
1. Das Fehlen der nach § 130a Abs. 3 ZPO erforderlichen einfachen Signatur einer auf einem sicheren Übermittlungsweg als elektronisches Dokument eingereichten Klageschrift kann nur dann ausnahmsweise unschädlich sein, wenn sich aus anderen, eine Beweisaufnahme nicht erfordernden Umständen eine der einfachen Signatur vergleichbare zweifelsfreie Gewähr dafür ergibt, dass der Rechtsanwalt die Verantwortung für den Inhalt der Klageschrift übernommen und diese willentlich in den Rechtsverkehr gebracht hat.*)
2. Eine unwirksame Prozesshandlung wird erst von ihrer Heilung an wirksam; eine nach Fristablauf erfolgte Behebung des Mangels ist nicht mehr fristwahrend. Das gilt auch für die materiell-rechtliche Ausschlussfrist des § 45 Satz 1 WEG.*)
BGH, Urteil vom 11.10.2024 - V ZR 261/23
WEG § 45 Satz 1; ZPO § 130a Abs. 3, 4, § 130d Satz 1, § 253 Abs. 4
Problem/Sachverhalt
Der Kläger ist Mitglied einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) und wendet sich gegen anlässlich einer Eigentümerversammlung vom 14.12.2021 gefasste Beschlüsse mit einer beim Amtsgericht mittels beA am 14.01.2022 eingereichten Beschlussmängelklage. Das Dokument beinhaltete einen Briefbogen, in dem nur Rechtsanwalt H namentlich nebst Zusatz "Rechtsanwälte" benannt war. Die Klageschrift war nicht qualifiziert signiert und schloss mit dem Wort "Rechtsanwalt" ab.
Nach Klageabweisung durch das Amtsgericht, vor dem am 07.09.2022 mündlich verhandelt worden war, hat das Landgericht die Berufung des Klägers mit der Begründung zurückgewiesen, die Frist zur Erhebung der Anfechtungsklage gem. § 45 Satz 1 WEG sei nicht gewahrt worden, weil es sowohl an der gem. § 130a Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 ZPO erforderlichen einfachen elektronischen Signatur als auch an einer Namenswiedergabe am Ende des Schriftsatzes fehle. Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner vom Landgericht zugelassenen Revision.
Entscheidung
Ohne Erfolg! Der BGH weist die Revision zurück und führt dabei aus, das Berufungsurteil sei zwar rechtsfehlerhaft, soweit übersehen wurde, dass auf Grundlage des vorgetragenen Sachverhalts Nichtigkeitsgründe trotz Versäumung der Klagefrist von Amts wegen zu prüfen waren, Nichtigkeitsgründe lägen indes nicht vor.
Das am 14.12.2021 mittels beA eingereichte Dokument erfüllte die Anforderungen an eine Klageschrift gem. § 130a Abs. 4, § 253 Abs. 4 ZPO nicht, denn es war nicht mit einer einfachen elektronischen Signatur - etwa einer maschinenschriftlichen Namenswiedergabe oder einer eingescannten Unterschrift - versehen. Ist die Identität zwischen der durch den sicheren Übermittlungsweg als Absender ausgewiesenen Person und der die Verantwortung für das elektronische Dokument übernehmenden Person ohne Sonderwissen nicht feststellbar, ist das Dokument nicht wirksam eingereicht.
Die Identitätsfeststellung war auch anhand der weiteren Umstände nicht möglich, weil im Briefkopf durch die Verwendung des Plural auf mehrere Rechtsanwälte hingewiesen wurde. Zwar wurde der Mangel durch die Antragstellung in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht geheilt, dadurch konnte jedoch die abgelaufene Frist nicht gewahrt werden, weil eine unwirksame Prozesshandlung erst von ihrer Heilung an wirksam wird.
Praxishinweis
Die Entscheidung verdeutlicht die für bestimmende Schriftsätze geltenden formalen Anforderungen und die möglichen Folgen ihrer Nichtbeachtung. Es hätte ausgereicht, wenn als Textabschluss neben der Berufsbezeichnung "Rechtsanwalt" dessen Name wiedergegeben worden wäre, um deutlich zu machen, dass dieser die Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes übernahm und diesen bei Gericht einreichen wollte (BGH, NJW 2022, 3512, 3513, Rz. 11 bis 12).
Zwar können Formmängel nachträglich geheilt und Frist verlängert werden. Jedoch ist dabei zu beachten, dass eine abgelaufene Frist nachträglich nicht mehr verlängert werden kann, so dass z. B. eine Verlängerung der Frist zur Begründung eines Rechtsmittels nicht wirksam sein kann, wenn im Zeitpunkt des Eingangs des Verlängerungsantrags die Frist zur Rechtsmittelbegründung bereits abgelaufen war (BGH, Beschluss vom 10.01.2024 - IV ZR 29/23, IBRRS 2024, 0380; NJW-RR 2017, 577, 578).
RiOLG Cornelius Vowinckel, Hamm
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