Bauleiter darf die Augen vor offensichtlichen Mängeln nicht verschließen!

OLG Saarbrücken, Urteil vom 04.03.2015 - 1 U 84/13; BGH, Beschluss vom 21.09.2016 - VII ZR 42/15 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)

1. Der Auftragnehmer verschweigt einen Mangel arglistig, wenn ihm bewusst ist, dass dieser für den Auftraggeber von Erheblichkeit ist und er ihn trotzdem nicht offenbart.

2. Einem Auftragnehmer ist nur die Arglist der Mitarbeiter zuzurechnen, derer er sich bei der Erfüllung seiner Offenbarungspflicht gegenüber dem Auftraggeber bedient. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn er einen Bauleiter (auch) mit der Prüfung des Werks auf Mangelfreiheit betraut hat und er sich dessen Angaben ungeprüft zu Eigen macht.

OLG Saarbrücken, Urteil vom 04.03.2015 - 1 U 84/13; BGH, Beschluss vom 21.09.2016 - VII ZR 42/15 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)

BGB a.F. § 638 Abs. 2; BGB § 199 Abs. 1, 3, §§ 278, 633, 634a Abs. 1, 3, § 637 Abs. 3; EGBGB Art. 229 § 6 Abs. 4; VOB/B § 13 Nr. 5 Abs. 2

Problem/Sachverhalt

Der Auftraggeber (AG) beauftragte den Auftragnehmer (AN) 1995 und 1997 mit der Planung, Herstellung und Montage der Decken in den Fluren eines Versicherungsneubaus. Im Juli 2010 lösten sich in einem Teilbereich die abgehängten Decken. Im sodann eingeleiteten selbständigen Beweisverfahren wurden schwer wiegende Material- und Montagefehler festgestellt. Der Einbau einer neuen feuerhemmenden Unterdecke war erforderlich. Der AG begehrt vom AN einen Vorschuss für den Mängelbeseitigungsaufwand i.H.v. 120.000 Euro. Der AN beruft sich auf Verjährung.

Entscheidung

Ohne Erfolg! Den AN trifft der Vorwurf des arglistigen Verschweigens der Mängel bei der Abnahme. Auch wenn der Bauvertrag vor der Schuldrechtsreform geschlossen worden war, verjährt der Vorschussanspruch gem. § 638 Abs. 2 BGB a.F. i.V.m. Art. 229 § 6 Abs. 4 EGBGB i.V.m. § 634a Abs. 1 Nr. 2, § 634a Abs. 3, § 199 Abs. 1 Nr. 2, § 199 Abs. 3 BGB erst drei Jahre nach Kenntniserlangung von den Mängeln. Der AN muss sich das arglistige Verschweigen der Mängel durch den von ihm eingesetzten Bauleiter gem. §§ 276, 278 BGB zurechnen lassen. Das OLG lässt offen, ob sich der Arglistvorwurf aus einem Organisationsverschulden des AN ergibt. Hierzu wäre erforderlich, dass der AN Personal zur Erfüllung seiner Offenbarungspflicht bei der Abnahme eingesetzt hätte, von dem er weiß oder hätte wissen müssen, dass es seiner Überwachungs- und Mitteilungspflicht nicht regelgerecht nachkommt. Jedenfalls haftet der AN schon deshalb, weil der von ihm zur Prüfung des Werks auf Mängel eingesetzte Bauleiter die Augen vor offensichtlichen Mängeln verschlossen hat und die Mangelhaftigkeit billigend in Kauf genommen hatte. Die Mängel waren derart evident und gravierend, dass sie einem fachkundigen Bauleiter nicht verborgen bleiben konnten. Die Kenntnis des Bauleiters muss sich der AN zurechnen lassen. Dieser ist Erfüllungsgehilfe des AN, weil er mit der Ablieferung des Werks an den AG betraut war bzw. zentral verantwortlich dabei mitgewirkt hatte. Allein die Kenntnis seines Personals versetzt den AN in die Lage, seiner Offenbarungspflicht bei der Abnahme regelgerecht zu genügen.

Praxishinweis

Erscheinen Mängel erst nach Ablauf der Gewährleistungsfrist des § 634a Abs. 1 BGB, wird der Vorwurf der arglistigen Täuschung als Einfallstor zur Durchsetzung von Gewährleistungsansprüchen genutzt. Handelt der AN nicht persönlich, sondern arbeitsteilig, kommt eine arglistige Täuschung nur in Betracht bei einem Organisationsverschulden des AN oder wenn ihm das arglistige Verschweigen eines Mitarbeiters zuzurechnen ist, den er als seinen Erfüllungsgehilfen bei der Offenbarungspflicht, über Mängel aufzuklären, eingesetzt hat (vgl. BGH, NZBau 2014, 31). Die Schwere eines Mangels lässt nicht ohne Weiteres auf eine Verletzung der Organisationspflicht schließen. Entscheidend ist, ob der AN Personal zur Erfüllung seiner Offenbarungspflicht einsetzt, von dem er weiß, dass es dieser Pflicht nicht nachkommen wird oder nicht nachkommen kann. Gleiches gilt, wenn er zwar ein entsprechendes Wissen nicht hat, aber die Augen vor dieser Erkenntnis verschließt (vgl. BGH, IBR 2009, 90).

RiOLG Birgitta Bergmann-Streyl, Mönchengladbach