Im Fall der Abtretung eines Schadensersatzanspruchs im Zusammenhang mit einer Drittschadensliquidation ist für den Beginn der Verjährung des Anspruchs bis zu dessen Abtretung an den wirtschaftlich betroffenen Dritten maßgebend, dass die subjektiven Voraussetzungen i.S.d. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB in der Person des Zedenten und nicht in der Person des Dritten vorliegen (Bestätigung von BGH, Urteil vom 22.11.1966 - VI ZR 49/65 zu § 852 Abs. 1 BGB in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung).*)
BGH, Urteil vom 14.05.2024 - XI ZR 327/22
BGB § 199 Abs. 1 Nr. 2
Problem/Sachverhalt
Fälle einer Drittschadensliquidation spielen auch in der alltäglichen Baupraxis eine Rolle. Beispiel: Beschädigt ein Unternehmer ordnungsgemäß erbrachte, aber noch nicht abgenommene Leistungen eines anderen Unternehmers, kann dieser im Wege der Drittschadensliquidation Schadensersatzansprüche unmittelbar ihm gegenüber geltend machen (vgl. u. a. OLG Dresden, IBR 2007, 71).
Der geschädigte Unternehmer - dessen Leistung noch nicht abgenommen ist - kann vom Auftraggeber die Abtretung seiner Schadensersatzansprüche gegen den Unternehmer verlangen. Der BGH hat nun die Frage zu entscheiden, ob für die subjektiven Voraussetzungen des Verjährungsbeginns auf den Vertragspartner des Schädigers (den Zedenten) oder den wirtschaftlich betroffenen Dritten abzustellen ist.
Entscheidung
Der BGH entscheidet, dass auf die Person des Zedenten abzustellen ist. Im Fall der Abtretung eines Anspruchs, dessen Verjährung, wie hier, kenntnisabhängig ist, ist der Kenntnisstand des Zedenten für die Ingangsetzung des Verjährungslaufs maßgebend.
Hatte dieser die für den Verjährungsbeginn erforderliche Kenntnis, geht der Anspruch mit in Gang gesetzter Verjährung auf den Zessionar über. Wenn die Verjährungsfrist bereits abgelaufen war, bevor die Forderung abgetreten wurde, erwirbt der Zessionar eine bereits verjährte Forderung.
Nur wenn der Kenntnisstand des Zedenten nicht geeignet war, die Verjährung des Anspruchs in Lauf zu setzen, ist auf den Kenntnisstand des Zessionars abzustellen. Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn im Zusammenhang mit einer Drittschadensliquidation ein Anspruch an den wirtschaftlich betroffenen Dritten abgetreten worden ist.
Andernfalls könnte ein bereits verjährter Anspruch nach einer Abtretung vom geschädigten Zessionar wieder mit Erfolg durchgesetzt werden, wenn in dessen Person die subjektiven Voraussetzungen i.S.v. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB später als beim Zedenten vorliegen.
Praxishinweis
Der Entscheidung des BGH ist zuzustimmen. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB stellt darauf ab, dass der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Gläubiger ist der Inhaber des Anspruchs. Grundsätzlich muss demzufolge der Inhaber des Anspruchs selbst die erforderliche Kenntnis i.S.v. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB haben. Dies ist in den Fällen der Drittschadensliquidation der Zedent, nicht der wirtschaftlich betroffene Dritte.
Der Dritte muss sich die vorher erlangte Kenntnis bzw. die grob fahrlässige Unkenntnis des Zedenten anrechnen lassen (§§ 404, 412 BGB). Hatte der Zedent im Zeitpunkt der Abtretung keine Kenntnis bzw. keine grob fahrlässige Unkenntnis, kommt es auf die subjektive Situation des Dritten an. Eine frühere Kenntniserlangung bzw. grob fahrlässige Unkenntnis auf Seiten des Zedenten nach Abtretung der Forderung ist ohne Bedeutung.
Der Dritte kann den Schädiger nur erfolgreich in Anspruch nehmen, wenn ihm der Anspruch vom Vertragspartner des Schädigers abgetreten worden ist. Hierauf hat er einen Anspruch (§ 255 BGB). Durch diese Konstruktion wird im aufgeführten Praxisbeispiel erreicht, dass nicht der Schädiger Vorteile aus der Gefahrtragungsregelung zieht, die nur den Bauherrn schützen soll.
RA und FA für Bau- und Architektenrecht Prof. Dr. Oliver Moufang, Frankfurt a.M.
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