Zunächst stellt sich die Frage, wie das Nachbarrecht in der Planung zu beachten ist. Schon bevor man Nachbar wird, kann man sehr viel für eine gute Nachbarschaft tun. Für alles gilt: Pflegen Sie immer eine offene und zugewandte Kommunikation und schaffen Sie Transparenz, wenn Sie vorhaben ein neues Bauvorhaben zu errichten, umzubauen oder zu sanieren.
Auch unter Nachbarn gilt: Es ist immer ein Miteinander! Deshalb muss jeder Bauherr das Nachbarrecht in seiner Planung maßgeblich berücksichtigen. Dies kann darin bestehen, dass bestimmte Grenzabstände eingehalten oder die Vorgaben des Bebauungsplans eingehalten werden müssen. Andernfalls können Ansprüche des Nachbarn entstehen, die teilweise in erhebliche Kosten resultieren können.Überbaut man z.B. die Grundstücksgrenze, kann dies zu einer Rückbaupflicht führen.
Bindet man den Nachbarn in ein Bauvorhaben nicht ein und beachtet man die Nachbarrechte nicht, kann sich das Bauvorhaben durch einen sogenannten „Drittwiderspruch“ erheblich verzögern und dadurch nicht nur das Baubudget, sondern auch Zeit und Nerven strapaziert werden. In einem Neubaugebiet müssen die Pläne und Wünsche des Nachbarn ebenso berücksichtigt werden, wie bei einem An- oder Umbau im Bestand. Streitpunkte können sein: Die Einfriedung, Grenzwände, Baubestand, die Belichtung und Belüftung der jeweiligen Grundstücke und der Schutz der Privatsphäre. All diese Punkte müssen, orientiert an den örtlichen Bauvorschriften, frühzeitig kommuniziert und besprochen werden. Beginnt man mit Abriss- Umbau oder Neubaumaßnahmen, ohne den Nachbarn einzubinden, ist der Streit in der Regel vorprogrammiert. Bei dem Nachbarn führt die Unsicherheit „Was macht der Nachbar?“, „Werde ich mein Grundstück so nutzen können, wie bisher?“ zu einer grundsätzlichen Abwehrhaltung, die durch eine vorherige, offene Kommunikation höchstwahrscheinlich nicht entstanden wäre.
Nimmt man daher bei seinem Bauvorhaben auch die Bedürfnisse des Nachbarn wahr, hält sich an die Bauvorschriften und kommuniziert offen, kann bereits in der Planungsphase der Weg für eine gute Nachbarschaft geebnet werden.
Nachbarklage trotz Baugenehmigung
Was, wenn ich eine Baugenehmigung habe, und der Nachbar klagt? Trotz aller Rücksicht und offenen Kommunikation kann es dennoch dazu kommen, dass sich der Nachbar im Wege des „Drittwiderspruchs“ gegen eine erteilte Baugenehmigung wehrt, weil er sich in seinen Nachbarrechten verletzt sieht.
Allgemein gilt: Für den Erfolg der Klage muss der Nachbar die Verletzung einer sogenannten drittschützenden Norm geltend machen können. Drittschutz besteht dann, wenn die Norm nicht nur dem Schutz der öffentlichen Interessen zu dienen bestimmt ist, sondern (auch) dem Schutz von Individualinteressen dient. Dies ist von Norm zu Norm unterschiedlich, eine genaue Bestimmung ist häufig schwierig.
Was muss ich tun?: Bereits im einstweiligen Rechtsschutzverfahren kann man den Rechtsstreit gewinnen, indem dargelegt wird, dass unter keinen Umständen eine drittschützende Norm verletzt wurde. Deshalb ist es wichtig, sich frühzeitig anwaltlich vertreten zu lassen.
Der Überbau über Grundstücksgrenze
Gerade bei eng bebauten Grundstücken kann es schnell zu einem sog. Überbau kommen. Dabei baut der Bauherr über die Grundstücksgrenze des Nachbarn hinaus. Dies kann auch vorliegen, wenn es sich dabei nur um einen Balkon oder Dach handelt.
Wichtig zu wissen: Auch der Luftraum über dem Grundstück zählt zum Eigentum des jeweiligen Grundstücks. Im Falle des Überbaus steht dem betroffenen Nachbarn zunächst grundsätzlich ein Beseitigungsanspruch zu.
Verschattung und Nachbarrecht
Welche Rechte hat man, wenn die Terrasse des Nachbarn verschattet wird? Die Antwort auf diese Frage lautet wie so oft bei Rechtsfragen: Es kommt auf den Einzelfall an.
Die Verschattung kann sehr unterschiedliche Gründe haben. Entsteht sie durch eine Hecke, einen Baum oder das Haus? Hierbei gelten unterschiedliche Maßstäbe, insbesondere kann die rechtliche Bewertung von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich sein.
So gelten etwa unterschiedliche Landesnachbargesetze mit unterschiedlichen Abstandsvorschriften.Grundsätzlich verstößt eine Verschattung nur dann gegen das allgemeine Rücksichtnahmegebot, wenn sie unzumutbar ist. Wann eine solche Unzumutbarkeit vorliegt, muss im Einzelfall bestimmt werden. Auch hier wird eine Rechtsberatung unerlässlich sein, die das Ziel haben sollte, eine gütliche Einigung zu erzielen. So kann man sich die teils langwierigen sowie kostenintensiven Prozesse ersparen und eine interessengerechte Lösung finden. Gerade aufgrund der räumlichen Nähe der Nachbarn zueinander sollte immer an einer gemeinschaftlichen Lösung gearbeitet werden.
Kran über Nachbarhaus, - was ist erlaubt?
Häufig wird bei der Errichtung eines Hauses oder bei umfangreichen Renovierungsarbeiten ein Kran benötigt. Insbesondere bei Reihenhäusern muss dieser Kran das Nachbargrundstück überschwenken. Hierdurch wird der Eigentümer des Nachbargrundstückes belästigt und ggf. gefährdet.
Grundsätzlich gilt eine Duldungspflicht des Nachbarn: Da das Überschwenken in der Regel für die Durchführung mancher Bauarbeiten unerlässlich ist, gibt es ein sog. Hammerschlags- und Leiterrecht. Hiernach unterliegt der Nachbar einer Duldungspflicht, wenn man zur Ausübung von Bauarbeiten das Nachbargrundstück betreten muss. Hierunter fällt auch das Überschwenken mit einem Kran. Dies muss jedoch zwingend erforderlich sein, es darf also keine Möglichkeit geben, die Arbeiten anders auszuführen. Sollten andere Möglichkeiten bestehen, muss man auf diese zurückgreifen, und zwar auch dann, wenn dies mit deutlich höheren Kosten verbunden ist. Das Überschwenken mit Lasten ist jedoch in aller Regel nicht erlaubt. Die hierdurch entstehenden Gefahren müssen nicht hingenommen werden.
Was muss ich beachten?: Besonders wichtig ist dabei, dass die Art der Arbeiten und deren voraussichtliche Dauer dem Nachbarn innerhalb einer bestimmten Frist rechtzeitig angezeigt werden müssen. Zu Beweiszwecken sollte dies immer schriftlich geschehen.
Kann der Nachbar widersprechen?: Ja, das kann er! Der Bauherr darf dann nicht einfach ohne Erlaubnis das Grundstück überschwenken. Allerdings kann er dann gerichtlich gegen den Nachbarn vorgehen.
Wegerecht und Zufahrten
Das Wegerecht regelt, wer einen Fahr- oder Gehweg auf einem fremden Grundstück verwenden darf, um an ein anderes Grundstück zu gelangen. Ein solches besteht nur, wenn es keine andere Möglichkeit gibt, um auf das eigene Grundstück zu gelangen. Nicht erfasst ist allerdings das Parken.
Ein Wegerecht kann in Form einer Grunddienstbarkeit eingeräumt werden. Diese wird dann im Grundbuch eingetragen. Sofern die Voraussetzungen vorliegen, hat der Nachbar auch einen Anspruch darauf.
Letztlich kann das Wegerecht auch durch eine vertragliche Vereinbarung begründet werden.
Windräder auf dem Nachbargrundstück
Das Haus ist gebaut, der Garten gemacht. Eigentlich ist alles perfekt, doch jetzt plant ein Unternehmen auf einem angrenzenden Feld Windräder zu errichten. Dies kann zu erheblichen Beeinträchtigungen führen. Zum einen sind Windräder sehr laut, zum anderen kann durch den sich immer bewegenden Schatten die Optik irritiert und gestört werden.
Regelungen sind Landessache: Wer gegen einen geplanten Windpark vorgehen möchte, muss die behördliche Genehmigung anfechten oder bereits vorab verhindern. Auch hierbei gelten unterschiedliche gesetzliche Vorgaben je nach Bundesland. So ist etwa in den meisten Bundesländern ein Mindestabstand von 1 000m zu Wohnhäusern vorgeschrieben. In Nordrhein-Westfalen können auch in unter 1 000m Windräder errichtet werden. Hier ist die dreifache Höhe des Windrades als Abstand maßgeblich. In Bayern gilt sogar die zehnfache Höhe des Windrades!
Der frühe Vogel fängt den Wurm!: Am besten ist es, vor Errichtung der Windräder gegen diese vorzugehen. Nachträglich ist dies grundsätzlich sehr schwer. Wenn ein entsprechender Bebauungsplan erlassen wird, kommt es immer zu einer Öffentlichkeitsbeteiligung. Hierbei kann man z.B. durch eine Bürgerinitiative Unterschriften gegen die Anlage sammeln und diese einreichen. Dies ist dann ein privater Belang, der von der Gemeinde bei der Aufstellung des Bebauungsplans in ihrem Ermessen zu berücksichtigen ist.
Tipp für die Grundstückssuche: Im Flächennutzungsplan sind potenzielle Flächen als Standorte für Windenergie ausgewiesen. Also Augen auf beim Grundstückskauf!
Einsicht in die Bauakte des Nachbarn
Wo kann ich erfahren, was mein Nachbar geplant hat? Ausdrücklich geregelt ist ein Recht auf Einsicht in die Bauakte des Nachbarn in den Bauordnungen der Länder nicht. Nach Ansicht des VG Gelsenkirchen ist aber eine Akteneinsicht über das Informationsfreiheitsgesetz des Landes möglich, sofern ein berechtigtes Interesse besteht. Ein solches berechtigtes Interesse besteht regelmäßig dann, wenn man die Informationen aus der Bauakte braucht, um eine Klage gegen die Baugenehmigung zu erheben. Grundsätzlich gilt auch das Recht auf Akteneinsicht für die am Verfahren Beteiligten. Man sollte hierfür einen schriftlichen Antrag beim örtlichen Bauamt stellen. Am besten sollte man auch einen Grundbuchauszug beifügen, der einen als Eigentümer eines benachbarten Grundstückes ausweist.
Die Baulast im Grundbuch
Baulast bedeutet, dass der Eigentümer eines Grundstückes ggü. der Baubehörde verpflichtet ist, bestimmte Dinge auf seinem Grundstück zu dulden, zu unterlassen oder auszuführen.
So kann etwa festgelegt werden, dass der Eigentümer bestimmte Flächen nicht bebauen darf oder dass er im Rahmen einer Erschließungsbaulast das Grundstück an öffentliche Verkehrsflächen und öffentliche Versorgungseinrichtungen anschließen muss. Solche Baulasten gehen beim Erwerb eines Grundstückes auf den Erwerber über. Deshalb ist es immer eine Grundvoraussetzung, dass man Einsicht in das Baulastenverzeichnis nimmt. Solche Baulasten können den Wert und die mögliche Verwendung nämlich erheblich beeinträchtigen. Ggf. können hierdurch Mängelrechte geltend gemacht werden.
Fazit
Das Nachbarrecht ist komplex und vielschichtig. Umso wichtiger ist es, die Rechtslage richtig zu erfassen, sich frühzeitig zu informieren und Rechtsrat einzuholen. Genauso wichtig ist es aber auch, den Nachbarn in geplante bauliche Maßnahmen einzubeziehen und stets offen zu kommunizieren, um „in Frieden leben zu können“.
Manuela Reibold-Rolinger
- Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht
- Mitglied der ARGE Baurecht