Architekt schuldet weder eine Ideallösung noch eine optimale Planung!

OLG Schleswig, Urteil vom 09.03.2022 - 12 U 16/21 BGB §§ 633 ff.

1. Der Architekt schuldet keine optimale Planung. Er muss nicht die Lösung wählen, die am besten geeignet ist.
2. Macht der Bauherr bestimmte Vorgaben - hier für die Höhenlage des Gebäudes -, sind diese für den Architekten verbindlich; eine Abweichung hiervon führt regelmäßig zu einem Mangel des Architektenwerks.
3. Hat die vom Architekten vorgeschlagene und realisierte Planungsvariante zu Mehrkosten geführt, kann eine Pflichtverletzung nicht angenommen werden, wenn sich die Mehrkosten in einem Toleranzrahmen von 30% halten.
4. Bei Verletzung von Aufklärungspflichten kann nicht ohne Weiteres ein beratungsgerechtes Handeln unterstellt werden. Eine typisierende Betrachtungsweise, wonach davon auszugehen sei, dass sich der Auftraggeber bei der geschuldeten Aufklärung sachgerecht verhalten hätte, verbietet sich.

OLG Schleswig, Urteil vom 09.03.2022 - 12 U 16/21

BGB §§ 633 ff.

Problem/Sachverhalt

Der Bauherr beauftragt den Architekten bei der Errichtung seines Einfamilienhauses u. a. mit der Planung. Der Vertrag sieht einen Höhenunterschied von 18 cm zwischen Oberkante Gelände und Fertigfußboden vor. Dieser Höhenunterschied wird in der Ausführung nicht eingehalten.

Der Architekt plant das Objekt in einer Höhe, die die Errichtung einer Drainage erforderlich macht; diese wird ohne Rücksprache mit dem Bauherrn geplant und entsprechend ausgeführt. Hierdurch entstehen Mehrkosten gegenüber einer höheren Anordnung des Gebäudes von ca. 30%. Der Bauherr verlangt vom Architekten die Kosten für eine Höherlegung i.H.v. 186.500 Euro als Schadensersatz.

Entscheidung

Ohne Erfolg! Es liegt kein Planungsfehler vor. Der Architekt schuldet keine "optimale" Planung; er hat auch nicht die am besten geeignete Variante auszuwählen. Er war nicht verpflichtet, eine Planungsvariante zu wählen, die eine Drainage entbehrlich machen würde. Allerdings hatte der Architekt die Vorgabe des Bauherrn für den Höhenunterschied von 18 cm zwischen Gelände und Fußboden zu beachten, weil diese verbindlich ist.

Weicht der Architekt hiervon ab, führt dies regelmäßig zu einer mangelhaften Planung. Allerdings konnte der Architekt zur Zeit der Planung die tatsächliche Höhe der ausgeführten Außenanlagen noch nicht kennen. War nach der Planung der vereinbarte Höhenunterschied vorhanden, ist die Planung auch insoweit fehlerfrei.

Zwar hat die Planung der (bei dieser Höhenlage erforderlichen) Drainage zu Mehrkosten geführt; diese bewegen sich jedoch in einem Toleranzrahmen von 30%, der bei Baukostenüberschreitungen üblicherweise angenommen wird.

Es liegt auch keine Verletzung einer Aufklärungspflicht vor, weil der Architekt nicht ohne Weiteres erkennen konnte, dass durch eine Höherlegung die Drainage entfallen würde. Im Übrigen kann bei Verletzung von Aufklärungspflichten nicht ohne Weiteres ein beratungskonformes Verhalten unterstellt werden.

Bei Baukostenüberschreitungen verbietet sich eine typisierende Betrachtung, wonach davon ausgegangen werden kann, dass sich der Bauherr beratungsgerecht verhalten hätte.

Praxishinweis

Ein Planungsfehler kann nicht deshalb verneint werden, weil die Kosten im Rahmen der Toleranz liegen - §§ 633 ff. BGB räumen keinen Toleranzrahmen ein. Es geht nämlich nicht um eine Baukostenüberschreitung, sondern um eine gegebenenfalls fehlerhafte, weil unwirtschaftliche Planung.

Es ist die Aufgabe des Architekten, das Objekt so zu planen, dass überflüssige Kosten vermieden werden. Wäre die Drainage bei einer Höherlegung entfallen, wären Kosten gespart worden. Dies begründet eine Haftung. Daran ändert der Umstand, dass die Kosten innerhalb irgendeiner Toleranz liegen, nichts.

RA und FA für Bau- und Architektenrecht Dr. Walter Klein, Köln 

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