Ob und welche Anweisungen einem Sachverständigen erteilt werden, ist Sache des Gerichts!

OLG Rostock, Beschluss vom 09.12.2022 - 4 W 19/22 ZPO §§ 404a, 572 Abs. 2 Satz 1

Der "Antrag" der Antragstellers, dem gerichtlich bestellten Sachverständigen bestimmte Weisungen zu erteilen, ist inhaltlich eine bloße Anregung, die für den Fall, dass das Gericht diesem "Antrag" nicht Folge leistet, nicht das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde eröffnet.

OLG Rostock, Beschluss vom 09.12.2022 - 4 W 19/22

ZPO §§ 404a, 572 Abs. 2 Satz 1

 

Problem/Sachverhalt

Der Antragsteller (ASt) ließ in Kalt- und Warmwasserleitungen eines Wohnheims Pressfittings, Rohrleitungen und Aggregate einbauen, die später nach außen wachsende Korrosionen ("Lochfraß") aufwiesen. Im daraufhin eingeleiteten selbständigen Beweisverfahren führte der gerichtlich beauftragte Sachverständige im Ergebnis aus, die Frage des Mangels sowie der Ursache des Lochfraßes hinge von der Qualität des verwendeten Wassers ab. Die entsprechenden Wasserwerte wurden ihm jedoch nicht beigebracht. Auf die Ergänzungsfrage des ASt, welches Ergebnis unter Zugrundelegung der aktuellen Wasserwerte des Wassers, das aus der von ihm betriebenen Wasseraufbereitungsanlage entnommen wird, gegeben wäre, führte der Sachverständige aus, dass ihm für die Beantwortung dieser Frage die entsprechenden aktuellen Wasserwerte ebenfalls nicht vorlägen. Daraufhin beantragte der ASt, den Sachverständige anzuhalten, zunächst die aktuellen Wasserwerte zu ermitteln und sodann die Ergänzungsfrage zu beantworten. Diesen Antrag lehnte das Landgericht mit der Begründung ab, es sei nicht Aufgabe des Sachverständigen, eine aktuelle Wasseranalyse zu betreiben. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des ASt.

Entscheidung

Das OLG Rostock verwirft die sofortige Beschwerde als unzulässig, da diese bereits nicht statthaft ist. Das Landgericht hat kein das selbständige Beweisverfahren betreffendes Gesuch zurückgewiesen. Ein solches liegt vor, wenn die Entscheidung nur auf Antrag hätte ergehen können. Nach § 404a Abs. 1, 4 ZPO hat das Gericht aber von Amts wegen die Pflicht, die Tätigkeit des Sachverständigen zu leiten und diesem Weisungen zu erteilen. Einen Antrag hierfür sieht das Gesetz nicht vor. Deshalb ist der "Antrag" des ASt prozessual nur eine Anregung gegenüber dem Gericht, von Amts wegen nach § 404a Abs. 4 ZPO tätig zu werden. Eine ausnahmsweise Zulassung der sofortigen Beschwerde scheidet wegen mangelnder rechtlicher Nachteile des ASt aus. Ihm sei es zumutbar, die aktuellen Wasserwerte selbst zu bestimmen und dem Sachverständigen vorzulegen. Eine von ihm befürchtete "fehlende Beweiskraft" steht dem wegen § 404a Abs. 3 ZPO nicht entgegen, wobei gegebenenfalls in einem Hauptsacheverfahren weiter Beweis hierüber erhoben werden müsste.

Praxishinweis

Bemerkenswert ist der Ansatz des Senats, der ASt habe durch diese Entscheidung keinen rechtlichen Nachteil, weil ihm die Möglichkeit verbleibe, später in einem Hauptsachverfahren weiter Beweis anzubieten und erheben zu lassen. Vor dem Hintergrund des Telos des selbständigen Beweisverfahrens dürfte der Verweis zur Wahrnehmung der Rechte im Hauptsacheverfahren für sich genommen schon einen eigenständigen Nachteil darstellen. Zumindest das Ziel, durch das selbständige Beweisverfahren ein Hauptsacheverfahren zu vermeiden, wird davon tangiert.

RA und FA für Bau- und Architektenrecht Christian Schliemann, Hamburg

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