1. Der Architekt kann Zusatzarbeiten im Namen des Bauherrn nur mit entsprechender Vollmacht anordnen.
2. Von einer Anscheinsvollmacht ist auszugehen, wenn der Bauherr dem Architekten allein die Vertragsverhandlungen mit dem Unternehmer überlässt, dieser bereits den Vertrag verhandelt und unterzeichnet hat oder in anderer Weise dem Architekten völlig freie Hand bei der Durchführung des Bauvorhabens lässt, ohne sich selbst um den Bau zu kümmern.
OLG Oldenburg, Urteil vom 08.11.2022 - 2 U 10/22
BGB §§ 631, 633, 812
Problem/Sachverhalt
Der Bauherr (B) beabsichtigte die Errichtung eines Einfamilienhauses. B beauftragte den Architekten (A) mit der Bauüberwachung und -koordinierung sowie mit "Organisations- und Vermittlungsdienstleistungen" zum Zwecke der Bauwerkserrichtung. A nahm auf dieser Grundlage Verbindung zum Unternehmer (U) auf und verhandelte mit diesem einen Pauschalpreisvertrag über Estrich- und Innenputzarbeiten. Dabei klärte A sämtliche vertraglichen und technischen Fragen mit U; B hatte zu keiner Zeit direkten Kontakt mit U. Später verlangt B von U rund 1.600 Euro im Zusammenhang mit einem zusätzlichen Auftrag zurück, der von A erteilt wurde, ohne dass dieser dazu bevollmächtigt gewesen sei. Aus dem zwischen B und U geschlossenen Vertrag ergebe sich, dass B die Beauftragung selbst hätte vornehmen müssen. U habe deshalb wissen müssen, dass A zur (alleinigen) Beauftragung nicht bevollmächtigt gewesen sei.
Entscheidung
B steht kein Rückzahlungsanspruch zu! A hat wirksam einen Zusatzauftrag im Namen des B erteilt. Das Landgericht ist zu Unrecht von einer fehlenden Bevollmächtigung ausgegangen. Vielmehr bestand eine Anscheinsvollmacht des A. Von einer solchen ist auszugehen, wenn der Bauherr dem Architekten allein die Vertragsverhandlungen mit dem Auftragnehmer überlässt, dieser bereits den Vertrag verhandelt und unterzeichnet hat oder in anderer Weise dem Architekten völlig freie Hand bei der Durchführung des Bauvorhabens lässt, ohne sich selbst um den Bau zu kümmern. Diese Voraussetzungen waren hier kumulativ gegeben. U musste deshalb davon ausgehen, dass A bevollmächtigt war, auch die zusätzlichen Arbeiten anzuordnen.
Praxishinweis
Der Fall zeichnet sich dadurch aus, dass der Architekt hier - offenbar mit dem Willen des Bauherrn - in außergewöhnlich hohem Maße autonom handelte. Aus der Entscheidung geht nicht hervor, ob der Bauherr davon wusste (und duldete), dass der Architekt Zusatzaufträge vergibt. In diesem Fall wäre eine Duldungsvollmacht in Betracht zu ziehen gewesen (vgl. OLG Düsseldorf, IBR 2005, 416). Ebenso wenig geht aus der Entscheidung hervor, welchen Inhalt die im Bauvertrag enthaltene Vertretungsregelung hatte. Diese bewog das Landgericht in erster Instanz dazu, die Wirksamkeit der Zusatzbeauftragung abzulehnen. Denn eine - auch formularvertragliche - Regelung im Bauvertrag, die die Vollmacht des Architekten begrenzt, kann die Entstehung des Rechtsscheins einer Bevollmächtigung erschweren, wenn nicht gar ausschließen (vgl. BGH, IBR 1994, 447). So etwa die ausdrückliche Bestimmung, dass der Architekt nicht berechtigt sei, Stundenlohnarbeiten oder Nachträge zu beauftragen (OLG Brandenburg, IBR 2017, 64). Zu beachten ist schließlich, dass eine konkludente Genehmigung vollmachtlosen Handelns in Betracht kommt, wenn der Unternehmer die vollmachtlos beauftragten Zusatzarbeiten abrechnet und der Bauherr sie im Rahmen der Rechnungsprüfung vorbehaltlos "akzeptiert" und bezahlt (zum nachträglichen Anerkenntnis auftragslos erbrachter Leistungen nach § 2 Abs. 8 Nr. 2 Satz 1 VOB/B statt aller: OLG Düsseldorf, IBR 2015, 242; IBR 2024, 393).
RA Thomas Ryll, Ludwigshafen
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