Bauträger macht Umsatzsteuererstattung geltend: Kann Unternehmer Zahlung an sich verlangen?

BGH, Urteil vom 17.05.2018 - VII ZR 157/17

1. Sind ein Bauunternehmer und ein Bauträger bei einem zwischen ihnen vor Erlass des Urteils des Bundesfinanzhofs vom 22.08.2013 (IBR 2014, 49) abgeschlossenen und durchgeführten Bauvertrag übereinstimmend von der Steuerschuldnerschaft des Bauträgers gemäß § 13b Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 1 UStG 2011 ausgegangen und hat der Bauträger die auf die erbrachten Leistungen des Bauunternehmers entfallende Umsatzsteuer an das Finanzamt abgeführt, steht dem Bauunternehmer aufgrund einer ergänzenden Vertragsauslegung ein Anspruch auf Zahlung des Umsatzsteuerbetrags zu, wenn der Bauträger Erstattung der Steuer verlangt und deshalb für den Bauunternehmer die Gefahr entsteht, wegen der Heranziehung als Steuerschuldner gemäß § 27 Abs. 19 UStG die Umsatzsteuer abführen zu müssen.*) 2. Die Verjährung dieses Anspruchs beginnt in einem solchen Fall gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Erstattungsantrag gestellt ist und der Bauunternehmer davon Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste.*)

BGH, Urteil vom 17.05.2018 - VII ZR 157/17

BGB §§ 157, 199; UStG § 27 Abs. 19, UStG 2011 § 13b Abs. 2, 5

Problem/Sachverhalt

Ein Bauträger (B) beauftragt einen Unternehmer (U) mit Installationsarbeiten. 2011 legt U vereinbarungsgemäß Schlussrechnung über 9.3397,76 Euro netto. In der Rechnung heißt es: "Die Umsatzsteuer für diese umsatzsteuerpflichtige Leistung schuldet der Leistungsempfänger gem. § 13b UStG." B zahlt den Rechnungsbetrag und führt die Umsatzsteuer von 1.785,57 Euro an das Finanzamt ab. Dies entspricht der damaligen Praxis aller Finanzämter. Mit der im 1. Leitsatz zitierten Entscheidung legt der BFH die Umsatzsteuerrichtlinie einschränkend dahin aus, dass es für den Übergang der Steuerschuldnerschaft darauf ankommt, ob der Leistungsempfänger die an ihn erbrachte bauwerksbezogene Werklieferung selbst zur Erbringung einer solchen Leistung verwendet. Dies trifft für B nicht zu. 2013 beantragt B daher die Erstattung der von ihm entrichteten Umsatzsteuer, was das Finanzamt U mitteilt. Auf dessen Hinweis storniert U die Rechnung und übersendet B eine den Umsatzsteuerbetrag enthaltende Rechnung. Eine Abtretung nach § 27 Abs. 9 Satz 3 UStG, wonach die Zahlung mit Wirkung an Zahlungs Statt an das Finanzamt erfolgt, nimmt U nicht vor. U verlangt von B mit der 2016 erhobenen Klage die Zahlung des offenen Umsatzsteuerbetrags. B wendet Verjährung ein.

Entscheidung

U hat einen Anspruch auf Zahlung des in der "neuen" Rechnung ausgewiesen Umsatzsteuerbetrags. Bis zu dem zitierten Urteil des BFH entsprach es der Praxis, die Umkehr der Umsatzsteuerschuldnerschaft bei Bauträgern anzunehmen, wovon erkennbar der Vertrag zwischen U und B ausgeht. Es liegt eine planwidrige Regelungslücke vor, weil die Parteien die Gefahr übersehen haben, dass U die Umsatzsteuer abführen muss. Liegt - wie hier - eine ausfüllungsbedürftige Regelungslücke vor, ist im Wege ergänzender Vertragsauslegung zu ermitteln, was die Parteien geregelt hätten, wenn sie den ungeregelten Fall bedacht hätten. Da B nach dem Vertrag sowieso - nämlich durch Direktzahlung an das Finanzamt - die Umsatzsteuer hätte tragen sollen, hätten die Parteien eine um den Umsatzsteuerbetrag erhöhte Vergütung vereinbart. Der Anspruch ist auch nicht verjährt, da der Erstattungsantrag von B erst 2013 gestellt wurde.

Praxishinweis

Der BGH löst ein großes Problem praxisnah mit lesenswerter Begründung.

RA und FA für Bau- und Architektenrecht Dr. Achim Olrik Vogel, München 

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