Baustelle Bauhandwerksicherheit

Bauhandwerkersicherheit auch nach Kündigung!

OLG Naumburg, Urteil vom 10.02.2022 - 2 U 176/20 BGB a.F. §§ 648a, 649; BGB §§ 648, 650f

Einem Sicherungsverlangen des Bauhandwerkers nach § 648a BGB a.F. bzw. § 650f BGB n.F. steht nicht entgegen, dass der Unternehmer das Vertragsverhältnis wegen der Nichterfüllung des Sicherungsverlangens bereits gekündigt hat.*)

OLG Naumburg, Urteil vom 10.02.2022 - 2 U 176/20

BGB a.F. §§ 648a649; BGB §§ 648650f

 

Problem/Sachverhalt

Der Auftragnehmer (AN) verlangt vom Auftraggeber (AG) jeweils unter Fristsetzung die Stellung von Bauhandwerkersicherheiten aus einem im Jahr 2017 und einem im Jahr 2018 geschlossenen VOB/B-Bauvertrag. Nach fruchtlosem Fristablauf kündigt der AN die beiden Bauverträge und stellt Schlussrechnungen über erbrachte Leistungen und für nicht erbrachte Leistungen. Nach gescheiterten Vergleichsversuchen klagt der AN auf Stellung der beiden Sicherheiten. Das Landgericht weist die Klage ab. Der AN verfolgt den Anspruch in der Berufung weiter.

Entscheidung

Für den Bauvertrag vom 15.03.2017 gilt nach Art. 229 § 39 Abs. 1 EGBGB das BGB in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung, d. h. § 648a BGB a.F. Für den Bauvertrag vom 14.08.2018 gilt § 650f BGB. Für beide Bauverträge gilt die VOB/B 2016. Die Kündigungen des AN stehen dem Sicherungsverlangen nicht entgegen. In seiner Grundsatzentscheidung aus dem Jahr 2014 (IBR 2014, 344) hat der BGH für die Kündigung des Bestellers einerseits das Fortbestehen eines Sicherungsanspruchs des Unternehmens (trotz Wegfalls der Vorleistungspflicht) und andererseits eine Erstreckung dieses Anspruchs auch auf eine Vergütung für nicht erbrachte Leistungen im Sinne einer - alternativ in Betracht kommenden - Vergütung nach § 649 BGB a.F. angenommen. Im vorliegenden Fall fehlt es an einer Kündigungserklärung des Bestellers und damit auch an der Möglichkeit des Rückgriffs auf eine Vergütung nach § 8 Abs. 1 VOB/B (2016).

Die im offiziellen Leitsatz der Entscheidung des BGH zum Ausdruck kommende Rechtsansicht, wonach der Unternehmer vom Besteller nach einer Kündigung - ungeachtet dessen, von wem sie ausgesprochen wird - eine Sicherheit nach § 648a BGB a.F. verlangen kann, ist nach den Erwägungen des VII. Zivilsenats des BGH auch auf den vorliegenden Fall übertragbar. Denn der Sicherungsanspruch besteht nach dieser Auffassung deswegen auch nach einer Kündigung, weil das Gesetz in seinem Wortlaut keine Beschränkungen in dieser Hinsicht enthält, weil es bezweckt, dass dem Unternehmer solange ein Sicherungsinstrument zur Verfügung steht, wie sein Sicherungsinteresse fortbesteht, d. h. insbesondere solange sein Vergütungsanspruch nicht vollständig befriedigt ist.

Das zeigt sich auch in der Regelung selbst, denn jeweils in Absatz 1 ist von der gesamten vereinbarten Vergütung die Rede, die der Unternehmer verlangen und deswegen auch sichern darf, und jeweils in Absatz 5 Satz 2 wird der Vergütungsanspruch für den Fall der vom Unternehmer erklärten Kündigung nach Absatz 5 Satz 1 reduziert. Darf der Unternehmer die Vergütung für nicht erbrachte Leistungen aufgrund des Vertrags verlangen, so sind diese Forderungen auch vom Sicherungsanspruch umfasst. Das Sicherungsverlangen eines Unternehmers entfällt zwar, wenn es sich als rechtsmissbräuchlich herausstellt (vgl. OLG Frankfurt, IBR 2007, 248). Das ist aber nicht schon dann der Fall, wenn dem Sicherungsverlangen des Unternehmers auch andere Motive als die bloße Erlangung einer Sicherheit zu Grunde liegen (vgl. BGH, IBR 2018, 74).

Praxishinweis

Die Entscheidung setzt die dargestellten Grundsätze der Rechtsprechung des BGH zutreffend um. Die Kündigungen stehen dem Sicherungsanspruch dem Grunde nach nicht entgegen. Auch das OLG Hamburg (IBR 2019, 376) hatte dies bereits entschieden. Die Kündigungen haben aber Einfluss auf die Höhe der offenen Vergütung und damit auch auf die Höhe des Anspruchs auf Sicherheit. Deren schlüssige Darlegung kann bei gekündigten Verträgen besondere Schwierigkeiten bereiten.

 

Rechtsanwalt Dr. Oliver Koos, Frankfurt a.M.

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