1. Die Ermächtigung des WEG-Verwalters, die zur ordnungsgemäßen Instandhaltung und Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums erforderlichen Maßnahmen im Namen der Wohnungseigentümergemeinschaft zu treffen, erstreckt sich nicht auf außergewöhnliche, nicht dringende Instandsetzungsarbeiten größeren Umfangs (hier: Dachsanierungsarbeiten).
2. Die Regelung in der Gemeinschaftsordnung, wonach der WEG-Verwalter berechtigt ist, "die Wohnungseigentümer gerichtlich und außergerichtlich in allen Angelegenheiten der Verwaltung zu vertreten und im Rahmen seiner Verwalteraufgaben Verträge abzuschließen und andere Rechtshandlungen vorzunehmen", führt nicht dazu, dass der Verwalter bevollmächtigt ist, eine nicht beschlossene Dachsanierung zu beauftragen.
3. Schließt der hierzu nicht bevollmächtigte WEG-Verwalter im Namen der Eigentümergemeinschaft mit einem Unternehmen einen Bauvertrag, ist er dem Unternehmer zum Schadensersatz verpflichtet, wenn die Eigentümergemeinschaft die Genehmigung des Vertrags verweigert.
4. Einem Handwerksunternehmen muss nicht bekannt sein, dass ein WEG-Verwalter nicht dazu berechtigt ist, im Namen der Eigentümergemeinschaft Bauverträge über Dachsanierungsarbeiten zu schließen.
OLG München, Urteil vom 02.08.2023 - 27 U 2547/22 Bau
BGB §§ 164, 179, 631, 632; WEG a.F. § 27; WEG n.F. §§ 9b, 27
Problem/Sachverhalt
Der ehemalige Verwalter (HV) einer Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (WEG) beauftragt einen Bauhandwerker (AN) mit Dachdecker- und Spenglerarbeiten mit einem Volumen von über 100.000 Euro. HV erklärt hierbei "Auftrag erteilt 30.05.2019 für WEG D.".
Ein Beschluss der WEG für diesen Auftrag existiert nicht. Die Schlussrechnung von 132.051,79 Euro zahlt nach Abnahme des HV "für die WEG D." der HV aus Mitteln der WEG und aus Eigenmitteln bis auf einen Restbetrag von 22.317,10 Euro vollständig. AN verlangt vom HV als "Vertreter ohne Vertretungsmacht" diesen Betrag. Das LG Augsburg hat die Klage abgewiesen.
Entscheidung
Anders das OLG München. HV handelte als Vertreter ohne Vertretungsmacht, so dass dem AN gegen ihn ein Anspruch aus § 179 Abs. 1 BGB zusteht (vgl. 3. Leitsatz). Aus § 27 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 WEG a.F. folgt kraft Gesetzes keine Vertretungsmacht, weil es an einem Beschluss der WEG fehlt (vgl. 1. Leitsatz). Gleiches gilt für die Regelung in der Gemeinschaftsordnung (vgl. 2. Leitsatz).
Hieraus ergibt sich keine Generalvollmacht o. Ä. des HV, weil die Instandhaltung und Instandsetzung den Eigentümern nach wie vor gemeinschaftlich obliegen. Anhaltspunkte dafür, dass der AN die mangelnde Vertretungsmacht des HV kannte, liegen nicht (vgl. 4. Leitsatz).
Praxishinweis
Seit dem 01.12.2020 vertritt der Verwalter jetzt kraft Gesetzes (§ 9b Abs. 1 S. 1 WEG) - Grundstückskauf- und Darlehensverträge ausgenommen - die WEG, die jetzt Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE) heißt. Diese Vertretungsmacht ist Dritten gegenüber unbeschränkbar (§ 9b Abs. 1 Satz 3 WEG).
Der Unternehmer muss sich also "nur" die Verwalterstellung nachweisen lassen. Der HV ist daher der einzige (richtige) Adressat für Bedenkenhinweise an die WEG (LG Mainz, IBR 2023, 9). Fragen der Vertretungsmacht stellen sich daher nur noch nach den Grundsätzen des Missbrauchs der Vertretungsmacht in Ausnahmefällen.
RA und FA für Bau- und Architektenrecht Dr. Achim Olrik Vogel, München
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