Architekt verstößt gegen die Berufsordnung: Auftraggeber kann Planervertrag kündigen!

OLG Stuttgart, Urteil vom 18.10.2022 - 10 U 99/22 (nicht rechtskräftig)

1. Wer die Erfüllung des Architektenvertrags mit dem Argument verweigert, es sei kein Vertrag zu Stande gekommen, erklärt damit nicht zugleich die konkludente Kündigung.
2. Wird der Geschäftsführer und "projektbetreuende Partner" der mit Architektenleistungen beauftragten Planungsgesellschaft wegen schwerer Verstöße gegen gesetzliche Berufspflichten aus der Architektenliste zwangsweise gelöscht, kann dies die außerordentliche Kündigung des Architektenvertrags durch den Besteller rechtfertigen.

OLG Stuttgart, Urteil vom 18.10.2022 - 10 U 99/22 (nicht rechtskräftig)

ArchG-BW §§ 26; BGB a.F. § 649; BGB §§ 314648

 

Problem/Sachverhalt

Während der Erarbeitung der Planung für ein Bauvorhaben kommt es zum Zerwürfnis zwischen dem Besteller (Gemeinde) und der beauftragten Planungsgesellschaft. Der Gemeinderat beschließt 2013, den durch den Bürgermeister geschlossenen Vertrag nicht zu genehmigen. Die Gemeinde verweigert die Zahlung weiterer Vergütungsabschläge auf den "mangels Genehmigung unwirksamen" Vertrag und klagt auf Rückzahlung der bezahlten Abschläge von 215.000 Euro. Die Planungsgesellschaft erhebt Widerklage auf 950.000 Euro weiteres Honorar. Nachdem ein Zwischenfeststellungsurteil über die Unwirksamkeit des Vertrags erging (OLG Stuttgart, IBR 2016, 293), klärt der BGH, dass der Vertrag aus kommunalrechtlichen Gründen wirksam ist (BGH, IBR 2017, 438), und das Klageverfahren wird weitergeführt. Es kommen umfangreiche berufsrechtliche Verfehlungen beider Gesellschafter/Geschäftsführer der Planungsgesellschaft ans Licht, die zu berufsgerichtlichen Verurteilungen und zu Zwangslöschungen aus der von der Architektenkammer Sachsen geführten Architektenliste führen. Der Besteller erklärt die Kündigung des Planungsvertrags aus wichtigem Grund. Die Planungsgesellschaft macht geltend, die Kündigung laufe ins Leere, denn die Gemeinde habe bereits 2013 die Erfüllung des Vertrags ernstlich verweigert und dadurch konkludent gekündigt - allerdings ohne Kündigungsgrund. Die freie Kündigung führe zum Vergütungsanspruch nach § 648 BGB (§ 649 BGB a.F.).

Entscheidung

Das Verhalten des Bestellers in 2013 ist im vorliegenden Fall nicht als Kündigung auszulegen. Mit der Geltendmachung der Unwirksamkeit des Vertrags ab 2013 hat der Besteller eine (falsche) Rechtsauffassung geäußert, aber keine Gestaltungserklärung abgegeben. 2013 lag also keine freie Bestellerkündigung vor. Die 2018 erfolgte außerordentliche Kündigung des Bestellers lief nicht ins Leere und war wirksam. Nicht bereits die Löschungen aus der Architektenliste, aber die den berufsrechtlichen Verurteilungen und Löschungen zu Grunde liegenden Sachverhalte haben das zur Abwicklung des Architektenvertrags notwendige Grundvertrauen des Bestellers zerstört. Deshalb waren auch keine Abmahnung und Fristsetzung zur Abhilfe (§ 314 Abs. 2 Satz 3 BGB) nötig. Für erbrachte Leistungen darf die Planungsgesellschaft 147.000 Euro Vergütung behalten, 68.000 Euro muss sie zurückzahlen. Ihre Widerklage wird abgewiesen.

Praxishinweis

Ob dem Handeln oder den Erklärungen einer Vertragspartei der unbedingte Wille zu entnehmen ist, einen bestehenden (oder eventuell bestehenden!) Vertrag ex nunc zu beenden, ist immer eine Sachverhaltsfrage des Einzelfalls. Dass das Fehlen der Zuverlässigkeit des Architekten ein Kündigungsgrund ist, ist seit Jahren ständige Rechtsprechung.

 

RA und FA für Bau- und Architektenrecht, FA für Verwaltungsrecht Rainer Fahrenbruch, Dresden

Anmerkung der Redaktion

Gegen das Urteil wurde Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH eingelegt (Az.: VII ZR 191/22).

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