8 Abs. 4 PartGG zum Schutz des privaten Gesellschaftervermögens, gegenüber sämtlichen anderen Gläubigern bleibt – natürlich – die von dem Regelungsgefüge des Partnerschaftsgesellschaftsgesetzes überhaupt nicht erfasste persönlich und akzessorische Haftung nach § 128 HGB analog im Außenverhältnis sowie die Nachschusspflicht im Innenverhältnis bei der Insolvenz nach § 735 BGB erhalten.
Damit können die Gesellschafter von Partnerschaftsgesellschaften mit beschränkter Berufshaftung weiter frohgemut ihrer anwaltlichen Berufsausübung nachgehen, ohne vom Damoklesschwert der persönlichen finanziellen Existenzvernichtung bei einem Schadensfall bedroht zu sein.