1. Ein Planervertrag stellt grundsätzlich auch dann keinen Vertrag über den Bau von neuen Gebäuden i.S.d. § 312 Abs.2 Nr. 3 BGB (in der Fassung vom 13.06.2014 bis 31.12.2017) dar, wenn die Planerleistungen auf die Errichtung eines neuen Gebäudes gerichtet sind (vgl. OLG Köln, IBR 2017, 501).*)
2. Ein Widerruf i.S.v. § 355 BGB kann auch dann vorliegen, wenn ein Verbraucher gegenüber dem Unternehmer erklärt, dass er mit diesem keinen Vertrag abgeschlossen hat.*)
3. § 357 Abs. 8 BGB ist als europarechtlich geprägte Norm weit auszulegen und erfasst mit dem Begriff "Dienstleistungen" Werk- und Dienstleistungen jeder Art, deren Rückgewähr in Natur ausgeschlossen ist, also auch Architektenleistungen.*)
OLG Stuttgart, Urteil vom 17.07.2018 - 10 U 143/17 (nicht rechtskräftig)
BGB § 312 Abs. 2 Nr. 3, §§ 355, 357 Abs. 8
Problem/Sachverhalt
Der Architekt (A) begehrt von einem Besteller (B), der Verbraucher ist, Honorar für Planungsleistungen. Ob ein Vertrag zu Stande gekommen ist oder es sich lediglich um Akquiseleistungen des A handelt, ist streitig. Unstreitig ist, dass ein etwaiger Vertrag außerhalb von Geschäftsräumen im Oktober 2014 zu Stande gekommen wäre, da bei einer Abendeinladung bzw. am nächsten Tag im Auto über die Beauftragung des A gesprochen wurde. B hat mit Schreiben vom 05.08.2015 gegenüber dem A erklärt, dass er den behaupteten Vertrag nicht mehr gegen sich gelten lassen will. Konnte B den "Vertrag" durch diese Erklärung wirksam widerrufen?
Entscheidung
Ja! Ein Planervertrag, der zwischen einem Verbraucher und einem Planer als Unternehmer geschlossen wurde, fällt unter die Widerrufsregelungen der §§ 312 ff. BGB. Die eng auszulegende Ausnahmevorschrift des § 312 Abs. 2 Nr. 3 BGB a.F. greift nicht ein. Ein Planervertrag stellt grundsätzlich auch dann keinen Vertrag über den Bau von neuen Gebäuden dar, wenn Planungsleistungen auf die Errichtung eines neuen Gebäudes gerichtet sind (ebenso OLG Köln, IBR 2017, 501). Dies hat zur Folge, dass der Verbraucher den Vertrag nach den §§ 312g, 355 BGB grundsätzlich widerrufen kann. Unabhängig von der Frage, ob zwischen dem Verbraucherbesteller und A als Unternehmer ein wirksamer Architektenvertrag zu Stande gekommen ist, hat B mit seiner Erklärung vom 05.08.2015 nach § 355 BGB wirksam widerrufen. Die Verwendung des Wortes "Widerruf" ist nicht erforderlich. Es genügt eine Äußerung des Verbrauchers, aus der erkennbar wird, dass er den Vertrag jedenfalls nicht mehr gegen sich gelten lassen wolle. Ein Widerruf ist auch dann möglich, wenn der Verbraucher die Auffassung vertritt, es fehle bereits am Abschluss eines vom Unternehmer behaupteten Vertrags, und dies dem Unternehmer gegenüber ausdrücklich erklärt. Bei der gebotenen weiten Auslegung ist in der Äußerung des B, dass er dem A nichts schulden will, eine Widerrufserklärung zu sehen. Es läuft der Intention des Gesetzgebers, einen effektiven Verbraucherschutz zu gewährleisten, zuwider, wenn in der Erklärung des B kein Widerruf i.S.d. § 355 BGB gesehen werden würde. Der Verbraucher hat auch fristgerecht widerrufen. Nachdem eine Widerrufsbelehrung durch A nicht erfolgte, begann die Widerrufsfrist nicht zu laufen mit der Folge, dass das Widerrufsrecht erst 12 Monate und 14 Tage nach Vertragsschluss erlischt.
Praxishinweis
Ein Anspruch auf Wertersatz nach § 357 Abs. 1 BGB steht einem Planer nach § 357a Abs. 8 BGB dann nicht zu, wenn er den Verbraucher nicht nach Art. 246a § 1 Abs. 2 Nr. 1, 3 EGBGB ordnungsgemäß informiert hat, er weiter nicht über die Bedingungen, Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts aufgeklärt sowie den Verbraucher nicht über die mögliche Wertersatzpflicht unterrichtet hat. Des Weiteren muss der Verbraucher ausdrücklich verlangt haben, dass der Planer vor Ablauf der Widerrufsfrist mit seiner Tätigkeit beginnt.
RAin und FAin für Bau- und Architektenrecht Grete Langjahr, München
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