
Verlangt der Auslober nach Durchführung eines Planungswettbewerbs von einem der Preisträger die Fortentwicklung der Wettbewerbsplanung, bespricht er die Planungsergebnisse und zieht er den Architekten auch bei Terminen mit externen Teilnehmern hinzu, darf ein verständiger Architekt davon ausgehen, der Auslober wolle seiner rechtlichen Verpflichtung zur Beauftragung eines Preisträgers aus den Auslobungsunterlagen nachkommen.
OLG Düsseldorf, Urteil vom 20.02.2025 - 5 U 102/23
BGB §§ 648, 650h, 650p; HOAI § 34
Problem/Sachverhalt
Das Unternehmen (U) lobt 2018 einen Realisierungswettbewerb zur Errichtung eines Bürogebäudes als neue Firmenzentrale aus. In den Wettbewerbsbedingungen heißt es: "Der Auslober verpflichtet sich, sobald und soweit das Vorhaben zur Realisierung kommt, unter Berücksichtigung der Empfehlungen des Preisgerichts, eine/n oder mehrere der Preisträger/-innen mit weiteren planerischen Leistungen zu beauftragen. Der Umfang der weiteren Beauftragung umfasst die Leistungen für Gebäude gem. HOAI 2013 § 34 mindestens bis zur abgeschlossenen Leistungsphase 5."
Das Architekturbüro (A) wird zur Teilnahme aufgefordert und reicht einen Beitrag ein. Das Preisgericht vergibt an A den zweiten Preis, an das weitere Büro G den dritten Preis. Ein erster Preis wird nicht zugesprochen. Es empfiehlt U, mit A über einen entsprechenden Architektenauftrag zu verhandeln und den Entwurf gemäß den gegebenen Empfehlungen weiterzuentwickeln. Zwischen Mitte Dezember 2018 und Mitte März 2019 finden 13 Besprechungen zwischen U und A statt, wobei A zahlreiche Pläne vorliegt.
U bittet sodann A per E-Mail, keine weiteren Leistungen mehr zu erbringen, und lässt die weitere Planung nunmehr von G erbringen. A fühlt sich "frei" gekündigt und klagt letztlich 1,5 Mio. Euro Honorar für erbrachte und kündigungsbedingt nicht erbrachte Leistungen bis einschließlich der Leistungsphase 5 (Ausführungsplanung) gem. Anlage 10.1 zur HOAI ein. U meint, es sei kein Architektenvertrag zu Stande gekommen.
Entscheidung
Das Landgericht folgt U, das OLG hingegen nicht. Ein Architektenvertrag sei konkludent geschlossen worden. Zwar könne weder aus dem bloßen Tätigwerden eines Architekten noch aus der Entgegennahme seiner Leistungen durch einen Besteller ohne Weiteres auf einen Vertragsschluss geschlossen werden. Erforderlich seien vielmehr weitere Umstände, die einen rechtsgeschäftlichen Willen erkennen ließen (BGH, IBR 1999, 482).
Trotz umfangreicher Architektenleistungen könne es gegen eine rechtsgeschäftliche Beauftragung sprechen, wenn die noch nicht gesicherte Realisierung des Objekts gefördert werden solle oder der Architekt gegen andere Bewerber ankämpfe. Aus Sicht eines verständigen Bestellers sei jedoch nicht anzunehmen, dass der Architekt auch nach Abschluss eines Wettbewerbs noch umfassende Akquise-Leistungen erbringen wolle. Umgekehrt müsse ein verständiger Architekt nach einem Wettbewerb im Regelfall nicht davon ausgehen, dass der Auftraggeber sich auch dann noch nicht binden wolle, wenn er wie hier eine umfassende Weiterentwicklung des Beitrags wünsche.
Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund der hiesigen Empfehlung des Preisgerichts. Konkludent beauftragt gewesen seien nur die Leistungsphasen 1 und 2 gem. Anlage 10.1 zur HOAI, insoweit könne A die erbrachten und nicht erbrachten Leistungen i.H.v. rund 219.000 Euro vergütet verlangen. Eine Vermutung für einen Vollauftrag gebe es nicht.
Praxishinweis
Werden einem Realisierungswettbewerb die RPW 2013 zu Grunde gelegt, ergibt sich ein ähnliches Auftragsversprechen aus dem dortigen § 8 Abs. 2. Danach kann der Auslober aus wichtigem Grund (dazu BGH, IBR 2004, 429: weggebrochene Steuereinnahmen) von einer Beauftragung absehen, zudem reicht das Versprechen auch nur "in der Regel mindestens bis zur abgeschlossenen Ausführungsplanung", so dass auch deren Übertragung auf einen Generalunternehmer möglich bleibt.
Öffentliche Auftraggeber dürfen entgegen verbreitet anzutreffender Übung gem. § 14 Abs. 4 Nr. 8 VgV allerdings nicht den ersten Preisträger ohne Verhandlungsverfahren unter den Preisträgern (also ohne Teilnahmewettbewerb) beauftragen (VK Sachsen, Beschluss vom 03.12.2004 - 1/SVK/104-04, IBRRS 2006, 2299).
RA und FA für Bau- und Architektenrecht Prof. Dr. Heiko Fuchs, Mönchengladbach Autorenprofil
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