Keine Bauhandwerkersicherheit, keine Mängelbeseitigung!

OLG Schleswig, Urteil vom 24.07.2024 - 12 U 75/23 BGB §§ 633, 634, 650f

1. Ein Unternehmer kann grundsätzlich auch dann noch eine Bauhandwerkersicherung verlangen, wenn er nur noch Mängelbeseitigungsmaßnahmen vorzunehmen hat. Wird die Sicherheit nicht gestellt, ist der Unternehmer berechtigt, die Mängelbeseitigung zu verweigern.
2. Nach Beendigung des Nacherfüllungsstadiums besteht der Vergütungsanspruch des Unternehmers jedoch nur, soweit die Leistung mangelfrei erbracht wurde. Ist die Leistung mangelhaft, hat der Unternehmer nur Anspruch auf die um den Minderwert aufgrund der Mängel gekürzte Vergütung.
3. Dieser Minderwert ist zu ermitteln anhand der auf die mangelhaften Leistungen anteilig entfallende Vergütung, die gem. § 287 ZPO zu schätzen ist.
4. Nach Beendigung des Nacherfüllungsstadiums kann eine Nacherfüllung und folglich auch ein Vorschuss zur Mängelbeseitigung vom Besteller nicht mehr verlangt werden.

OLG Schleswig, Urteil vom 24.07.2024 - 12 U 75/23

BGB §§ 633, 634, 650f

Problem/Sachverhalt

Der Auftraggeber (AG) beauftragte den Auftragnehmer (AN) mit der Herstellung von Betonflächen im Außenbereich. Die mit der Klage geltend gemachten offenen Werklohnansprüche des AN belaufen sich auf 13.970,79 Euro.

Nach den Feststellungen des Landgerichts hat der AN die Leistungen mangelhaft erbracht, die Kosten für die Mängelbeseitigung hat der Sachverständige auf 36.533 Euro beziffert. Zur Absicherung des Vergütungsanspruchs hat der AN vom AG eine Sicherheit nach § 650f BGB gefordert.

Der AG hat innerhalb der Frist keine Sicherheit gestellt, woraufhin der AN den Vertrag gekündigt hat. Danach sei im Prozess ein Abrechnungsverhältnis eingetreten. Der AG erhebt Widerklage auf Zahlung von Vorschuss zur Mängelbeseitigung.

Entscheidung

Das OLG Schleswig weist sowohl die Klage als auch die Widerklage ab. Der AN war berechtigt, den Vertrag aus wichtigem Grund zu kündigen, da der AG die geforderte Sicherheit nicht innerhalb der hierfür gesetzten Frist gestellt hat (§ 650f Abs. 5 Satz 1 BGB).

Durch die Kündigung des AN wurde das "Nacherfüllungsstadium" des Vertrags beendet. Ein Vergütungsanspruch des AN besteht nach der Beendigung des "Nacherfüllungsstadiums" nur, soweit die Leistungen wie vertraglich geschuldet, also mangelfrei, erbracht wurden. Der AN muss sich auf seinen Vergütungsanspruch den mangelbedingten Minderwert anrechnen lassen.

Vorliegend schätzt das OLG Schleswig den Minderwert auf "mindestens die Höhe der geltend gemachten Werklohnforderung" und weist die Klage folgerichtig ab. Aufgrund der kündigungsbedingten Beendigung des "Nacherfüllungsstadiums" kann der AG auch keinen Vorschuss zur Mängelbeseitigung mehr verlangen. Den bestehenden Mängeln wird dann (nur noch) durch die Minderung des Vergütungsanspruchs Rechnung getragen.

Praxishinweis

Das Abrechnungsverhältnis ist erst nach der Kündigung eingetreten. Damit folgt das OLG ohne Thematisierung der Auffassung, dass mit der Kündigung auch Gewährleistungsansprüche ohne erneute Kündigung mitgekündigt werden, eine zweite Kündigung nach der Kündigung des Vertrags also nicht erforderlich ist (vgl. OLG Oldenburg, Urteil vom, 05.03.2024 - 2 U 115/23, IBRRS 2024, 0766).

Dafür spricht hier die Fertigstellung. Vorliegend war die Frist des AN zur Stellung einer Sicherheit nach § 650f BGB vor der Frist zur Mängelbeseitigung des AG fruchtlos verstrichen. Dem AN stand daher ein Leistungsverweigerungsrecht zu (vgl. Kniffka/Jurgeleit/Schmitz, ibrOK Bauvertragsrecht, Stand 22.04.2024, § 650f Rz. 166 f.; Bolz/Jurgeleit/Jahn, ibrOK VOB/B, 16.07.2024, § 8 Rz. 412 f.).

Ob auch solche Mängel nach Minderwert abzurechnen sind, bei denen die Frist zur Mängelbeseitigung vor der Frist nach § 650f BGB abgelaufen ist oder nur "neue Mängel", die nach der Kündigung gerügt werden, ist ungeklärt.

RA und FA für Bau- und Architektenrecht Dr. Maximilian R. Jahn, Frankfurt a.M. 

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