Nachbericht zum 20. Arbeitskreis Internationales Baurecht

Anlagenbau - der richtige Umgang mit Risiken im internationalen Umfeld

Einleitung

In Deutschland soll in Kürze ein Entwurf zum Verbandssanktionengesetz offiziell verabschiedet werden, dabei sind Verbandsstrafrechte sowie die Sanktionierung von Unternehmen im internationalen Geschäftsverkehr ohnehin schon universal anerkannte Standards. Es gibt bereits zahlreiche Übereinkommen und eine Reihe von Rechtsakten der europäischen Union, die zur Bekämpfung von Bestechungen, Korruption oder ähnlichen Straftaten verabschiedet wurden. In Deutschland bildet das Ordnungswidrigkeitengesetz die einzige gesetzliche Grundlage, die es erlaubt, gegen Unternehmen Bußgelder festzusetzen und (unlautere) Gewinne abzuschöpfen. Die Frage also, ob und wie sich Unternehmen und Organe im Einklang mit dem geltenden Recht bewegen müssen, d.h. Risikomanagement bei unternehmerischen Tätigkeiten betreiben, um nicht sanktioniert zu werden, soll auch bald durch geltendes Recht klargestellt werden. Insofern bot sich hier eine günstige Gelegenheit, das Thema Compliance anhand von Beispielen aus dem internationalen Anlagenbau näher zu betrachten.

Der Arbeitskreis (AK) internationales Baurecht der ARGE Baurecht tagte am 5. November 2020 erstmalig als reine Online Veranstaltung, die von Hamburg aus organisiert wurde. Das Thema der Veranstaltung lautete 'Compliance und Anlagenbau', indem am Beispiel des Anlagenbaus der richtige Umgang mit Risiken bei unternehmerischen Tätigkeiten im internationalen Umfeld dargestellt wurde. Selbstverständlich wurde auch untersucht, was bei Nichteinhaltung von Compliance-Geboten droht, beispielsweise monetäre Sanktionen oder unter Umständen mehrjährige Compliance Monitorships. Abschließend wurden anhand einer Fallstudie aus Adjudication- sowie Schiedsverfahren weitere Haftungsrisiken für Unternehmen, Organe und Mitarbeiter dargestellt und vertieft. Um die Erfahrungen eines Referenten aus Kanada aus erster Hand zu hören und um zahlreichen Teilnehmern von den verschiedenen Kontinenten gerecht zu werden, fand diese AK-Onlinesitzung zum größten Teil auf Englisch statt.

Zunächst begrüßte Tobias Voigt, geschäftsführender Partner der Carneades Legal Rechtsanwälte in Hamburg, die Teilnehmer und Referenten, die sowohl aus ganz Deutschland als auch aus Singapur, Barcelona, Paraguay und Kanada zugeschaltet waren. Herr Voigt, der auch AK Leiter des Arbeitskreises Internationales Baurecht ist, leitete in das Thema Compliance und Anlagenbau ein, indem er aus seinem eigenen Erfahrungsschatz berichtete. Er hob dabei hervor, dass es aus seiner Sicht stets eine besondere Schwierigkeit darstellt, verlorenes Vertrauen durch Nichteinhaltung von bestimmten Geboten zurückzugewinnen. Entsprechend freute er sich über die dann folgenden vier Fachvorträge, die voraussichtlich auch diese Thematik aufgreifen und Lösungsansätze bzw. -versuche darstellen würden. Abschließend wurden die einzelnen Referenten den Teilnehmerinnen und Teilnehmern vorgestellt.

Vortrag 1: Dr. Hentie Dirker: Compliance and Integrity in the Construction Industry

Dr. Hentje Dirker ist Chief Integrity Officer beim kanadischen Unternehmen SNC-Lavalin und in diesem Zusammenhang verantwortlich für alle unternehmerischen Compliance Angelegenheiten, das heißt nicht nur für die Unternehmensethik, sondern auch für die Überwachung, Designvalidierung und Regulierungsaufsicht, sowie für Handelssanktionen, Datenschutz und Menschenrechte.

Der Vortrag des ersten Referenten basierte insbesondere auf seiner langjährigen beruflichen Erfahrung, die er bei verschiedenen Unternehmen sammeln konnte. Dabei identifizierte der Referent sogleich, dass vor allem in Hinblick auf die 1999 neu eingeführten Regelungen und Gesetze, die schleppende Umsetzung bzw. Anpassung an die neue Rechtslage von einigen Unternehmen offensichtlich unterschätzt worden sei. Letztlich führte dies zum Teil zu einer schmerzhaft teuren Lernkurve.

Nach einer kurzen Vorstellung der unternehmerischen Tätigkeiten von SNC-Lavalin widmete sich der Referent sodann dem Thema der projektbezogenen Risiken. Hierfür sei zunächst erforderlich, dass man verstehe, welche Kosten bei einer Nichteinhaltung der Compliance Vorgaben entstehen können. Dabei sei beispielweise entscheidend, welche Art von Unternehmen einen Verstoß begehe. Ein großes multinationales Unternehmen, welches eine Vielzahl von verschiedenen Produkten auf dem Markt habe, sei möglicherweise in Bezug auf seine Reputation im Einzelfall nicht so stark von einem Vergehen betroffen, wie z. B. ein Unternehmen, welches viel Wert auf eine bestimmte Reputation und eben nicht auf ein bestimmtes technisches Produkt legt. Der Wiederaufbau einer vertrauensvollen Reputation sei dabei wesentlich schwieriger und aufwändiger als möglicherweise für ein einzelnes Produkt. Unternehmensprodukte könnten weiterhin von bestechender Qualität sein, dennoch käme es immer wieder vor, dass man als Unternehmen auf Jahre zurückliegende Vergehen reduziert werde - jedenfalls in der öffentlichen Wahrnehmung. Diese negative Wahrnehmung spiegelte sich gleichermaßen in der Moral und Produktivität der Angestellten wider, die sich im täglichen Berufsleben dieser früheren, möglicherweise sanktionierten und damit im Grunde abgeschlossenen Vergehen konfrontiert sehen. Ein solches Damoklesschwert erschwere auch die Rekrutierung neuer Angestellter für das Unternehmen. Neues zukünftiges Geschäft mit neuen Partnern erfordere neben der üblichen Due Diligence, die ohnehin betrieben werden muss, einen deutlich erhöhten Aufwand, um Vertrauen und Loyalität (zurück-) zugewinnen.

Daneben haben hohe Geldstrafen selbstverständlich auch Auswirkungen auf die Produktivität eines Unternehmens. Entsprechend versuchen Unternehmen teilweise, diese Strafen im Wege von Zahlplänen nach und nach abzuarbeiten. Aber ein solcher Zahlplan sei jedoch nicht der Standard. Geldstrafen können außerdem Auswirkungen auf die allgemeine Wahrnehmung auf den Märkten, auch auf den Kapitalmärkten haben, so dass hier nicht selten die Wertminderung eines Unternehmens als Folge der vorigen Vergehen sichtbar werde. Es lässt sich aus Sicht des Referenten konstatieren, dass Geschäfte, die durch unlautere Methoden zustande kommen, in aller Regel nicht profitabel seien, jedenfalls die Mehrzahl von Ihnen. Wenn man bei solchen "schlechten" Geschäften betrachte, welche Kosten für die Untersuchungen, die Bußgelder, die Einführung und Umsetzung von notwendigen Compliance Regelungen innerhalb des Unternehmens, sowie Kosten für Rechtsanwälte, Kosten für zahlreiche Klagen etc., die damit einher gehen können, stehe dies in keinem Verhältnis. Insbesondere sollte man nicht unterschätzen, welchen Einfluss und welche Wirkungen Sanktionen und Ausschlüsse – wie beispielsweise bei der Weltbank – auf ein Unternehmen haben können. Dies habe gerade in puncto Reputation einen ungeheuren Einfluss auf die sonstige öffentliche Wahrnehmung. Durch Restriktionen, die damit einhergehen, könne man unter Umständen auf bestimmte Projekte gar nicht erst bieten, selbst dann, wenn man bereits alle wesentlichen Ethik- und Compliance Standards seit dem Vorfall eingeführt habe und im Tagesgeschäft umsetze. Denn das sanktionierte Unternehmen werde dennoch weiterhin auf den Weltbanklisten wahrgenommen und habe somit einen erheblich höheren Erklärungsaufwand zu betreiben, um für neue Projekte in die engere Wahl zu kommen.

Im weiteren Verlauf arbeitete der erste Referent die typischen Risiken im Verlaufe eines Projekts anhand zahlreicher Beispiele heraus, die hier nur exemplarisch wiedergegeben werden können:

  1. Bereits in der Phase des Business Developments müsse abgewogen werden, wie man beispielsweise mit Informationen über Marktkonkurrenten umgehe oder wie die Interaktion mit offiziellen Stellen von Regierungen und Ländern stattzufinden habe, etwas das auch die Frage der Handhabung von Geschenken und Aufenthalten betrifft. Bei der Herausgabe von Angeboten bestehe die Gefahr von Falschdarstellungen. Vor dem Eingehen einer gemeinschaftliche Unternehmung mit weiteren Partnern sollte eine gründliche Due Diligence des/der potentiellen Vertragspartner/s durchführt werden, um u. a. zu verhindern, dass man mit einem ebenfalls sanktionierten oder anderweitig eingeschränkten Geschäftspartner in eine Angebotsphase eintritt, oder sonstige Interessenkonflikte bestehen.
  2. Nachdem eine Ausschreibung gewonnen wird, geht es um die Realisierung des Projektes. Dabei sind je nach Ort der Realisierung des Projektes z. B. die Verhältnisse am Arbeitsort sowie die vor Ort geltenden Menschenrechte zu berücksichtigen. Die Art und Weise, wie ein ausländisches Unternehmen vor Ort Mitarbeiter akquiriert, muss auch mit den eigenen nationalen Standards und Vorgaben vereinbar sein. Bei Joint Ventures stellt sich die Frage, welchen Verhaltenskodex man verwendet und gemeinsam umsetzt. Gleiches gilt für die Einkaufspraktiken: Wer stellt nach welchen Grundregeln neue Mitarbeiter für das jeweilige Projekt ein? In welchem Rahmen wird geprüft, unter welchen Bedingungen und zu welchen Konditionen diese Mitarbeiter bei der Projektausführung unterstützen? Wenn etwa der Verdacht für illegale Machenschaften aufkommt, wer hat dann in welcher Form diese Vorwürfe zu untersuchen und gegebenenfalls richtig zu stellen? Letztlich sollten solche Punkte vorab zwischen den Joint Venture-Mitgliedern geklärt worden sein.

 


- Ende des Auszug - 

Den vollständigen Bericht zur 20. Sitzung des Arbeitskreises Internationales Baurecht von RA Daniel Smith und Rechtsreferendarin und wissenschaftlicher Mitarbeiterin Melissa Rinck können Sie hier betrachten und herunterladen