1. Macht der Auftraggeber widerklagend eine Überzahlung geltend, führt das Anerkenntnis dieses Anspruchs durch den Auftragnehmer nicht schon deshalb zu einer Abweisung der Restvergütungsklage des Auftragnehmers, weil die Überzahlung denklogisch ausschließe, dass der Auftragnehmer weitere Zahlungen an sich verlangen könne.
2. Ein prozessuales Anerkenntnis gegenüber einer (verspäteten) Widerklage mit dem Ziel, die Präklusion der Klageerwiderung zu bewirken, ist möglich. Eine Partei, die bewusst in die Widerklage "flieht", um die Präklusion zu umgehen, ist nicht schutzwürdig.
LG Frankfurt/Main, Urteil vom 08.01.2024 - 2-31 O 6/23
BGB §§ 631, 632 Abs. 2, §§ 640, 649, 650a, 650g Abs. 4 Nr. 2
Problem/Sachverhalt
Der Auftraggeber (AG) beauftragt den Auftragnehmer (AN) mit Fensterarbeiten. Nachdem der AG trotz Zahlungsaufforderung nicht zahlt, erhebt der AN Klage und verlangt für die von ihm erbachten Leistungen einen Betrag i.H.v. 46.471,08 Euro.
Der AG erwidert erst drei Stunden vor der mündlichen Verhandlung auf die Klage. Neben der Klageabweisung beantragt er teilwiderklagend die Zahlung eines Betrags i.H.v. 1.000 Euro wegen einer Überzahlung. Der AN erkennt in der mündlichen Verhandlung den Teilwiderklageantrag wegen der Überzahlung an, woraufhin der AG die Teilwiderklage um einen Teilbetrag i.H.v. 15.000 Euro erweitert.
Entscheidung
Der AG wird antragsgemäß verurteilt. Der AN hat darlegt, für welche Leistung welcher Preis vereinbart worden ist. Das pauschale Bestreiten des AG, die Preise würden nicht "stimmen" ist mangels näherer Darlegungen und Aufschlüsselungen unzureichend.
Das Parteivorbringen ist so zu würdigen, dass die Leistung des AN konkludent abgenommen wurde. Mit Blick auf seine Einwendungen - Vereinbarung der VOB/B, Vereinbarung 5% Sicherheitseinbehalt, höhere geleistete Zahlungen, Vorliegen von Mängeln, Bestehen von Gewährleistungsrechten - trifft den AG daher die Darlegungs- und Beweislast. Dieser wird er bei keiner einzigen (!) Einwendung gerecht. Zwar schließen sich der Werklohnanspruch und der Überzahlungsanspruch des AG materiell wechselseitig aus.
Das prozessuale Anerkenntnis des AN des Überzahlungsanspruchs des AG i.H.v. 1.000 Euro beinhaltet kein materiell-rechtliches Anerkenntnis des AN. Denn der AN hat an seinem Klageantrag auf Werklohn zugleich festgehalten. Zudem ist ersichtlich, dass der AN damit die zur Vermeidung der Präklusion erhobene Widerklage seinerseits abwehren wollte. Dass ist nicht treuwidrig, da auch die Widerklage ihrerseits nicht treuwidrig ist.
Wenn ein Anerkenntnis ersichtlich dem Sinn und Zweck dient, eine Präklusion aufrechtzuerhalten und damit letztlich der Prozessökonomie dient, ist in Ansehung von § 242 BGB von keiner Bindungswirkung des Anerkenntnisses bezüglich des eigenen Anspruchs - der denklogisch ausgeschlossen wäre - auszugehen. Auch wenn für das Gericht nicht nachvollziehbar ist, wie der AG zu einer Überzahlung kommt, ist der AN auf sein Anerkenntnis hin zu verurteilen, einen Betrag i.H.v. 1.000 Euro an den AG zu zahlen.
Die Erweiterung der Teilwiderklage i.H.v. 15.000 Euro war aus den vorgenannten Gründen abzuweisen.
Praxishinweis
Der Fall ist kurios. Dem AG ist es nicht gelungen, seine Einwände auch nur ansatzweise zu substanziieren. Man könnte allenfalls diskutieren, in welchem Umfang das Gericht in der mündlichen Verhandlung auf die Defizite hinweisen musste.
Allerdings: Weder § 139 ZPO noch der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) erfordern einen gerichtlichen Hinweis, wenn der Partei dasjenige, worauf gegebenenfalls hinzuweisen wäre, präsent bewusst ist (OLG Koblenz, Urteil vom 07.11.2018 - 13 U 402/16, Rz. 183). Dass der AN mit seinem Anerkenntnis nicht zugleich die Unbegründetheit seiner Klage herbeiführen wollte, ist richtig. Eine entsprechende Erklärung zu Protokoll wäre hier sicherlich empfehlenswert.
Warum das Anerkenntnis überhaupt notwendig war, erschließt sich nicht. Im Ergebnis hat es den AN unnötig 1.000 Euro gekostet und nichts gebracht. Allerdings: Hinweise des Gerichts sind aus dem Tatbestand nicht erkennbar und hinterher ist man bekanntlich immer schlauer.
RA und FA für Bau- und Architektenrecht Dr. Maximilian R. Jahn, Frankfurt a.M. Autorenprofil
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