Die Rechtsprechung des BGH, wonach ein Schadensersatzanspruch des Bestellers wegen nicht beseitigter Mängel des Werks nicht in Höhe der fiktiven Kosten für die Beseitigung der Mängel bemessen werden kann (BGH, IBR 2018, 196), findet auf vor dem 01.01.2002 geschlossene Verträge keine Anwendung (Bestätigung von BGH, IBR 2019, 23).*)
BGH, Urteil vom 19.12.2019 - VII ZR 6/19
BGB a.F. § 635; VOB/B § 13 Nr. 7 Abs. 1
Problem/Sachverhalt
Ein Generalunternehmer verlangt restlichen Werklohn von gut 1 Mio. Euro aus einem VOB-Vertrag vom 14.07.1997 über die Errichtung eines Büro- und Geschäftshauses. Der beklagte Auftraggeber erklärt u. a. die Aufrechnung mit einem Betrag von 536.856,47 Euro als Schadensersatz wegen verschiedener nicht beseitigter Mängel. Während des Berufungsverfahrens wird das Grundstück zwangsversteigert. Das OLG berücksichtigt die Aufrechnung nicht. Der Schaden könne nach der neuen Rechtsprechung des BGH nicht nach fiktiven Mängelbeseitigungskosten bemessen werden. Dies gelte entgegen der Entscheidung des BGH vom 27.09.2018 (IBR 2019, 23) auch für Altfälle. Die Gefahr einer Überkompensation bestehe bei Altfällen in gleicher Weise. Die maßgeblichen schadensrechtlichen Bestimmungen der §§ 249, 251 BGB hätten sich weder im Rahmen der Schuldrechtsreform noch der Novellierung des Schadensrechts geändert.
Entscheidung
Die vom OLG zugelassene Revision hat - erwartungsgemäß - Erfolg. Der BGH hält an seiner neuen Rechtsprechung fest, wonach für nach dem 31.12.2001 abgeschlossene Verträge der Besteller, der den Mangel des Werks nicht beseitigen lässt, seinen Schaden nicht nach fiktiven Mängelbeseitigungskosten bemessen kann. Er hält auch daran fest, dass diese Rechtsprechung für vor dem 01.01.2002 abgeschlossene Verträge nicht gilt. Nur auf Basis des ab dem 01.01.2002 geltenden Konzepts der Mängelrechte ist es möglich, dass dem Besteller die Möglichkeit gelassen wird, den Mangel selbst zu beseitigen und zugleich eine ausreichende Kompensation seines Vermögensschadens zu erlangen, ohne dass es zu einer Überkompensation kommt. Nach altem Schuldrecht ging das nicht, weil danach die für Wandlung (Rückabwicklung), Minderung und Schadensersatz erforderliche Fristsetzung mit Ablehnungsdrohung neben dem Nachbesserungsanspruch auch den Selbstbeseitigungsanspruch und den Anspruch auf Vorschuss ausschloss. Dies gilt auch für auf Grundlage des alten Schuldrechts abgeschlossene VOB-Verträge.
Praxishinweis
Die abweichende Entscheidung des OLG Hamburg gibt dem BGH die Gelegenheit, seine neue Rechtsprechung zum Ausschluss fiktiver Mängelbeseitigungskosten zu erläutern, insbesondere seine These, dass diese Rechtsprechung auf den Besonderheiten des Werkvertragsrechts beruht. Danach kommt dem Vorschussanspruch und dem Nebeneinander von Vorschuss und Schadensersatz entscheidende Bedeutung zu. Anders als nach dem alten Recht schließt das Schadensersatzverlangen lediglich den Nachbesserungsanspruch selbst, nicht aber den Anspruch auf Vorschuss und Ersatz der Selbstvornahmekosten aus, wie der BGH in seiner Entscheidung vom 22.02.2018 (IBR 2018, 196; IBR 2018, 197; IBR 2018, 208; IBR 2018, 300) ausdrücklich klargestellt hat. Mit der gleichzeitigen Anerkennung eines Schadensersatzes in Form eines zweckgebundenen, abrechenbaren Vorschusses nimmt der BGH dieser Argumentation aber etwas von ihrer Überzeugungskraft. Am 13.03.2020 wird voraussichtlich der für das Grundstücksrecht zuständige V. Zivilsenat darüber entscheiden, ob die Rechtsprechung auch für das Kaufrecht gilt. In diesem Zusammenhang ist auch die Vorlage an den Großen Senat für Zivilsachen nicht ganz ausgeschlossen.
VorsRiOLG Thomas Manteufel, Köln
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