1. Da mit der vereinbarten Vergütung alle Leistungen abgegolten sind, die nach der Baubeschreibung der Leistung innerhalb des Bauvertrags zur vertraglichen Leistung gehören, muss für eine zusätzliche Vergütung eine vom Auftraggeber veranlasste Leistungsänderung vorliegen. Maßgeblich ist die Bestimmung der vertraglichen Verpflichtung des Auftragnehmers, somit die Ermittlung des Bau-Solls, im Vergleich zur (behaupteten) Änderung. Unklarheiten gehen zu Lasten des insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Auftragnehmers.
2. Legt der Auftragnehmer ein Nachtragsangebot vor und fordert der Architekt des Auftraggebers diesen daraufhin zur Leistungserbringung auf, liegt darin nicht ohne Weiteres eine Beauftragung im Sinne einer einvernehmlichen Vertragsänderung.
OLG Brandenburg, Urteil vom 15.08.2024 - 10 U 100/23
BGB § 305 Abs. 2; VOB/B § 2 Abs. 5, 6, §§ 8, 9, 12 Abs. 5, § 13 Abs. 5
Problem/Sachverhalt
Die Parteien streiten um gegenseitige Ansprüche aus einem Werkvertrag. Der Auftragnehmer meint während der Ausführung der Leistungen, es gäbe Abweichungen zum ursprünglichen Auftrag. Der Architekt des Auftraggebers schickt ihm daraufhin einen weiteren Plan.
Der Auftragnehmer vertritt nunmehr die Auffassung, es seien Überarbeitungen der Konstruktionszeichnungen und zusätzliche Aufwendungen erforderlich und macht mittels eines Nachtrags eine zusätzliche Vergütung geltend. Der Architekt fordert den Auftragnehmer namens des Auftraggebers zur Leistungserbringung auf und weist den Nachtrag als unbegründet zurück.
Entscheidung
Dem Auftragnehmer steht kein Anspruch auf weiteren Werklohn i.H.v. 1.311,38 Euro zu. Es ist nicht erkennbar, dass die Parteien eine Nachtragsvereinbarung geschlossen haben. Auch hat der beweisbelastete Auftragnehmer nicht dargelegt, dass die Voraussetzungen des § 2 Abs. 5 oder 6 VOB/B erfüllt sind.
Es fehlt an einer dafür erforderlichen vertraglichen Leistungsänderung durch den Auftraggeber. In der bloßen Übersendung des Plans durch den Architekten ist jedenfalls kein rechtsgeschäftliches Angebot zur Änderung des ursprünglichen Vertrags zu sehen.
Die Vereinbarung eines Nachtrags ergibt sich auch nicht aus dem auf das Nachtragsangebot des Auftragnehmers folgende Schreiben des Architekten vom 07.12.2015, mit dem er den Auftragnehmer zur zeitnahen Leistungserbringung auffordert. Auch wenn zuvor zwischen den Parteien Korrespondenz über die Abweichungen von den Plänen geführt worden war.
Denn aus (hier vermeintlich) veränderten Umständen kann nicht ohne Weiteres geschlussfolgert werden, dass der Auftraggeber deren wirtschaftliche Konsequenzen in Gestalt einer Vertragsänderung tragen will, insbesondere dann nicht, wenn die Ursachen der veränderten Umstände nicht unmittelbar von ihm selbst gesetzt worden sind (vgl. BeckOK VOB/B/Kandel, 54. Ed., 30.04.2023, § 2 Abs. 5 Rz. 54).
Hinzukommt, dass der Auftraggeber das Nachtragsangebot des Auftragnehmers vertreten durch seinen Architekten mit Schreiben vom 14.12.2015 ausdrücklich abgelehnt hat.
Praxishinweis
Neben der im Einzelfall auszulegenden Frage, ob tatsächlich eine Leistungsänderung und damit eine Abweichung vom Bausoll vorliegt, gilt grundsätzlich, dass ein vom Auftraggeber mit der Bauleitung und -überwachung beauftragter Architekt oder Ingenieur nicht bereits aufgrund des mit dem Auftraggeber geschlossenen Vertrags dazu bevollmächtigt ist, Anordnungen gem. § 1 Abs. 3 VOB/B zu treffen (vgl. OLG Brandenburg, IBR 2017, 64).
Das gilt ungeachtet der Höhe der mit der Anordnung verbundenen finanziellen Folgen (OLG Karlsruhe, IBR 1995, 152).
RAin und FAin für Bau- und Architektenrecht Barbara Münch, Düsseldorf
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