
Noch nicht zum sechzigsten, aber immerhin zum zehnten Mal fand am Freitagvormittag die „echte“ Grundlagenveranstaltung für junge Baurechtler:innen statt. Seit nunmehr fünf Jahren ist dieser Tagungsauftakt dank der Arbeitsgruppe junge Baurechtler:innen konsequent auf die Bedürfnisse der Jüngeren ausgerichtet, so auch dieses Mal in Berlin: Dr. Jannis Matkovic referierte zur (neuen) Baubeschreibungspflicht des Unternehmers in Verbraucherbauverträgen und Bauträgerverträgen und den damit verbundenen Problemen.
Anschließend eröffnete Dr. Birgit Franz ganz offiziell diese besondere Jubiläumstagung und begrüßte nicht nur die bekannten und neuen Gesichter im Raum, sondern auch die zahlreichen Online-Teilnehmer:innen. Denn auch dieses Mal fand die Baurechtstagung wieder im – mittlerweile bewährten – Hybrid-Format statt.
Den Beginn des eigentlichen Fachprogramms machte Dr. Ulrich Locher, welcher die rechtlichen und prozessualen Besonderheiten der Abschlagsrechnungen und Abschlagszahlungen im Baurecht darstellte. Und weil wir uns bereits thematisch mit Rechnungen auseinandersetzten, folgte direkt im Anschluss der Vortrag von Prof. Dr. Günter Schmeel zu dem Thema „Teilschlussrechnung – Exotin oder Handwerkszeug?“. In diesem zeigte er nicht nur die Möglichkeiten, sondern auch die Grenzen einer Teilschlussrechnung und die damit verbundenen Risiken auf. Am Ende zeigte sich, so exotisch ist die Teilschlussrechnung nicht und wer sein Handwerkzeugs beherrscht, kann diese zu seinen Gunsten einsetzen.
Gestärkt von den zahlreichen herzhaften und süßen Kleinigkeiten in der Pause, ging es erfrischt in den zweiten Teil des Freitags. Hier machte nach einer kleinen Umstellung des Programms, Herr Dr. Ralf Averhaus den Anfang und referierte zu der Frage, ob wegen der Beibehaltung der verbindlichen Planungshonorare eine Staatshaftung der Bundesrepublik Deutschland – wie in dem EuGH-Urteil von Anfang dieses Jahres angedeutet – in Betracht komme. Hierbei dürfte der ein oder andere sich an seine Studienzeit zurückerinnert haben und sich die Voraussetzungen des Staatshaftungsanspruchs nach deutschem, sowie nach dem europäischem Recht ins Gedächtnis gerufen haben.
Und wer in der Pause zwischen all den anregenden Gesprächen und Diskussionen nicht zum Essen kam, der konnte zumindest zwischen den Vorträgen heimlich still und leise von den kleinen Jubiläums-Pralinen naschen und mit einem Piccolo – zur Einstimmung auf den bevorstehenden Abend – herunterspülen.
Nach einem schnellen Ritt durch die – mehr oder weniger noch aus dem Studium bekannten Staatshaftungsansprüche - ging es auch schon weiter mit dem letzten Vortrag für den Freitag. Und weil auch weder die Folgen der Corona-Pandemie, noch die Folgen des Ukrainekrieges vor der Baubranche Halt machen, beschäftigte sich der Vortrag von Dr. Birgit Franz und Prof. Dr. Werner Langen mit den Folgen dieser globalen Krisen auf die Realisierung von Bauvorhaben. Dabei ging es bei dem Thema „Höhere Gewalt und Störung der Geschäftsgrundlage – wird § 313 BGB zu restriktiv angewendet“ insbesondere um den, aufgrund von Materialknappheit und massiv steigenden Baustoffpreisen, möglichen Preisanpassungsanspruchs und seiner Berechnung. Es verwundert wenig, dass dieses höchst aktuelle Thema, welches bei vielen bereits seinen Weg auf die Schreibtische gefunden hatte, nicht nur im Anschluss rege diskutiert wurde, sondern auch am Abend noch vereinzelt Gesprächsthema war.
Den Abschluss fand der erste Tagungstag bei dem anschließenden traditionellen Sektempfang, welcher jedoch für die Teilnehmer:innen der Abendveranstaltung verhältnismäßig kurz gehalten wurde. Denn am Abend ging es zur Jubiläumsparty im Stil der 20er-Jahre ins Clärchens Ballhaus und hierfür haben die Gäste nicht nur ihre Lackschuhe, Glitzerkleider, Stresemanns und Knickerbocker angezogen, sondern beeindruckten auch durch kreativen Kopfschmuck und Frisuren im Stil der 20er Jahre.
Wer behauptet, Juristen seien „steif und langweilig“, der war offensichtlich noch nicht auf einer der Abendveranstaltungen der ARGE-Baurecht. Ganz nach dem Motto: “A little Party never killed nobody“ wurde viel gelacht und ausgelassen gefeiert. Nach einem gemeinsamen Abendessen ging es auf der Tanzfläche weiter, wo die Partygäste zur Live-Musik der „The Swingin Pops“ bis in die frühen Morgenstunden das Tanzbein schwangen.
Das Jubiläumsfest wollte sich auch der Baurechts-Nachwuchs aus den Universitäten, Gerichten und Kanzleien Berlins nicht entgehen lassen, die von der ARGE Baurecht im Vorfeld gezielt angesprochen und eingeladen wurden. In der Folge sank der Altersdurchschnitt der Partygäste ab 22.00 Uhr sprunghaft. Dazu trug auch die ebenfalls eingeladene Delegation aus Teilnehmenden der Zusatzqualifikation Privates Baurecht der Philipps-Universität in Marburg bei. Die „Verjüngungskur“ kam bei den alten Hasen gut an, die den Nachwuchs nicht nur freundlich empfingen, sondern ihm auch deutlich machte, dass das Baurecht einfach ein cooles Rechtsgebiet ist.
Der nächste Morgen begann für viele bei einem ausgiebigen Frühstück im Hotel und dem sich daran traditionell anschließenden Vortrag des Vorsitzenden Richters des VII. Zivilsenats des BGH, Herrn Rüdiger Pamp, über die aktuelle BGH-Rechtsprechung im Bau- und Architektenrecht. Obwohl Herr Pamp diesmal zahlreiche Entscheidungen im Gepäck hatte, schaffte er es nicht nur all diese in der vorgegebenen Zeit zu besprechen, sondern auch die Teilnehmer:innen mit Witz und Humor in seinen Bann zu ziehen.
Nach der, aufgrund des bei dem ein oder anderen vorhandenen Schlafmangels dringend benötigten Kaffeepause, schloss sich der Vortrag von Rechtsanwalt Daniel Hürter an. Dieser referierte zu den ausgewählten Problemen des § 5 VOB/B und zeigte damit gleich zu Beginn auf, dass die Regelung zur Bauzeit weit mehr Probleme mit sich bringen kann, als so mancher vermuten würde.
„Last but not least“ referierte Dr. Bernhard von Kiedrowski zu dem Thema „VOB/B – Grundgesetz am Bau oder schnöde AGB?“ und beleuchtet insbesondere die Frage, ob angesichts der zum Teil unklaren und mehrdeutig formulierten VOB/B-Regelungen (welche wohlbemerkt teilweise bereits seit der ersten Ausgabe 1926 unverändert bestehen), nicht eine grundlegende Überarbeitung der VOB/B wünschenswert sei. Mit diesem spannenden Vortrag endete das offizielle Tagungsprogramm und die Mitgliederversammlung schloss sich an. Wer danach noch Lust und Energie hatte, der konnte sich noch zu einem Architektur-Spaziergang auf der Museumsinsel in Berlin begeben.

Marie-Christin Lehmann
- Rechtsanwältin
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61. Baurechtsagung am 3. und 4. März 2023
im Casino der Zeche Zollverein in Essen