Bauvorhaben ist "Herzenssache": Kein Schadensersatz trotz höherer Kosten!

OLG Schleswig, Beschluss vom 15.01.2021 - 1 U 66/20; BGH, Beschluss vom 14.12.2022 - VII ZR 118/21 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen).

1. Der Architekt verletzt regelmäßig seine Vertragspflichten, wenn er ohne verlässliche Kenntnis von den wirtschaftlichen Möglichkeiten des privaten Auftraggebers die Planung eines Wohnhauses vornimmt (BGH, IBR 2013, 284).
2. Jeder Bauherr ist gut beraten, die Kosten des Bauvorhabens zuvor zu kalkulieren und einen Puffer einzuplanen. Daraus kann aber nicht geschlossen werden, dass es ihm darauf ankommt die genannten Baukosten einzuhalten.
3. An der Verursachung eines Schadens durch eine fehlerhafte Kostenschätzung oder Kostenkontrolle fehlt es, wenn der Bauherr trotz ansteigender Baukosten an der Verwirklichung des unveränderten Vorhabens festhält oder gar Mehrkosten verursacht.

OLG Schleswig, Beschluss vom 15.01.2021 - 1 U 66/20; BGH, Beschluss vom 14.12.2022 - VII ZR 118/21 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)

BGB §§ 633634 Nr. 4

 

Problem/Sachverhalt

Bauherr B beabsichtigt den Umbau eines Wasserturms zu Wohnzwecken. Architekt A soll mit den erforderlichen Planungs- und Überwachungsleistungen beauftragt werden. Vor Vertragsschluss legt A am 22.05.2009 eine erste "Kostenschätzung" vor, die auf 595.000 Euro brutto endet. Eine am Folgetag erstellte "Kostenschätzung" weist demgegenüber 798.990 Euro brutto aus. Im Mai 2010 wird ein Förderantrag mit ausgewiesenen Baukosten von 884.170 Euro brutto gestellt. Die tatsächlichen Baukosten liegen bei deutlich über 1 Mio. Euro. Dennoch hält B an einer gehobenen Ausstattung des Gebäudes fest, auch lässt er die nicht von A geplanten Außenanlagen so hochwertig wie ursprünglich beabsichtigt erstellen. B nimmt A wegen Baukostenüberschreitung auf Schadensersatz i.H.v. 350.000 Euro in Anspruch.

Entscheidung

Ohne Erfolg! B hätte bereits keine Vereinbarung einer Baukostenobergrenze schlüssig vorgetragen. Aus der Natur des Bauprojekts ergebe sich keine Erforderlichkeit einer Kostengrenze. Es habe sich um ein Liebhaberobjekt zu Wohnzwecken gehandelt. Zunächst hätte B auf die Kostenschätzung vom 22.05.2009 abgestellt, dann aber eingeräumt, dass dieser Betrag zur Reduzierung der Architektenkosten niedrig angesetzt worden sei. Erst sechs Jahre nach Prozessbeginn hätte B eine absolute Grenze für die Gesamtkosten von 1 Mio. Euro eingebracht. Dafür, dass er letztlich bereit gewesen wäre, die entstandenen Kosten zu akzeptieren, spreche seine Begeisterung für das Projekt. Der Umbau eines Wasserturms zu Wohnzwecken sei nicht alltäglich. Er sei einer eigenen kreativen Idee des B entsprungen. Er hätte für das Projekt "gebrannt", es sei ein "ganz großer Idealismus" vorhanden gewesen. Es sei zwar plausibel, dass sich B ein Budget gesetzt hätten. Ob er aber nicht bereit gewesen wäre, höhere Kosten zu finanzieren, lasse sich nicht sagen. Jedenfalls stellten seine finanziellen Möglichkeiten keine objektive Grenze für die nach seiner Behauptung entstandenen Baukosten dar. Er sei von Anfang an in der Lage gewesen, die höheren Baukosten zu finanzieren. An der Verursachung eines Schadens durch eine fehlerhafte Kostenschätzung oder Kostenkontrolle fehle es zudem, wenn der Bauherr trotz ansteigender Baukosten an der Verwirklichung des unveränderten Vorhabens festhalte oder gar Mehrkosten verursache (OLG Stuttgart, BauR 2000, 1893).

Praxishinweis

"Das Werk des Architekten beginnt mit dem Taschenrechner", so hat es Seifert (FS Leupertz, S. 711 ff.) auf den Punkt gebracht. Das gilt auch für "Liebhaberprojekte" und vermögende Bauherren. Letztere haben es allerdings schwerer, einen Schaden nachzuweisen, der auf einer Kostenüberschreitung beruht. Denn wenn sie das Bauvorhaben zu Ende bringen, entsteht ihnen letztlich kein Vermögensschaden, da "das Geld vom Konto in das Bauwerk wandert", aber nicht weg ist.

 

RA und FA für Bau- und Architektenrecht Prof. Dr. Heiko Fuchs, Mönchengladbach 

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