Kein gleichwertiges Produkt angegeben: Im LV genanntes Produkt ist zu verbauen!

OLG Celle, Urteil vom 14.12.2022 - 14 U 44/22 BGB §§ 305, 305c, 307; VOB/B § 4 Abs. 7, § 8 Abs. 3

1. Der Auftragnehmer ist verpflichtet, vom Auftraggeber im Leistungsverzeichnis vorgegebene Produkte zu verwenden.
2. Das gilt auch, wenn LV-Positionen den Zusatz "oder gleichwertig" enthalten, der Auftraggeber den Einsatz gleichwertiger Produkte aber nur zulässt, wenn der Auftragnehmer im Angebot entsprechende Produktangaben (Hersteller- und Typenbezeichnung) einträgt, der Auftragnehmer solche Angaben aber unterlässt.
3. Eine solche, vom Auftraggeber vorformulierte Regelung ist weder überraschend noch intransparent und benachteiligt den Auftragnehmer auch nicht unangemessen.
4. Verwendet der Auftragnehmer ein anderes als das vertraglich vereinbarte Produkt, ist seine Leistung mangelhaft und der Auftraggeber zur Kündigung des VOB/B-Vertrags berechtigt.

OLG Celle, Urteil vom 14.12.2022 - 14 U 44/22

BGB §§ 305, 305c, 307; VOB/B § 4 Abs. 7, § 8 Abs. 3

Problem/Sachverhalt

Ein öffentlicher Aufraggeber (AG) schreibt Metallbauarbeiten aus. Gemäß einer Vorgabe des AG enthält das Angebot des Auftragnehmers (AN) folgende Erklärung: "Ich/wir erkläre(n), dass (...) das vom AG vorgeschlagene Produkt Inhalt meines/unseres Angebots ist, wenn Teilleistungsbeschreibungen des AG den Zusatz "oder gleichwertig" enthalten und von mir/uns keine Produktangaben (Hersteller- und Typenbezeichnung) eingetragen wurden." Im Angebot des AN werden Stahlblechtüren als "Produkt: H. oder gleichwertig" beschrieben. Tatsächlich verwendet der AN Türen des Herstellers S., die nach dessen Angaben technisch mindestens gleichwertig sind. Der AG fordert vor der Abnahme, die Türen gegen solche des Herstellers H. auszutauschen. Nach fruchtlosem Ablauf einer mit Kündigungsandrohung versehenen Frist zur Mängelbeseitigung kündigt der AG und lässt die bemängelten Türen ausbauen. Der AN meint, er habe vertragsgemäß und mangelfrei geleistet und klagt seine Restvergütung (knapp 40.000 Euro) ein.

Entscheidung

Ohne Erfolg! Das OLG weist die in erster Instanz erfolgreiche Klage ab. Die außerordentliche Kündigung des AG war berechtigt. Nach dem Vertrag war der AN gehalten, Türen des Herstellers H. zu verwenden. Das technisch möglicherweise gleichwertige Produkt des Herstellers S. war im Rechtssinne mangelhaft, weil vertragswidrig. Denn im Vertragsangebot hatte der AN keine alternativen Produktangaben mit Hersteller- und Typenbezeichnung eingetragen. Die betreffende Vorgabe des AG aus dem "VHB-Bund-Ausgabe 2017" hält einer AGB-Inhaltskontrolle stand. Die Regelung ist nicht überraschend, sondern sach- und interessengerecht. Sie verbietet nicht den Einsatz technisch gleichwertiger Produkte, sondern stellt lediglich sicher, dass Bieter ihr "Produktwahlrecht" transparent bereits im Vergabeverfahren und nicht intransparent erst während der Bauausführung ausüben. Auf die Frage, ob die vertragswidrigen Türen technisch gleichwertig waren, kam es daher nicht an.

Praxishinweis

Die Entscheidung ist wohl auch dann richtig, wenn die Türen des Herstellers S. technisch mindestens gleichwertig waren. Insoweit mag vorliegend offenbleiben, ob nach § 4 Abs. 7 VOB/B jede unerhebliche Abweichung vom Bausoll eine Vertragskündigung rechtfertigt (so u. a. Oppler, in: Ingenstau/Korbion, VOB/B, 22. Aufl., § 4 Abs. 7, Rz. 11). Denn der Verstoß gegen eine Beschaffenheitsvereinbarung indiziert die Erheblichkeit einer Pflichtverletzung (BGH, NJW 2020, 1287, Rz. 46 zu § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB).

RA und FA für Bau- und Architektenrecht Dr. Wolfgang Kau, Dresden