Wann muss ein Durchführungsvertrag notariell beurkundet werden?

BGH, Urteil vom 29.01.2021 - V ZR 139/19 BauGB § 12 Abs. 1; BGB §§ 196, 311b Abs. 1 Satz 1

1. Wird ein beurkundungsbedürftiges Grundstücksgeschäft unter der Bedingung des Zustandekommens oder Fortbestands eines anderen Rechtsgeschäfts vorgenommen, genügt allein nicht zur Annahme, dass die Rechtsgeschäfte nach dem Parteiwillen eine Einheit bilden und daher beide beurkundungsbedürftig sind. Eine Geschäftseinheit liegt nur vor, wenn Teile des anderen Rechtsgeschäfts Inhalt des Grundstücksgeschäfts sein sollen.*)
2. Ein notarieller Vertrag bezüglich einer Grundstücksübereignung an eine Gemeinde, ist daher nicht deshalb formunwirksam, weil er unter der (beurkundeten) aufschiebenden Bedingung der Wirksamkeit eines nicht beurkundeten Durchführungsvertrags i.S.v. § 12 Abs. 1 BauGB steht.*)
3. Die Verjährungsvorschrift des § 196 BGB findet auf Besitzübertragungsansprüche entsprechende Anwendung, wenn der Gläubiger die Besitzeinräumung neben der Verschaffung des Eigentums beanspruchen kann.*)

BGH, Urteil vom 29.01.2021 - V ZR 139/19

BauGB § 12 Abs. 1; BGB §§ 196, 311b Abs. 1 Satz 1

Problem/Sachverhalt

Begleitend zu einem vorhabenbezogenen Bebauungsplan schlossen eine Gemeinde und ein Vorhabenträger einen notariellen Vertrag. Der Vorhabenträger verpflichtete sich, der Gemeinde zwei noch zu vermessende Teilflächen eines näher bezeichneten Grundstücks zu übertragen. Der Vertrag wurde "aufschiebend bedingt" geschlossen und sollte erst mit "Rechtskraft" des als Anlage 2 zur Urkunde genommenen vorhabenbezogenen Bebauungsplans sowie mit "Rechtskraft" des als Anlage 3 zur Urkunde genommenen Durchführungsvertrags zu diesem Bebauungsplan wirksam werden. Der Durchführungsvertrag wurde ohne notarielle Beurkundung geschlossen. Er regelt insbesondere die Verpflichtung der Beklagten zu 1) zur Erschließung, Planung, Vermessung und zur Herstellung der Infrastruktur im Plangebiet. Zeitleich beschloss der Gemeinderat den vorhabenbezogenen Bebauungsplan. Der Vorhabenträger übertrug die Grundstücke jedoch nicht. Die Gemeinde verlangt nun klageweise die Herausgabe und Übereignung der Grundstücke.

Entscheidung

Mit Erfolg! Das klageabweisende Berufungsurteil ist aufzuheben, weil die Begründung fehlerhaft ist. Die im Grundstücksübertragungsvertrag enthaltene Verpflichtung zur Übereignung der Grundstücke, wäre nicht wirksam, wenn zwischen dem Grundstücksvertrag und dem Durchführungsvertrag eine rechtliche Einheit bestünde. Dann wäre auch der Durchführungsvertrag nach § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB beurkundungsbedürftig und mangels Beurkundung gem. § 125 Satz 1 BGB formnichtig. Wird aber ein beurkundungsbedürftiges Grundstücksgeschäft unter der Bedingung des Zustandekommens oder Fortbestands eines anderen Rechtsgeschäfts vorgenommen, genügt allein nicht zur Annahme, dass die Rechtsgeschäfte nach dem Parteiwillen eine Einheit bilden und daher beide beurkundungsbedürftig sind. Eine Geschäftseinheit liegt nur vor, wenn Teile des anderen Rechtsgeschäfts Inhalt des Grundstücksgeschäfts sein sollen. Ein notarieller Vertrag bezüglich einer Grundstücksübereignung an eine Gemeinde, ist daher nicht deshalb formunwirksam, weil er unter der (beurkundeten) aufschiebenden Bedingung der Wirksamkeit eines nicht beurkundeten Durchführungsvertrags i.S.v. § 12 Abs. 1 BauGB steht. Die Voraussetzung für den Übereignungsanspruch lag vor. Die Verjährungsvorschrift des § 196 BGB findet auf Besitzübertragungsansprüche entsprechende Anwendung, wenn der Gläubiger die Besitzeinräumung neben der Verschaffung des Eigentums beanspruchen kann.

Praxishinweis

Bedingte Grundstücksverträge sind ein wichtiges Mittel zur Baulandentwicklung, die zunehmend von den Gemeinden vergeben wird. Die Entscheidung macht den Spielraum der Kommunen bei der Gestaltung solcher Verträge deutlich.

RA und FA für Bau- und Architektenrecht, FA für Verwaltungsrecht, FA für Vergaberecht Dr. Till Kemper, M.A., Frankfurt a.M. 

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