Nach selbständigem Beweisverfahren: Aufrechnung steht Klageerhebung gleich!

OLG Frankfurt, Beschluss vom 08.12.2021 - 21 W 112/21 ZPO § 494a

Die Geltendmachung einer Restwerklohnforderung, der Mängel entgegenstehen können, die Gegenstand des selbständigen Beweissicherungsverfahrens sind, mittels hilfsweiser Aufrechnung ist ausreichend, um dem Erfordernis einer Klageerhebung i.S.v. § 494a ZPO zu genügen.*)

OLG Frankfurt, Beschluss vom 08.12.2021 - 21 W 112/21

ZPO § 494a

 

Problem/Sachverhalt

Der Auftraggeber (AG) hat den Auftragnehmer (AN) für den Umbau seines Wohnhauses mit der Ausführung von Fensterbau- und Sanitärarbeiten beauftragt. Der AN führt die Arbeiten aus und rechnet die Leistungen ab. Anschließend leitet der AN gegen den AG ein selbständiges Beweisverfahren ein, in dem festgestellt werden soll, dass die Leistung mangelfrei sei. Nach Abschluss des Verfahrens setzt das Landgericht auf Antrag des AG den Streitwert fest, ordnet für den AN eine Frist zur Klageerhebung an und setzt hierfür eine Frist bis zum 15.01.2020. Der AG erhebt im Dezember 2019 Klage auf Vorschuss zur Mängelbeseitigung und Schadensersatz wegen Mängeln am Werk vom AN. Der AN rechnet im April 2020 hilfsweise mit seinem Werklohnanspruch für die Erstellung der Fenster auf. Der AG beantragt am 02.06.2020, dem AN die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens aufzuerlegen. Das Landgericht weist den Antrag mit der Begründung zurück, der AN habe nach Ablauf der gesetzten Frist, aber noch vor Beschlussfassung Widerklage erhoben. Diese stehe der Klage i.S.d. § 494a ZPO gleich und sei rechtzeitig, weil vor Beschlussfassung, erhoben. Hiergegen wendet sich der AG mit seiner Beschwerde und führt an, der AN habe keine Widerklage erhoben, sondern aufgerechnet.

Entscheidung

Das OLG bestätigt die Zurückweisung der Beschwerde. Eine Kostenentscheidung im selbständigen Beweisverfahren finde nicht statt. Die Kosten eines selbständigen Beweisverfahrens würden von der Kostenentscheidung eines anschließenden Hauptsacheverfahrens mit umfasst. Hierfür sei nicht erforderlich, dass der Antragsteller des selbständigen Beweisverfahrens seine Mängelansprüche als Kläger verfolge. Ausreichend sei, dass die Ansprüche in einem Werklohnprozess des Auftragnehmers aufgerechnet würden. Zwar habe der AG die Aufrechnung nach Ablauf der vom Gericht gesetzten Frist zur Klageerhebung erklärt. Dies sei aber unschädlich. Denn für die Wahrung der Frist genüge, dass die Aufrechnung vor der Kostenentscheidung des Gerichts erfolge. Unerheblich sei, ob die Aufrechnung hilfsweise oder unbedingt erklärt werde. Andernfalls wäre der Richter, der im Hauptsacheverfahren über die Hilfsaufrechnung zu entscheiden habe, an eine im selbständigen Beweisverfahren gefällte Entscheidung gebunden. Stelle sich später heraus, dass die vom Antragsgegner zur Aufrechnung gestellten Ansprüche nicht geprüft würden, könne er immer noch nach § 494a ZPO vorgehen.

Praxishinweis

Die Aufrechnung begründet grundsätzlich keine Rechtshängigkeit. Dass sie im Anwendungsbereich des § 494a ZPO einer Klage gleichgestellt wird, ergibt sich aus dem Zweck des § 494a ZPO. Erhebt der Antragsteller eines selbständigen Beweisverfahrens nach dessen für ihn ungünstigem Ausgang keine Klage, trägt der Antragsgegner dennoch die Verfahrenskosten. Erst eine nach Fristsetzung erhobene Klage des Antragstellers schafft Klarheit über die Rechtslage und damit die endgültige Verteilung der Kosten. Dies gilt auch dann, wenn die Klage nach erfolgter Aufrechnung des Beklagten/Antragsgegners abgewiesen wird (BGH, IBR 2005, 649). Strittig und vom BGH bisher nicht entschieden ist die Frage, ob auch eine Hilfsaufrechnung der Klageerhebung nach § 494a ZPO gleichsteht. Das OLG Frankfurt macht zutreffend keinen Unterschied zwischen der Primär- und der Hilfsaufrechnung. In beiden Fällen folgt eine Kostenentscheidung zu Gunsten des Beklagten und vormaligen Antragsgegners, wenn das Gericht über die zur Aufrechnung gestellten Ansprüche entscheidet und die Klage kostenpflichtig abweist.

 

RA Dr. Helmut Miernik, Düsseldorf

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