1. Dem Auftraggeber sind mangelhafte Leistungen des Vorunternehmers regelmäßig nicht im Wege des Mitverschuldens gem. § 254 Abs. 1, § 278 BGB zuzurechnen, weil der Vorunternehmer nicht als Erfüllungsgehilfe des Auftraggebers einzustufen ist.
2. Das von § 254 Abs. 1 BGB vorausgesetzte Verschulden des Geschädigten setzt ein Verschulden in eigenen Angelegenheiten, mithin die Verletzung von Obliegenheiten voraus. Hierzu können auch die dem Besteller obliegenden Mitwirkungshandlungen zur Erfüllung des Bauvertrags zählen. Bei der Prüfung des Mitverschuldens nach § 254 BGB sind aber die Grundsätze zum Schutzzweck der Norm zu beachten.
OLG Hamm, Urteil vom 10.07.2024 - 12 U 80/22
BGB §§ 254, 278
Problem/Sachverhalt
Der Auftraggeber (AG) beauftragte im Zuge der Errichtung einer Kita den Auftragnehmer (AN) mit Heizungsinstallationsarbeiten einschließlich des Anschlusses einer Heizungsanlage an einen Pufferspeicher. Mit der Lieferung des Pufferspeichers wiederum hatte der AG einen anderen Unternehmer beauftragt.
Nach Ausführung der Arbeiten kam es zu einem Wasserschaden. Technische Ursache für den Wasserschaden war ein im Pufferspeicher versehentlich verbliebener provisorischer Kunststoffstopfen. Es stellte sich heraus, dass der Lieferant des Pufferspeichers den nur zum Zwecke des Transports versehenen provisorischen Stopfen nicht gegen den mitgelieferten Gewindestopfen ausgetauscht hatte.
Nachdem der AN den Pufferspeicher - über separate Anschlüsse - an die Heizungsanlage anschloss und die Anlage in Betrieb nahm, hielt der verbliebene Kunststoffstopfen nicht stand, wodurch es zu einem erheblichen Wasseraustritt kam. Der Gebäudeversicherer des AG machte daraufhin gegen den AN Schadensersatz aus übergegangenem Recht geltend.
Entscheidung
Mit Erfolg! Insbesondere muss sich der AG die mangelhafte Vorunternehmerleistung des Lieferanten, nämlich das Belassen eines Kunststoffstopfens in einem der Anschlüsse des Pufferspeichers, nicht als Mitverschulden gem. § 254 Abs. 1, § 278 BGB zurechnen lassen.
Nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. Urteil vom 27.06.1985 - VII ZR 23/84, IBRRS 1985, 0541; Urteil vom 21.10.1999 - VII ZR 185/98, IBRRS 2000, 0800), der der Senat folgt, sind dem AG mangelhafte Leistungen des Vorunternehmers regelmäßig nicht im Wege des Mitverschuldens gem. § 254 Abs. 1, § 278 BGB zuzurechnen, weil der Vorunternehmer nicht als Erfüllungsgehilfe des AG einzustufen ist. § 254 Abs. 1 BGB setzt die Verletzung von Obliegenheiten voraus, so dass hierzu auch die dem Besteller obliegenden Mitwirkungshandlungen zur Erfüllung des Bauvertrags zählen können.
Bei Prüfung des Mitverschuldens nach § 254 BGB sind aber die Grundsätze zum Schutzzweck der Norm zu beachten. Die Vorschrift setzt daher voraus, dass die vom Geschädigten verletzte Obliegenheit den Zweck hatte, Schäden wie den eingetretenen (nach Art und Entstehungsweise) zu verhindern.
Dabei kann dahinstehen, ob überhaupt auch im Rahmen des § 254 BGB eine Obliegenheit des Bestellers anzunehmen ist, dem AN eine mangelfreie Vorunternehmerleistung zur Verfügung zu stellen. Jedenfalls kann - anders als beim Planungsverschulden - hier nicht davon ausgegangen werden, dass die (unterstellt) verletzte Obliegenheit, eine mangelfreie Vorunternehmerleistung des Lieferanten zur Verfügung zu stellen, gerade auch dem Zweck gedient hat, vor einer Schädigung infolge einer mangelhaften Leistung des AN zu schützen.
Praxishinweis
Dass der AG dem AN mangels anderweitiger Vereinbarung keine mangelfreie Vorunternehmerleistung schuldet, ist ständige höchstrichterliche Rechtsprechung und entspricht zuletzt dem "Glasfassadenurteil" des BGH (Urteil vom 27.11.2008 - VII ZR 206/06, IBRRS 2009, 0005). Wie Jurgeleit im Kompendium des Baurechts (5. Aufl.) unter Teil 5, Rz. 100 andeutet, hatte auch das OLG im Termin signalisiert, dass diese Rechtsprechung aber auf dem Prüfstand steht.
Entscheidend ist immer die Frage, ob der Schutzzweck der verletzten Obliegenheit (= mangelhafte Vorunternehmerleistung) ist, den Schädiger/AN vor der schädigenden Handlung (= mangelhafte Leistung des AN) zu bewahren (ablehnend insoweit Gartz, BauR 2010, 703; differenzierend nach Art der Vorunternehmerleistung Jurgeleit im Kompendium des Baurechts a.a.O.).
Dem Urteil des OLG Hamm kann entnommen werden, dass es insoweit (nunmehr) auf den Einzelfall der Vorunternehmerleistung abstellen will.
RAin Sarah Kothe, Münster
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