
1. Bei der Bestimmung der nach § 34 Abs. 1 BauGB für das Einfügen eines Vorhabens nach dem Maß der baulichen Nutzung maßgeblichen näheren Umgebung ist zwischen den einzelnen Seiten eines überschaubaren Straßengevierts nur dann zu differenzieren, wenn diese - etwa infolge der Trennung durch einen hinreichend gewichtigen unbebauten Blockinnenbereich oder bei Erkennbarkeit zweier klar voneinander abgegrenzter, in sich im Wesentlichen homogener Bebauungsmuster - jeweils erkennbar ein Eigenleben führen.*)
2. Bei Beurteilung des Einfügens nach dem Maß der baulichen Nutzung i.S.d. § 34 Abs. 1 BauGB ist für die absolute Größe und das Verhältnis der Gebäude zur umgebenden Freifläche (Bebauungsdichte) jeweils separat nach Referenzobjekten zu suchen. Allerdings sind bei der Bestimmung der Bebauungsdichte neben der Grundfläche der Gebäude auch ihre Höhe und Geschossigkeit zu berücksichtigen.*)
3. Für die Bestimmung des Verhältnisses eines Gebäudes zu den umgebenden Freiflächen können dem Vorhaben Teile von Nachbargrundstücken nur zugerechnet werden, wenn diese nicht als umgebende Freiflächen eines vorhandenen oder realisierbaren Nachbargebäudes angesehen werden können. Umgekehrt sind diejenigen Teile des Vorhabengrundstücks keine umgebenden Freiflächen, die ihrer Lage nach das Verhältnis des Vorhabens zu Nachbarbaukörpern nicht prägen können; dies gilt insbesondere für Zufahrtsstreifen von Hinterliegergrundstücken.*)
4. Ein Vorhaben fügt sich mit Blick auf das Verhältnis der Gebäude zu umliegenden Freiflächen nicht bereits dann ein, wenn seine Abstände zu Nachbargebäuden in der näheren Umgebung ein Vorbild haben.*)
OVG Niedersachsen, Urteil vom 10.06.2024 - 1 LB 51/22
BauGB § 34 Abs. 1
Problem/Sachverhalt
Der Kläger hat einen Bauvorbescheid zur Errichtung zweier Mehrfamilienhäuser im unbeplanten Innenbereich beantragt. Die beiden Baukörper sollen eine Grundfläche von jeweils über 200 qm sowie eine Firsthöhe von 10 m haben. Die Gemeinde lehnt die Bauvoranfrage ab.
Das Bauvorhaben würde nach ihrer Auffassung zu einer unzulässigen Verdichtung der Bebauung führen. Dagegen wehrt sich der Kläger. Er verweist auf Grundstücke in der Umgebung, die mit einer höheren Grundflächenzahl bebaut seien, als sein Vorhaben aufweise.
Entscheidung
Die Klage scheitert! Das Vorhaben fügt sich nach dem Maß der baulichen Nutzung nicht in die Eigenart der näheren Umgebung ein, so das OVG. Grund- und Geschossflächenzahlen seien in diesem Zusammenhang von untergeordneter Bedeutung. Die "Bebauungsdichte" - also das Verhältnis des Baukörpers zu den umliegenden Freiflächen - sei nicht rechnerisch, sondern in einer wertenden Gesamtschau zu ermitteln.
Dabei seien auch die Gebäudehöhe und Geschossigkeit einzubeziehen. Verglichen mit der aufgelockerten und niedrigeren Bebauung in der Umgebung würde das zweieinhalbstöckige Vorhaben des Klägers als "spürbar dichtere Bebauung" wirken.
Praxishinweis
Für das Einfügen nach dem Maß der baulichen Nutzung gem. § 34 Abs. 1 BauGB spielen die Grund- und die Geschossflächenzahl grundsätzlich keine Rolle. Das liegt daran, dass diese Parameter abhängig von der Grundstücksgröße berechnet werden müssen und daher nicht ohne Weiteres aus den örtlichen Verhältnissen ablesbar sind.
Da es primär auf die von außen wahrnehmbare Erscheinung des Vorhabens im Vergleich zu seiner Umgebungsbebauung ankommt, ist die Bebauungsdichte in einer wertenden Gesamtschau aus dem Verhältnis von Bau- zu Freiflächen sowie weiteren Faktoren zu ermitteln, die sich - wie die Höhe und die Geschossigkeit - auf die Massivität der Bebauung auswirken.
RA und FA für Verwaltungsrecht Dr. Marian Klepper, Düsseldorf
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