1. Von einem Unternehmer, der auf dem Grundstück seines Auftraggebers Bäume fällen soll, kann erwartet werden, dass er sich zur Vermeidung von Schäden am Eigentum Dritter über die Grenzen des Bereichs, in dem er Bäume fällen soll, vergewissert.
2. Hat der Unternehmer die Grenzen des Bereichs, in dem er Bäume fällen soll, mit der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt in Augenschein genommen, ist ihm kein Fahrlässigkeitsvorwurf zu machen.
3. Der Unternehmer ist Fachmann in Bezug auf das "Wie" seiner Arbeiten; wo diese durchzuführen sind, das Abstecken der Grenzen des Geländes, das ihm zur Verfügung gestellt wird, ist Sache des Auftraggebers.
OLG Brandenburg, Urteil vom 28.10.2020 - 4 U 49/20
BGB § 241 Abs. 2, §§ 276, 687 Abs. 1, § 823 Abs. 1, 2, § 831; VOB/B § 3 Abs. 2, 3
Problem/Sachverhalt
Der Eigentümer mehrerer bewaldeter Flurstücke und sein Nachbar, ebenfalls Eigentümer bewaldeter Flurstücke, hatten Bauanträge zur Bebauung der Flurstücke gestellt. Sie beauftragten ein gewerblich tätiges Forstunternehmen mit der hierzu erforderlichen Fällung der vorhandenen Bäume. Vor Ausführung der Fäll-Leistungen verschaffte sich das Unternehmen vor Ort einen Überblick über den Umfang der zu erbringenden Leistungen und ließ sich telefonisch vom Eigentümer einweisen. Nach Ausführungen der Leistungen behauptete der Eigentümer, das Unternehmen habe in Verkennung des Umfangs seines Auftrags Fällarbeiten am falschen Ort und im falschen Umfang durchgeführt. Er verklagte das Unternehmen auf Ersatz des Schadens, der ihm durch das unautorisierte Fällen der Bäume entstanden sei.
Entscheidung
Ohne Erfolg! Nach der Ansicht des OLG fehlt es bereits an der für den Schadensersatzanspruch erforderlichen Pflichtverletzung des Unternehmens. Zwar kann von einem gewerblich tätigen Forstunternehmen, das den Auftrag eines privaten Grundstückseigentümers annimmt, auf dessen Grundstück Bäume zu fällen, erwartet werden, dass es sich zur Vermeidung der Gefahr, das Eigentum des Nachbars seines Auftraggebers zu schädigen, hinreichend und in geeigneter Weise der Grenzen des Bereichs vergewissert, in dem es seine Arbeiten ausführen soll. Dieser Pflicht hat das Unternehmen jedoch Genüge getan. Umfang und Inhalt vertraglicher Rücksichtnahme und Informationspflichten hängen jeweils vom Vertragszweck ab. Im Rahmen eines Werkvertrags obliegt es dem Auftraggeber, den räumlichen Bereich festzulegen, in dem die Arbeiten auszuführen sind. Der Werkunternehmer ist Fachmann in Bezug auf das "Wie" der auszuführenden Arbeiten, nicht jedoch in Bezug auf das "Wo". Diese Risikoverteilung ergibt sich auch aus § 3 Abs. 2 VOB/B, wonach das Abstecken der Grenzen des Geländes, das dem Auftragnehmer zur Verfügung gestellt wird, Sache des Auftraggebers ist.
Praxishinweis
Das Gericht erkennt zu Recht, dass es die Aufgabe des Auftraggebers ist, den inhaltlichen und räumlichen Umfang der Werkleistungen festzusetzen. In der Praxis ist trotzdem zu empfehlen, den räumlichen Umfang der Leistungen vertraglich festzuhalten.
RAin Dr. Eva Luig, Berlin
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