Beauftragte Grundleistungen nicht erbracht: Honorar wird gemindert!

OLG Karlsruhe, Urteil vom 15.01.2021 - 8 U 109/14; BGH, Beschluss vom 29.03.2023 - VII ZR 91/21 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen) BGB §§ 633, 634 Nr. 3, §§ 636, 638; HOAI 1996 § 5 Abs. 2, 15 Abs. 2

1. Eine an den Leistungsphasen der HOAI orientierte vertragliche Vereinbarung begründet im Regelfall, dass der Architekt die vereinbarten Arbeitsschritte als Teilerfolg des geschuldeten Gesamterfolges schuldet.
2. Der Auftraggeber kann ohne vorherige Fristsetzung zur Nacherfüllung Minderung verlangen, wenn vereinbarte Grundleistungen nicht oder völlig unbrauchbar erbracht wurden und deren Nacherfüllung für den Auftraggeber nicht mehr von Interesse ist.
3. Eine Minderung scheidet aus, wenn der Bauherr einen behebbaren Mangel rechtzeitig erkennt und ohne vorherige Fristsetzung zur Nacherfüllung selbst beseitigt.
4. Die Bewertung erfolgt, sofern sie sich nicht aus dem Architektenvertrag ergibt, nach den von der Rechtspraxis zu § 5 Abs. 2 HOAI 1996 entwickelten Bewertungstabellen.
5. Die Abnahme ist bei Architektenverträgen, die vor dem Inkrafttreten der HOAI 2013 geschlossen wurden, keine Fälligkeitsvoraussetzung.

OLG Karlsruhe, Urteil vom 15.01.2021 - 8 U 109/14; BGH, Beschluss vom 29.03.2023 - VII ZR 91/21 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)

BGB §§ 633634 Nr. 3, §§ 636638; HOAI 1996 § 5 Abs. 2, 15 Abs. 2

Problem/Sachverhalt

Der Architekt (AN) verlangt vom Bauherrn (AG) klageweise ein Resthonorar in Höhe von rund 16.000 Euro auf Grundlage eines am 11.10.2007 geschlossenen Architektenvertrags, der die Leistungsphasen 1 bis 9 nach HOAI zum Gegenstand hat. Der AG hält dem Honoraranspruch u. a. eine Minderung wegen vertragswidrig nicht erbrachter Grundleistungen entgegen.

Das LG gibt der Klage in voller Höhe statt und hält die geltend gemachte Minderung nicht für durchgreifend. Der AG legt Berufung ein.

Entscheidung

Teilweise mit Erfolg! Sämtliche vom AN erstellten Kostenermittlungen einschließlich der Kostenkontrolle erweisen sich - nach den Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen - als unbrauchbar (vgl. BGH, IBR 2005, 96). Die damit verbundene Abweichung von der vereinbarten Beschaffenheit des Architektenwerks rechtfertigt die Vergütungsminderung.

Gleiches gilt für das Bautagebuch. Zwischen den Parteien ist zwar streitig, ob der AN das Bautagebuch während der Bauausführung führte oder nachträglich anfertigte (vgl. BGH, IBR 2011, 588). Indessen konnte der AN den Beweis, die Grundleistung (rechtzeitig) erbracht zu haben, nicht führen. Mangels Abnahme trifft den AN die Darlegungs- und Beweislast für die Mangelfreiheit seiner Leistungen.

Die weiteren vom AG geltend gemachten Mängel, darunter Fehler im Zusammenhang mit der Rechnungsprüfung und Abnahme der Bauleistungen, greifen nicht durch. Dies insbesondere, soweit der AG - bei fortbestehendem (Nach-)Erfüllungsinteresse - die Mängel selbst beseitigt hat, ohne vorher eine Frist zu Nacherfüllung gesetzt zu haben. Der Honoraranspruch ist schließlich trotz fehlender Abnahme fällig (vgl. BGH, Urteil vom 19.06.1986 - VII ZR 221/85IBRRS 2011, 4352).

Gegen die vertragliche Regelung, wonach das Honorar fällig wird, wenn der Architekt die Leistungen vertragsgemäß erbracht und eine prüfbare Rechnung überreicht hat, bestehen keine Wirksamkeitsbedenken (OLG Düsseldorf, IBR 1995, 439).

Praxishinweis

Das OLG Karlsruhe setzt die sog. Teilerfolgsrechtsprechung des BGH - anders als zuletzt das OLG Celle (IBR 2024, 2412023, 579) - konsequent um. Die Entscheidung verdeutlicht auch:

Um die Rechtsfolgen einer unberechtigten Selbstvornahme einschließlich des Verlusts des Minderungsrechts zu vermeiden, bedarf es bezüglich der ausstehenden Grundleistung grundsätzlich einer vorherigen Fristsetzung zur Nacherfüllung (OLG Brandenburg, IBR 2014, 423).

RA Thomas Ryll, Ludwigshafen

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