Wir sprachen mit den Schauspiel-Coaches Prof. Michael Keller und Tobias Schulze über Gemeinsamkeiten und Unterschiede des Grund- und Aufbaukurses und warum es sinnvoll ist, beide Formate zu besuchen.
Bei Baurecht denkt man nicht als Erstes an Schauspiel. Wie passen die beiden Disziplinen zusammen?
Prof. Michael Keller: Ziel ist es, das Bewusstsein für die eigene Wirkung auf andere zu entdecken. Was ich mache, wie ich spreche, wie ich mich bewege, trägt entscheidend dazu bei, ob und wie eine Botschaft ankommt. Es geht also nicht um „Schauspielern“, sondern um Ausdrucksformen. Genau die wollen wir im Seminar untersuchen und die Möglichkeiten, die jedem Einzelnen zur Verfügung stehen, gezielt erweitern und trainieren.
Tobias Schulze: Bevor wir tiefer einsteigen, würde ich gerne mit einem weit verbreiteten Missverständnis aufräumen: Der Begriff Schauspiel steht nicht für Verstellung oder gar Lügen. Vielmehr ist die Absicht der Schauspielkunst, ein Anliegen glaubhaft zu verkörpern. Die Betonung liegt auf ‚Körper‘, auf dieses Verkörpern werden wir im weiteren Gespräch sicher immer wieder stoßen. All das, was Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte tun, ist rational und intellektuell auf Inhalte bezogen. Allerdings ist das der verschwindend kleinste Anteil unserer Wirkung, der wahrgenommen wird. Genau hier setzen wir an: Wir helfen mit schauspielerischen Mitteln, im Sinne des Verkörperns, andere Kommunikationsebenen sinnvoll zu nutzen.
Inwiefern können baurechtlich spezialisierte Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte von dem Seminar profitieren?
Keller: Es geht darum, ein Bewusstsein für Ausdrucksmöglichkeiten und Strategien der Kommunikation zu entwickeln, mit denen der Anwalt in unterschiedlichsten Situationen und im Kontakt mit den unterschiedlichsten Partnern überzeugend wirken kann.
Das Format zielt darauf ab, die komplexen fachjuristischen Inhalte mithilfe schauspielerischer Mittel so zu transportieren, dass sie beim Gegenüber – Mandant, Gegenpartei, Gericht – verständlich und überzeugend ankommen.
Schulze: Die Mehrabian-Regel* besagt, dass 55 Prozent der Wirkung der Kommunikation zwischen zwei Menschen die Körpersprache ausmacht, 38 Prozent wird über Ton und Stimme transportiert und nur 7 Prozent über den Inhalt, also die Worte. Wenn man sich das wirklich vergegenwärtigt, dann tut sich ein großes Entwicklungspotenzial für alle auf, die vor allem auf Inhalte konzentriert sind.
Aufbaukurs „Kommunikation für Baurechtsprofis“
27. und 28. September 2024
Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch in Berlin
Grundkurs „Kommunikation für Baurechtsprofis“
28. Februar und 1. März 2025
(Alternativ 21.-22.3.25)
Wir nehmen Sie gerne in die Interessiertenliste auf und halten Sie zu den Seminaren auf dem Laufenden.
Was lernen die Teilnehmenden bei Ihnen, was sie nicht schon längst in einem Rhetorik-Seminar gelernt haben?
Keller: Unsere Teilnehmenden lernen, dass sie einen Körper haben (lacht). Im Ernst: Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt. Letzterer ist wesentlich interessanter für uns. Unsere Teilnehmenden staunen regelmäßig, wenn sie entdecken, dass all ihre Äußerungen, ihr gesamtes Verhalten vom Gegenüber ununterbrochen bewertet und interpretiert werden und welche Rolle dabei die Ebenen Körper, Stimme und Beziehung spielen.
Können Sie uns den Unterschied zwischen dem Grundkurs und dem Aufbaukurs erläutern? Was war der Schwerpunkt im ersten Kurs, wie geht es in Teil 2 weiter?
Keller: Im Grundkurs lernen die Teilnehmenden ihre Sprache und ihren Körper bewußter wahrzunehmen und so einzusetzen, dass die Interpretation ihres Verhaltens mit den eigenen Absichten übereinstimmt. Durch Rückmeldungen der anderen Teilnehmenden, die zuschauen und auf die das Geschehen wirkt, decken wir nach und nach die Unterschiede auf, die zwischen der intendierten und der tatsächlichen ankommenden Botschaften liegen. Mit diesem Bewusstsein kann ich ganz anders an Situationen herangehen.
Schulze: Das Entdecken und ein erstes Erleben bieten wir im Grundkurs. Das vertiefende Anwenden, das bewusste Einsetzen geschieht im Aufbaukurs. Wir trainieren das anhand vorgeschlagener Situationen. Wenn wir in vertrauten und gewohnten Umfeldern bleiben, fällt das Heraustreten aus den eigenen Mustern schwer. In anderen, vollkommen neuen Situationen, in denen man sich und seine Mittel des Auftretens ausprobieren, erforschen und erweitern kann, fällt das leichter. Und so wird die professionelle Persönlichkeit erweitert und geschärft.
Keller: Durch die Erkenntnisse im Grundkurs entstehen neben Erfolgserlebnisse und Bestätigung sicher auch Fragen, denen wir uns im Aufbaukurs tiefer widmen können.
Warum ist es besonders für Rechtsanwälte wichtig, ihre nonverbalen Ausdrucksformen und ihr selbstbewusstes Auftreten zu trainieren?
Keller: Wenn ich weiß, wie ich auf andere wirke und wie ich diese Wirkung gestalten kann, führt das zu größerem Selbstbewusstsein. Das klingt simpel, ist aber gerade für Rechtsanwälte, die üblicherweise vor allem auf Inhalte konzentriert sind, von großer Bedeutung.
Gibt es bestimmte „Muster“ oder Kommunikationsstile, die Ihnen bei Rechtsanwälten häufiger begegnen?
Schulze: Ja, auf jeden Fall, das liegt in der Natur ihrer Profession sich stets durchsetzen zu wollen (macht eine Faust). Denn fast immer geht es in diesem Bereich genau darum, Recht haben, gewinnen, nicht untergebuttert werden und vor allem für Frauen, anerkannt und ernst genommen werden. Also haben Fakten und Argumente Vorrang. Dass dabei aber auch andere wichtige Kommunikationselemente „mitreden“ bleibt bisweilen unerkannt.
Wie können schauspielerische Techniken helfen, diese „Muster“ zu überwinden?
Schulze: Da sind wir wieder bei der Bewusstmachung, dass Kommunikation immer auch Interaktion bedeutet, ein Austausch zwischen Sender und Empfänger. Wenn ich dabei auch die Signale des Gegenüber wahrnehmen, darauf eingehen kann, geht der Raum auf für etwas Neues.
Keller: Neben den beruflichen gibt es auch persönliche Muster. Wir gehen äußerst individuell auf jeden Einzelnen ein. Jede und jeder hat im Laufe des Lebens und Berufslebens anderes habitualisiert und daran orientieren wir uns mit Aufmerksamkeit und Hingabe. Das lustvolle Bewußtmachen der ganz persönlichen Stärken treibt uns an.
Warum sollten Teilnehmende des Grundkurses nun unbedingt den Aufbaukurs besuchen?
Keller: Im Grundkurs haben alle die grundlegenden Techniken gelernt und inzwischen vielleicht im Alltag ausprobiert. Im Aufbaukurs arbeiten wir mit diesen Erfahrungen, betrachten sie aus unterschiedlichen Blickwinkeln und entwickeln Szenarien und Strategien, um den individuellen Handlungsrahmen zu erweitern. Dazu gehört auch der Perspektivwechsel, der Rollentausch mit dem Gegenüber. Wenn du dich in dessen Position begibst, kannst du besser verstehen, was er erlebt und was er will.
Keller und Schulze: Die bisher in den Grundkursen gemachten Erfahrungen, getragen von Neugier, Humor, Lust am Entdecken, Partnerschaftlichkeit, Gefühl, Leichtigkeit haben uns gezeigt, wie wenig Anstöße es bedarf, gewohnte Verhaltensweisen zu hinterfragen und neu zu ordnen. Das sind sehr bereichernde Erlebnisse, für alle Beteiligten. Wir freuen uns auf weitere Begegnungen.
Herr Keller, Herr Schulze, vielen Dank für das Gespräch.
Prof. Michael Keller
Tobias Schulze
* Die Mehrabian-Regel, auch bekannt als das 7-38-55-Modell der Kommunikation, wurde von Albert Mehrabian entwickelt. Sie beschreibt, wie nonverbale Kommunikationselemente (wie Körperhaltung, Gesichtsausdruck und Tonfall) die Wahrnehmung und Interpretation einer Nachricht beeinflussen. Die Regel besagt, dass die Gesamtwirkung einer Botschaft zu 7 Prozent durch den Inhalt (die Worte), zu 38 Prozent durch den Tonfall und zu 55 Prozent durch die Körpersprache bestimmt wird.