
1. Um auf den Verkäufer keinen indirekten Zwang zum Abschluss eines Grundstückskaufvertrags auszuüben, kommt ein Anspruch auf vorvertraglichen Schadensersatz nur bei besonders schwer wiegenden, in der Regel vorsätzlichen Treuepflichtverletzungen infrage (in Anlehnung an BGH, Urteil vom 13.10.2017 - V ZR 11/17, IMRRS 2017, 1641).
2. Einer wesentlichen Bedeutung kommen dabei Ablauf und Inhalt der zwischen Parteien geführten Vertragsverhandlungen zu: Veranlasst der Verkäufer den potenziellen Erwerber beispielsweise zur Beauftragung eines Notarvertragsentwurfs mit der Aussage: "Sie sind der Käufer!", so ist aufgrund des dadurch begründeten besonderen Vertrauensverhältnisses dem Erwerber im Einzelfall auch bei Vorliegen eines späteren, besseren Angebots eines Drittinteressenten Gelegenheit zu geben, mit dem Angebot "gleichzuziehen".
LG Karlsruhe, Urteil vom 28.03.2025 - 9 S 41/24
BGB § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1, § 311 Abs. 2 Nr. 1
Problem/Sachverhalt
Der Käufer (K) interessiert sich für ein vom Verkäufer (V) angebotenes Wohnhaus. Die Parteien absolvieren mehrere Besichtigungstermine und führen Vertragsverhandlungen. Nachdem man sich im Wesentlichen einig war, beauftragte K nach Zustimmung von V ein Notariat mit der Erstellung eines Vertragsentwurfs. Dies nachdem sich K - verunsichert durch weiterhin stattfindende Besichtigungstermine - bei V rückversicherte: V zerstreute die Bedenken und antwortete per E-Mail sinngemäß "Unsere Absprache gilt: Sie sind der Käufer!".
Es kommt wie es kommen muss: V erhält ein Angebot zum gleichen Kaufpreis aber mit angeblich besseren "Nebenabreden", bricht die Verhandlungen ab und verkauft anderweitig. K verlangt die angefallenen Notarkosten für die Erstellung des Kaufvertragsentwurfs im Wege des vorvertraglichen Schadensersatzes von V ersetzt. Die Klage wird in erster Instanz durch das Amtsgericht abgewiesen. Daraufhin legt K Berufung ein.
Entscheidung
Mit Erfolg! Das Landgericht wendet die zutreffenden Grundsätze aus der gefestigten Rechtsprechung des BGH (a.a.O.) an, wonach bei einem Grundstückskaufvertrag nur bei besonders schwer wiegenden Treuepflichtverletzungen ein vorvertraglicher Schadensersatzanspruch besteht. Würde schon das Fehlen eines triftigen Grunds ausreichen, bestünde gegebenenfalls ein indirekter Zwang zum Abschluss des Vertrags.
Aufgrund der vorangegangenen Verhandlungen und der klaren Aussage des Verkäufers sah das Gericht eine gesteigerte Vertrauensbeziehung begründet, die zu erhöhter Rücksichtnahme auf den Kaufinteressenten verpflichtet. Demnach hätte V die Verhandlungen nicht unvermittelt abbrechen dürfen und K die Möglichkeit einräumen müssen, dass dieser jedenfalls gleichzieht, so dass die Notarkosten nicht nutzlos waren. Im Ergebnis waren es die vorangegangenen Erklärungen des V, die ausschlaggebend für den vorvertraglichen Schadensersatz (c.i.c.) waren.
Praxishinweis
Das Urteil liegt auf Linie der BGH-Rechtsprechung und verdeutlicht, dass im Einzelfall trotz der hohen Hürden Schadensersatz vom Verkäufer zu leisten ist. Entscheidungserheblich ist dabei insbesondere das Verhalten während der Verhandlungen und das Veranlassen zu kostenauslösenden Maßnahmen, was besondere Schutzpflichten gegenüber dem K begründete (vgl. hierzu auch OLG Saarbrücken, IMR 2014, 219).
Hierauf sollte man sich aufgrund der skizzierten Grundsätze allerdings nicht verlassen und vor Vertragsschluss mit weitreichenden Geschäften (Darlehensverträgen etc.) zuwarten oder jedenfalls versuchen, diese über zugehörige Vereinbarungen abzusichern, wobei auch diese nur im engen Rahmen wirksam und zulässig sein dürften (vgl. hierzu die Kommentierung von Batzmann, in: IMR 2022, 291).
RA und FA für Bau- und Architektenrecht Torben Ruf, Karlsruhe
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