„Bauverträge sind wie Programmcodes“

Rechtsanwalt Tobias Voigt ist seit fast zwei Jahrzehnten im Baurecht auf internationalem Parkett unterwegs – beste Voraussetzungen also, um den Arbeitskreis Internationales Baurecht als einer von vier Leitern mitzugestalten. Die hochspezialisierte Expert:innenrunde trifft sich zwei Mal im Jahr, um baurechtliche Themen im internationalen Kontext zu diskutieren. Das 23. Treffen fand am 19. Mai unter der Überschrift „Bauen und IT“ statt. Was sich dahinter verbirgt und was Bauverträge mit Programmier-Code zu tun haben, verrät uns Tobias Voigt im Gespräch.

Ist das internationale Baurecht genau „Ihr Ding“?

Ja absolut, das kann man genauso sagen (lacht). Als ich 2003 meine Zulassung als Rechtsanwalt erhielt, da gab es in Deutschland außer den bundesweiten Bahnstrecken kaum große Infrastrukturprojekte. Genau die fand ich aber als junger Rechtsanwalt sehr spannend – vielleicht auch, weil ich aus einem Ingenieurshaushalt komme. Somit blieb mir nur das Ausland, wo es hochspannende Projekte zuhauf gab. Das hat mir von Anfang an gefallen, auch wenn die Herausforderungen anfangs wahrlich nicht klein waren.

Was reizt Sie daran, international zu arbeiten?

Es sind eigentlich immer sehr ähnliche baurechtliche Fragestellungen, mit denen ich seit langem vertraut bin. Aber durch die unterschiedlichen nationalen Rechtsrahmen der Länder, sind die Dinge immer wieder neu zu bewerten. Langeweile kommt da selten auf (lacht). Mich persönlich reizt diese Internationalität, zu der auch ein stetig wachsendes internationales Netzwerk gehört. Wenn ich beispielsweise ein U-Bahn-Projekt zu betreuen hätte, sagen wir in Ungarn oder an der Ostküste der USA oder wenn es um einen Offshore-Windpark in Brasilien geht – ich wüsste immer ganz genau, wen ich anrufen könnte. Das macht einfach Spaß.

Wie sind Sie auf den Arbeitskreis Internationales Baurecht aufmerksam geworden?

Die Kollegen haben mich 2018 einfach direkt angesprochen. Dr. Falko Fähndrich, damals bei BME in Bremen, fragte mich aus Termingründen, ob ich nicht einen Vortrag zu den Vertragsmustern der FIDIC, dem Dachverband beratender Ingenieure im Bauwesen, im Zusammenhang mit Offshore Wind machen könnte. Genau damit war ich seinerzeit schon rund zehn Jahre beschäftigt und somit habe ich sofort zugesagt. Das war dann mein Einstieg in den AK. Kurz darauf sprach mich dann Dr. Jan-Bertram Hillig an, ob ich Lust hätte, mit in die Leitung des AK einzusteigen. Seitdem arbeiten wir mit den beiden weiteren AK-Leitern Dr. Oliver Koos und Dr. Jörn Zons gemeinsam intensiv daran, die Internationalität der Runde zu erweitern, etwa durch ein zweisprachiges Programm mit einem deutschen und einem englischen Teil bei unseren Veranstaltungen. Dazu trägt auch das Online-Format bei, das wir mit der Corona-Pandemie eingeführt und inzwischen auf ein Hybrid-Format ausgebaut haben. Dadurch können Kolleginnen und Kollegen aus der ganzen Welt teilnehmen – was auch regelmäßig der Fall ist.

Kürzlich fand der 23. Arbeitskreis statt, und zwar zum Thema „Bauen und IT“. Wie kam es dazu?

Bauen und IT wachsen immer weiter zusammen. Da treffen naturgemäß unterschiedliche Welten aufeinander. Wenn Sie zum Beispiel die Steuerung eines Aufzugs in einem Gebäude oder einer Industrieanlage wie etwa einer Windturbine betrachten. Dafür sind durchaus mehrere tausend Zeilen Programmiercode nötig, die sie niemals einer klassischen Mängelprüfung unterziehen können und die kaum jemand zu sehen bekommt. Dennoch muss geklärt werden, wie so etwas abgenommen werden kann, welchen Einfluss es auf das Bauwerk nimmt usw. Da steht so mancher Mandant vor Herausforderungen – und mit ihm auch wir Juristen (lacht). Somit wurde es höchste Zeit, dazu einen Arbeitskreis zu machen.  

Was waren die Highlights des 23. AK?

Jeder einzelne Vortrag war hochspannend. Wenn ich etwas herausgreifen soll, dann unter dem Stichwort ‚Smart Contracts‘. Fr. Dr. Inga Maaske hat dazu ein Forschungsprojekt vorgestellt. Darin geht es darum, über ein BIM System, in dem der Baufortschritt gepflegt wird, vereinbarte Abschlagszahlungen automatisch auszulösen und in einer Blockchain festzuhalten. Dementsprechend müssen dann die Bauverträge gestrickt sein. Diese Inhalte gingen weit über das hinaus, was wir uns in der ersten Planung ursprünglich vorgestellt hatten. Dazu gehört auch der Beitrag von Kirsty Potts von der Universty of Exeter, die einen Ausblick auf die Digitalisierung von notariellen Beglaubigungen in UK gegebenen hat. Das war alles sehr beeindruckend.

Hatten Sie selbst „Aha-Erlebnisse“ oder Momente der Erkenntnis, die Sie in der Praxis weiterbringen?

Der Beitrag zu den Escrow Agreements für die digitalisierten Bestandteile eines Bauvorhabens von Dr. Martin Hossenfeld war sehr erhellend: Was ist zu tun, wenn ein Softwareanbieter ein Produkt nicht fortführt und dadurch eine Gebäudesteuerung nicht mehr aktualisiert werden kann? Ich glaube, kaum einer der Anwesenden hätte von sich aus daran gedacht, den Sourcecode einer Software für Gebäudeleittechnik in ein Treuhandverhältnis zu geben, um vielleicht in zehn Jahren für das Gebäude etwas nachprogrammieren zu lassen, wenn der ursprüngliche Lieferant nicht mehr am Markt tätig ist. Stellen Sie sich aber vor, der Aufzug ist in der Zwischenzeit von außen gehackt worden – dann würde sonst nur der Komplettaustausch der Steuerung bleiben. Mitgenommen habe ich sicher auch die Analogie von Kirsty Potts. Die Kollegin aus UK sagte, dass eine juristische Beurteilung oder ein Bauvertrag auch ‚nur‘ eine Abfolge von logarithmischen Programmiercodes sei. Das fand ich sehr einleuchtend und zutreffend. Denn auch ein Bauvertrag mit 200 Seiten und 1 000 Seiten Anhang muss logisch durchdekliniert sein und wie ein sauber geschriebener Code funktionieren, damit am Ende das gewünschte Ergebnis erzeugt werden kann.

Was planen Sie für den nächsten und den übernächsten AK?

Zunächst einmal fragen wir immer alle Teilnehmenden, welche Themen sie sich wünschen. Da kommen immer gute Vorschläge, die in unsere Planung einfließen. Andere Themen liegen auf der Hand, wie Lieferketten oder Lieferverträge. Beides ist vor dem Hintergrund der aktuellen Weltlage extrem herausfordernd für Unternehmen. Es kann nicht mehr nur darum gehen, wie ich eine Lieferung sichern und mit Vertragsstrafen belegen kann. In Zeiten knapper Verfügbarkeit von Baustoffen müssen solche Aspekte neu gedacht werden, um sich als attraktiver Auftraggeber zu positionieren und zu überlegen, wie etwa eine strategische Partnerschaft geschlossen werden kann ohne kartellrechtliche Themen zu berühren. Die Themen gehen uns also sicher nicht aus.

Kann jede bzw. jeder Interessierte an den AK-Treffen teilnehmen?

Ja, unbedingt. Wir agieren zwar unter dem Dach der Arbeitsgemeinschaft Bau- und Immobilienrecht im Deutschen Anwaltverein, sind aber ganz bewusst losgelöst von einer typischen Mitgliedschaft. Die Teilnahme ist grundsätzlich für alle offen, die sich für die Themen interessieren.

Herr Voigt, wir danken für das Gespräch!

Rechtsanwalt Tobias Voigt

  • Leiter des AK Internationales Baurecht
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