GU oder nicht GU?

OLG Nürnberg, Urteil vom 24.09.2020 - 13 U 2287/18 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgenommen) BGB §§ 280, 281, 633, 634 Nr. 4

1. Als Generalunternehmer wird angesehen, wer die Durchführung sämtlicher zu einem Bauvorhaben erforderlichen Leistungen übernommen hat, die er dann selbst oder durch Nachunternehmer ausführen kann. Im Verhältnis zum Auftraggeber ist der Generalunternehmer ein Alleinunternehmer.
2. Ein beschränkter Leistungsumfang und die Beauftragung anderer Unternehmer durch den Auftraggeber sprechen gegen eine Stellung als Generalunternehmer.
3. Der Vollzug der notwendigen Abstimmungen auf der Baustelle führt nicht dazu, dass der daran mitwirkende Auftragnehmer zum Generalunternehmer wird, der den von anderen Unternehmern gegenüber dem Auftraggeber geschuldeten Werkerfolg wie einen eigenen zu verantworten hat.

OLG Nürnberg, Urteil vom 24.09.2020 - 13 U 2287/18 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgenommen)

BGB §§ 280281633634 Nr. 4

 

Problem/Sachverhalt

Der Auftraggeber (AG) beauftragte den Auftragnehmer (AN) mit der Erbringung von Leistungen beim Umbau und der Sanierung eines Hallenschwimmbads in seinem Wohnhaus. Neben dem AN beauftragte der AG weitere Unternehmen mit eigenen Gewerken. Der AG verlangt vom AN Ersatz für Mängel an der Gesamtbaustelle. Er meint, der AN sei "als eine Art" Generalunternehmer (GU) beauftragt worden. Er habe sämtliche weiteren Unternehmen angesprochen und die Aufträge vermittelt. Der AN hafte zudem aus Prospekthaftung, weil er in seinem Werbeprospekt Leistungen aus einer Hand verspreche und der AG darauf vertraut habe. Das Landgericht wies die Klage ab. Unter anderem sei der AN kein GU. Der AG legte hiergegen Berufung ein.

Entscheidung

Mit nur teilweisem Erfolg! Das OLG bestätigt, dass der AN kein GU sei und nicht als ein solcher hafte. Er hafte nur für Mängel an eigenen und nicht für solche an fremden Gewerken. Als GU werde angesehen, wer die Durchführung sämtlicher zu einem Bauvorhaben erforderlichen Leistungen übernommen habe, die er dann selbst oder durch Nachunternehmer ausführen könne. Im Verhältnis zum Besteller sei der GU ein Alleinunternehmer. Hieran gemessen sei der AN kein GU. Seine geschuldeten Leistungen seien beschränkt gewesen. Zudem habe der AG selbst die anderen auf der Baustelle tätigen Unternehmer beauftragt. Dass der AN Empfehlungen bezüglich der weiteren zu beauftragenden Unternehmen gegeben habe, begründe keinen Generalunternehmerstatus. Auch dass der AN die Leistungen der anderen Unternehmen mit diesen abgesprochen habe oder diesen auf der Baustelle Anweisungen gegeben haben könnte, würde allenfalls belegen, dass sich der AN um die erforderliche Koordination gekümmert habe. Der Vollzug dieser Abstimmung führe aber nicht dazu, dass daran mitwirkende Unternehmen zu GU werden. Nichts anderes gelte für den Vorwurf des AG, die vertragliche Abwicklung der anderen Gewerke sei über und mit dem AN erfolgt. Der AN hafte auch nicht aufgrund seiner Werbebroschüre. Der von beiden Seiten unterschriebene, mit "Auftragsbestätigung" überschriebene Vertragsurkunde begründe die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit der Vertragsurkunde und des dort niedergelegten Vertragssolls. Die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit der über ein Rechtsgeschäft aufgenommenen Urkunde wirke sich bei der Auslegung des Vereinbarten dahin aus, dass die Partei, die ein ihr günstiges Auslegungsergebnis auf Umstände außerhalb der Urkunde stütze, diese zu beweisen (BGH, Urteil vom 05.02.1999 - V ZR 353/97IBRRS 1999, 0132). Diesen Beweis habe der AG aber nicht erbracht.

Praxishinweis

Das OLG nimmt die Einstufung des GU anhand des Einzelfalls vor. Diese Einstufung als GU ist nicht nur für dessen Haftungsgrenzen von Bedeutung. Sie spielt im neuen Werkvertragsrecht auch eine Rolle für die Frage, ob die Regelungen des Bauvertrags oder gar des Verbraucherbauvertrags Anwendung finden.

 

RA und FA für Bau- und Architektenrecht Frederic Jürgens, Heidelberg  

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