Handeln Bauträger arglistig, wenn sie kein Baugrundgutachten einholen?

OLG Dresden, Urteil vom 24.06.2014, Az.: 14 U 381/13

Architekten müssen Ihren Auftraggebern zur Baugrunduntersuchung raten. Auch Bauträger sind im Bauträger-Erwerber-Vertrag üblicherweise mit Planungsaufgaben betraut. Inwiefern ist es für Bauträger erforderlich, Baugrundgutachten einzuholen, wenn sie einer Arglisthaftung entgehen wollen?

Ausgangssituation:

Jedes Bauwerk wird auf einem Baugrund errichtet. Ohne zuverlässige Kenntnisse über den Baugrund ist der Erfolg einer Planung Zufall. Ohne erfolgversprechende Planung ist auch ein erfolgreiches Bauergebnis Zufall. Dieses Risiko kann für Planer und bauerfahrene Personen als allgemein bekannt bezeichnet werden. Wird eine Baugrunduntersuchung unterlassen, so ist das Unterlassen ebenfalls bekannt. Risikoreiches Verhalten kann zur Annahme einer Arglist im Sinne des § 634a Abs. 3 BGB ausreichen. (Vgl. BGH, Urteil vom 23.05.2002 Az.: VII ZR 219/01)

Beispiel:

(Nach OLG Dresden, Urteil vom 24.06.2014, Az.: 14 U 381/13)

Es geht um die Standsicherheit einer Stützmauer. Diese Stützmauer ist zum Teil in einem Altbestand belassen worden. Dieser Teil ist mit einer „Vorsatzschale (…) überkront“ worden. Diese Behandlung hat eine Einsturzgefährdung jedoch nicht beseitigt. Ein weiterer Teil der Mauer wurde neu hergestellt und die Parteien streiten darüber, ob er aufgeschwommen ist und sich talwärts bewegt habe („Sohlgleiten“). Sie streiten darüber, ob dieser Effekt durch einen Grundwasseranstieg verursacht wurde und ob selbst eine solche Ursache durch eine Baugrunduntersuchung hatte vorhergesehen werden können. Jedenfalls ist eine Baugrunduntersuchung unstreitig unterblieben.

Die Bauleistungen an der Stützmauer bewerkstelligte ein Bauträger, dessen Ziel die Herstellung und der Verkauf mehrerer anliegender Wohngebäude war. Wegen der Einsturzgefährdung der Mauer verfügte das Bauaufsichtsamt nach Besitzübergabe und Eigentumserwerb der vom Bauträger hergestellten Wohnungen eine Nutzungsuntersagung. Die Häuser waren daher seit dem faktisch nicht mehr bewohnbar. Dies stellt einen Mangel im Sinne des funktionalen Mangelbegriffs dar; so die Gerichte 1. und 2. Instanz.

Sanierungsarbeiten an der Mauer erfordern EUR 280.000.

Es besteht ein weiterer Mangel der Häuser darin, dass der Hinterfüllungsboden der Stützwand nur eine geringe Lagerungsdichte aufweist und daher für die Gebäudelast nicht tragfähig ist. Dies hätte man festgestellt, wären die notwendigen Baugrunduntersuchungen durchgeführt worden.

Seit Abnahme sind mehr als fünf Jahre vergangen. In Anwendung von § 634a Abs. 3 BGB kam es jedoch auf die regelmäßige Verjährung, kenntnisabhängig frühestens mit dem Schadensereignis und kenntnisunabhängig zehn Jahre ab Abnahme an, weswegen die Klage Erfolg hatte.

Hinweis:

Das Oberlandesgericht geht wie selbstverständlich davon aus, dass sowohl ein arglistiges Verhalten, als auch ein diesem entsprechendes Organisationsverschulden vorliege. Obwohl die Leistungsbeschreibungen der Bauträgerverträge sich nicht mit der Stützmauer befassen, verstehe sich von selbst, dass die Bauträgerin dafür Sorge zu tragen hatte, dass der – von besagter Mauer gestützte – Baugrund Gewähr für die Festigkeit des Geländes und die Standsicherheit der errichteten und veräußerten Häuser biete. Dies sei zum Einen ein Mangel und zum Anderen eine derart gravierende Außerachtlassung der erforderlichen Sorgfalt und der „üblichen Standards“, die den Vorwurf der Arglist begründe.

Die „üblichen Standards“ können sich gemäß der DIN 1054 ergeben. Das Gericht nimmt hier Bezug auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 08.03.2012 Az. VII ZR 116/10) In jener Entscheidung ging es nicht um einen Bauträgervertrag (in dem üblicherweise die Vereinbarung der VOB/B nicht enthalten ist) sondern um einen Bauvertrag, dem alle bestehenden DIN-Vorschriften vertraglich zu Grunde gelegt waren. Diese ließen es in dem vom BGH zur Entscheidung stehenden Sachverhalt zu, dass vorherige eingehende Baugrunduntersuchungen mit Probebohrungen unterbleiben können, sofern die örtlichen Erfahrungen des Bauunternehmers ausreichenden Aufschluss ergeben. Diese Einschränkung kann einen wesentlichen Aspekt der Prüfung einer Arglist darstellen, wenn der Sachverhalt hierzu konkrete Anhaltspunkte belegbar enthält. Dann besteht ggf. zwar noch ein Mangel, jedoch keine Arglist.

 

Rechtsanwalt Johannes Jochem


RJ Anwälte, Wiesbaden