1. Eine wissentliche Pflichtverletzung des Architekten führt zum Leistungsausschluss der Architektenhaftpflichtversicherung. Ein Verstoß gegen elementare Berufspflichten, deren Kenntnis nach der Lebenserfahrung bei jedem Berufsträger vorausgesetzt werden kann, indiziert die Wissentlichkeit.
2. Erbringt ein Architekt trotz Mahnungen des Bauherrn grundlegende Architektenaufgaben nicht, liegt ein solcher die Deckung ausschließender Verstoß gegen elementare berufliche Pflichten vor.
3. Macht der Geschädigte gegen den Versicherer einen Direktanspruch klageweise geltend, hat er neben den Voraussetzungen des § 115 Abs. 1 Satz 1 VVG auch alle Tatsachen vorzutragen und im Bestreitensfall zu beweisen, die den Haftpflichtanspruch gegen den versicherten Schädiger begründen.
OLG Brandenburg, Beschluss vom 17.05.2023 - 11 U 144/22
VVG § 1 Satz 1, §§ 100, 115 Abs. 1
Problem/Sachverhalt
Ein Ehepaar beauftragt einen Architekten (A) mit der Planung und Überwachung des Neubaus seines Einfamilienhauses. Während der Ausführung der Leistungen der Leistungsphasen 5 bis 8 erbringt A trotz Mahnungen des Ehepaars grundlegende Architektenleistungen nicht und stellt seine Arbeiten schließlich ganz ein. Hierdurch entsteht dem Ehepaar ein Schaden gegen den Planer i.H.v. knapp 70.000 Euro. Im Haftpflichtprozess ergeht gegen A ein Versäumnisurteil wegen dieser Schadensersatzansprüche des Ehepaars. Auf dieser Grundlage klagen die Eheleute gegen den Haftpflichtversicherer des A.
Entscheidung
Ohne Erfolg! Das OLG Brandenburg stellt zunächst klar, dass den Eheleuten kein Direktanspruch gegen den Haftpflichtversicherer des A zusteht. Ein solcher Anspruch ergäbe sich nicht aus den Bedingungen des Versicherungsvertrags. Ferner handle es sich bei Haftpflichtversicherungsverträgen weder um Verträge zu Gunsten Dritter noch sei der geschädigte Dritte Versicherter i.S.d. §§ 43 ff. VVG. Ein Anspruch könne sich allenfalls aus § 115 Abs. 1 Satz 1 VVG ergeben. Zu diesen Voraussetzungen hätten die Eheleute jedoch nicht ausreichend vorgetragen. Hierzu gehöre nämlich die Darlegung sowohl der Voraussetzungen des § 115 Abs. 1 Satz 1 VVG als auch Vortrag zum Haftpflichtanspruch gegen den versicherten Architekten. Unabhängig von den vorstehenden Erwägungen könne sich die Haftpflichtversicherung aber auch auf den Ausschlusstatbestand der bewussten Pflichtwidrigkeit berufen. Die Eheleute hätten selbst vorgetragen, dass A grundlegende Architektenaufgaben trotz Mahnungen der Eheleute nicht erbracht und sodann seine Leistungen schließlich ganz eingestellt habe. Hierin liege ein Verstoß gegen elementare Berufspflichten, deren Kenntnis nach der Lebenserfahrung bei jedem Berufsträger vorausgesetzt werden könne. Ein solcher Verstoß indiziere die Wissentlichkeit der Pflichtverletzung und führe zum Deckungsschluss.
Praxishinweis
Eine direkte Inanspruchnahme des Haftpflichtversicherers des Architekten durch den geschädigten Dritten ist gesetzlich nur unter den Voraussetzungen des § 115 Abs. 1 VVG vorgesehen. Hierfür muss der geschädigte Dritte neben den Voraussetzungen des § 115 Abs. 1 VVG auch darlegen und beweisen, dass er gegen den versicherten Planer einen Haftpflichtanspruch hat und so inzident den Haftpflichtprozess führen. Beruft sich der Versicherer auf den Ausschlusstatbestand der bewussten Pflichtwidrigkeit ist er für dessen Voraussetzungen grundsätzlich darlegungs- und beweispflichtig. Trägt er jedoch einen Verstoß gegen elementare Berufspflichten vor, dreht sich die Darlegungslast um. Dann muss sich der Architekt entlasten und plausibel darlegen, wie die Verletzung einer solchen Pflicht unwissentlich geschehen konnte (vgl. OLG Karlsruhe, IBR 2006, 422).
RA und FA für Bau- und Architektenrecht, FA für Versicherungsrecht Dr. Florian Krause-Allenstein, Hamburg
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