Fehlende Sachkunde ist kein Ablehnungsgrund!

OLG Köln, Beschluss vom 04.06.2024 - 16 W 16/24 ZPO § 42 Abs. 2, § 406 Abs. 1

1. Die Ablehnung eines Sachverständigen findet statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen (BGH, Beschluss vom 15.03.2005 - VI ZB 74/04, IBRRS 2005, 1471).
2. Im Verfahren der Ablehnung eines Sachverständigen kann nicht überprüft werden, ob die Verfahrensweise des Sachverständigen sachlich und inhaltlich zutreffend ist oder nicht. Etwas anderes kann nur bei schwer wiegenden Verstößen eines Sachverständigen gegen zwingende gesetzliche Vorschriften gelten (hier verneint).
3. Die fachliche Qualifikation des Sachverständigen vermag den Vorwurf der Befangenheit nicht zu begründen. Sie betrifft beide Parteien in gleichem Maße. Selbst wenn die Feststellungen sich an einem Punkt fachlich als nicht haltbar herausstellen sollten oder als grob fehlerhaft, ergäbe dies keinen hinreichenden Anlass für eine bewusst fehlerhafte Feststellung zu Lasten einer Partei.
4. Die inhaltliche Befassung mit Ablehnungsgründen bleibt im weiteren Erkenntnisverfahren unberührt.

OLG Köln, Beschluss vom 04.06.2024 - 16 W 16/24

ZPO § 42 Abs. 2, § 406 Abs. 1

Problem/Sachverhalt

Ein gerichtlicher Sachverständiger bezieht in seine Begutachtung bestimmte Parameter und Dokumente nicht ein. Konkret handelt es sich z. B. um eine Nichtbeiziehung von Wartungsunterlagen. Die ablehnende Partei legt ihm sogar eine bewusste "Lüge" zur Last. Das betrifft die Vorgehensweise des Sachverständigen bei der Vorbereitung seiner schriftlichen Begutachtung.

Das ist Anlass, die Ablehnung des Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit zu beantragen. Den zulässigen Ablehnungsantrag weist das Landgericht ab. Zur Begründung führt das Landgericht (sinngemäß) aus, dass es nicht Aufgabe eines Befangenheitsverfahrens ist, ein Gutachten inhaltlich zu prüfen. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Partei.

Entscheidung

Das OLG Köln weist die sofortige Beschwerde zurück, weil kein Ablehnungsgrund im Sinne der Rechtsprechung des BGH vorliege. Insbesondere erkennt das OLG keinen Grund, der geeignet sei, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen zu rechtfertigen. Es gehe um die Verfahrensweise des Sachverständigen im Rahmen seiner Begutachtung und der Abfassung seines schriftlichen Gutachtens.

Soweit sich der Sachverständige fachlich ungeeignet vorbereite oder äußere, sei dies nicht geeignetMisstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Von einer fehlenden fachlichen Qualifikation seien beide Parteien in gleichem Maße betroffen. Die Vorgehensweise und inhaltliche Bewertung von Untersuchungen durch den Sachverständigen und sein Prüfungsergebnis stellen nach OLG Köln grundsätzlich keine Ansätze für eine Ablehnung dar.

Selbst wenn die Feststellungen sich in einem Punkt als nicht haltbar herausstellen sollten oder als grob fehlerhaft, könne daraus keine fehlerhafte Feststellung bewusst zu Lasten einer Partei angenommen werden.

Praxishinweis

Die Formel des BGH bietet den Gerichten immer wieder die Handhabe, Ablehnungsanträge zurückzuweisen, weil sie sehr dehnbar ist. Offensichtlich ging der Sachverständige in dieser Sache nicht professionell vor und auch nur "zu Lasten" der ablehnenden Partei.

Der Umgang mit solchen Sachverständigen ist sehr schwierig. Ein fehlgeschlagener Ablehnungsantrag kann allerdings zu fatalen Folgen führen.

Bei der Gratwanderung, die der Anwalt zu begehen hat, sollte die ergänzende Begutachtung und eine Anhörung, gegebenenfalls mit einem Privatsachverständigen zusammen, einem Ablehnungsantrag vorgezogen werden.

RA und FA für Bau- und Architektenrecht, FA für Vergaberecht Georg Sturmberg, Köln

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