Doppelhausbaustelle

Gutachten beim Hausbau

In allen Phasen des Hausbaus können Komplikationen auftreten. Diese sind zwar häufig in Abstimmung mit den bauausführenden Firmen zu lösen, manchmal jedoch sehr komplex, so dass Streit unvermeidbar ist. Hier stellen sich für den Bauherrn die Fragen, ob vor, während und im Anschluss der Bauphase Gutachten eingeholt werden sollen, welche Gutachten Sinn machen, welchen Beweiswert die Gutachten haben und welche Kosten anfallen.

Diverse Gutachten-Typen kön­nen beim Bau einer Immobi­lie nützlich sein. Es ist jedoch einzelfallbezogen zu prüfen, ob ein Gutachten für das konkrete Bauvor­haben tatsächlich benötigt wird.

Bodengutachten

In einem Bodengutachten werden insbesondere Feststellungen zur Qualität des Bodens/Erdreichs, der Tragfähigkeit sowie der Grundwas­serverhältnisse getroffen. Da die Ergebnisse unter anderem den Sta­tikern und Architekten, die die Bau­pläne für die Immobilie erstellen, als Basis für ihre Berechnungen dienen, sollte das Bodengutachten möglichst frühzeitig eingeholt werden.  Andernfalls besteht das Risiko, dass während der Bauphase unerwartete Hindernisse auftreten, die nicht nur Mehrkosten verursachen, sondern sogar einen temporären Baustopp oder eine endgültige Undurchführ­barkeit des Bauvorhabens zur Folge haben können. So kann ein hoher Grundwasserspiegel dazu führen, dass eine besondere und teurere Kellerabdichtung installiert werden muss. Bei einem mit Altlasten verun­reinigten Boden ist eine Beseitigung erforderlich, die mit zusätzlichen Kos­ten verbunden ist. Vor Erstellung des Bodengutach­tens sollte feststehen, wo die noch zu bauende Immobilie auf dem Grund­stück stehen soll, da insbesondere in diesem Bereich des Bodens mittels Kernbohrungen Proben entnommen werden, die als Grundlage für die sachverständige Prüfung dienen. Die Kosten für ein Bodengutachten be­laufen sich bei einem Einfamilienhaus in der Regel auf ca. 500-1 000 Euro, können jedoch bei umfangreichen Untersuchungen oder Zusatzleistun­gen (z.B. bauchemische Wasserana­lyse) auch höher ausfallen.

Mängelgutachten

Bei dem Bau einer Immobilie ist es nicht ungewöhnlich, dass sich wäh­rend der Bauarbeiten oder bei Ab­nahme Mängel zeigen. Für einen Bauherrn stellt sich in diesem Fall oft die Frage, welche Ursache der Man­gel hat, wie groß dieser ist und wer für ihn verantwortlich ist. Mangels eigener Fachkunde fällt es ihm naturgemäß schwer, hier eine Prognose abzugeben. Aus diesem Grund macht es bei dem Bau einer Immobilie Sinn, einen Sachverstän­digen mit der Prüfung möglicher Baumängel zu beauftragen. Dabei ist zwischen der Prüfung bei Abnahme und der baubegleitenden Prüfung zu unterscheiden.

Prüfung bei Abnahme

Bei der Abnahme des Bauvorhabens sollte ein Sachverständiger hinzu­gezogen werden, der den Bauherrn unterstützt, da die Abnahme eine Zäsur bedeutet, mit der verschiede­ne Rechtsfolgen verbunden sind (z.B. Beweislastumkehr, Beginn der Ver­jährungsfrist für Mängel). Der Verzicht auf einen Sachverstän­digen kann schwerwiegende Folgen haben. Unterschreibt der Bauherr das Abnahmeprotokoll, ohne sich seine Rechte bzgl. der Mängel vorzubehal­ten, besteht das Risiko, dass er diese nicht mehr geltend machen kann. Sind die Mängel bekannt – wobei im Einzelfall die „Kenntnis“ Streitpoten­zial birgt – verzichtet der Bauherr mit Unterschreiben des Abnahmeproto­kolls auf einen erheblichen Teil seiner Mängelansprüche (v.a. Anspruch auf Nachbesserung). Die Teilnahme eines Sachverstän­digen an der Abnahme kostet ca. 500-1 000 Euro, die in der Regel je­doch gut investiert sein dürften.

Baubegleitende Prüfung

Bei einer baubegleitenden Prüfung ist der Prüfungsumfang komplexer als bei der Prüfung bei Abnahme, da der Sachverständige mehrfach tätig wird. Der Umfang kann dabei indivi­duell beauftragt werden. Zunächst prüft der Sachverstän­dige, ob die Planung mangelfrei ist und dem aktuellen Stand der Technik entspricht. Während der Bauausfüh­rung überprüft er zudem an mehre­ren Ortsterminen stichprobenartig, ob die Bauleistungen mangelfrei aus­geführt wurden. Wenn dem Sachver­ständigen Mängel auffallen, kann die bauausführende Firma frühzeitig mit diesen konfrontiert werden und diese im Idealfall beseitigen, bevor weitere Schäden entstehen.Die Kosten für eine baubegleiten­de Prüfung betragen ca. 3 000-6 000 Euro, wobei der jeweilige konkrete zeitliche Aufwand maßgeblich ist. Dieser ist aufgrund der verschiede­nen Ortstermine höher als bei einer bloßen Teilnahme an der Abnahme. Ob diese Kosten investiert werden sollen, muss letztlich jeder Bauherr selbst entscheiden. Insbesondere bei schadensanfälligen Leistungen (z.B. Abdichtungsarbeiten) macht eine stichprobenartige Prüfung jedoch oftmals Sinn.

Der Verzicht auf einen Sachverstän­digen kann schwerwiegende Folgen haben.

Gutachten zum Baufortschritt

Des Weiteren kann eine Dokumenta­tion des Baufortschritts angebracht sein. Dabei handelt es sich nicht um ein klassisches Gutachten, sondern eher um eine Art Zustandsfeststel­lung, die während der Bauarbeiten (ggf. mehrfach) vorgenommen wird. Durch die Dokumentation kann der Nachweis erleichtert werden, wann ein Mangel entstanden ist und wel­ches Gewerk ihn verursacht hat. Die Bauleistungen bauen häufig aufein­ander auf, sodass zeitlich früher er­brachte Leistungen nur mit höherem Aufwand überprüfbar sind (Beispiel: der Estrich wird vom Bodenbelag verdeckt). Durch eine Dokumentation des Baufortschritts kann zumindest eine teilweise Überprüfung (z.B. an­hand von Fotos) erfolgen. Dies macht insbesondere dann Sinn, wenn verschiedene Firmen mit der Bauausführung beauftragt wurden. Die Dokumentation des Baufortschritts kann regelmäßig im Rahmen der bau­begleitenden Prüfung erfolgen.

Sonstige Gutachten

Im Einzelfall kann es sinnvoll sein, weitere Gutachten einzuholen. Im Idealfall wird der Bauherr von einem bereits beauftragten Sachverständi­gen (z.B. dem Mängel-Sachverstän­digen) darauf hingewiesen oder die Thematik ist ohnehin offensichtlich. Beispielsweise kann eine erhöhte Feuchtigkeit des Dachstuhls ein spe­zielles Schimmel-Gutachten erfor­derlich machen.

Beweiswert und Gerichtsver­wertbarkeit

Bei der Frage des Beweiswerts und der Gerichtsverwertbarkeit von Gut­achten, die der Bauherr in Auftrag gegeben hat, ist Vorsicht geboten, da es sich bei solchen Gutachten ledig­lich um sogenannte Privatgutachten handelt. Anders als ein Gutachten, das wäh­rend einer gerichtlichen Auseinan­dersetzung vom Gericht in Auftrag gegeben wurde, stellt das Privatgutachten keinen Sachverständigenbeweis dar, sondern vertieft und präzisiert lediglich den Vortrag der jeweiligen Partei. Infolgedessen ist der Beweiswert erheblich geringer als bei einem Ge­richtsgutachten. Dies lässt sich u.a. damit begründen, dass das Gericht bei Privatgutachten den Prüfungs­umfang nicht vorgibt und der Sach­verständige bei Erstellung des Pri­vatgutachtens möglicherweise nicht über alle relevanten Informationen verfügt hat. Gerichte neigen aufgrund des geringeren Beweiswerts von Pri­vatgutachten dazu, einen eigenen gerichtlichen Sachverständigen zu beauftragen, der ebenfalls eine sach­verständige Prüfung des streitigen Sachverhalts durchführt. Die Feststel­lungen des gerichtlichen Sachver­ständigen sieht das Gericht regelmä­ßig als maßgeblich an, weshalb die Bedeutung eines Gerichtsgutachtens deutlich höher einzuordnen ist als die eines Privatgutachtens. Dennoch liefern Privatgutachten Hinweise auf mögliche Mängel und erleichtern de­ren Nachweis.

Zusammenfassung

Letztlich muss jeder Bauherr selbst entscheiden, ob er Sachverständi­ge bei dem Bau seiner Immobilie hinzuziehen will und welche Art von Sachverständigen er auswählt. Ins­besondere wenn es bereits vor oder während der Bauphase zu Problemen kommt (z.B. offensichtliche Mängel), sollte die Investition in einen Sachver­ständigen jedoch als ernsthafte Op­tion in Erwägung gezogen werden, um spätere, oftmals deutlich höhere Schäden zu vermeiden.

 


 

Auswahl des Sachverständigen

Bei der Auswahl eines Sachverständigen ist zu beachten, dass die Bezeichnung „Bausachverständiger“ nicht geschützt ist und jeder diesen Begriff verwenden darf. Der Bauherr sollte möglichst einen öffentlich bestellten und vereidigten Bausachverständigen beauftragen, da diese Bezeichnung von einer offiziellen Stelle (häufig: Industrie- und Handelskammer) nach Prüfung der Eignung und Sachkunde verliehen wird. Auch Gerichte beauftragen bevorzugt Sachverständige mit dieser Qualifizierung. Zumindest sollte der Sachverständige nach Nachweisen seiner Qualifikation gefragt werden, die er auch durch Fortbildungsmaßnahmen, Referenzen, etc. belegen kann.

Sollte die bauausführende Firma einen „schlüsselfertigen“ Bau der Immobilie schulden, beschäftigt sie häufig eigene Architekten oder Ingenieure, die die Planung übernehmen. Aufgrund dieses Näheverhältnisses sollte der Bauherr deren Ratschläge bei Streit mit der bauausführenden Firma jedoch mit Vorsicht genießen.

 


 

Jan Greve

  • Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
  • Mitglied der ARGE Baurecht
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Der Beitrag „Achtung bei der Bau-Abnahme“ erschien zuerst in der Zeitschrift „bauen.", Ausgabe 12-01/2023. Sie können den Beitrag hier online betrachten und herunterladen.