Verjährungsbeginn des Ausgleichsanspruchs bei Gesamtschuld zwischen Architekt und Bauunternehmer

In einer ganzen Reihe von Entscheidungen befasste sich der Bundesgerichtshof mit dem Verjährungsbeginn des Ausgleichsanspruches aus § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB. ARGE Baurecht-Mitglied Dr. Alexander Zahn untersucht in diesem Beitrag verschiedene Fallkonstellationen bei einem Gesamtschuldverhältnis zwischen Architekt und Bauunternehmer aufgrund von Baumängeln. Ferner erörtert der Autor die Frage, wie sich § 650t BGB n.F. auf den Beginn der Verjährungsfrist für Gesamtschuldnerausgleichsansprüche des Architekten gegen den Bauunternehmer auswirken wird.

I. Grundlagen zum Verjährungsbeginn

Bei einem Ausgleichsanspruch nach § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB spielt zunächst das subjektive Element  des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB für den Verjährungsbeginn regelmäßig eine wichtige Rolle. Voraussetzung hierfür ist, dass der Ausgleichsberechtigte Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von den Umständen hat, die einen Anspruch des Gläubigers (Bauherr) gegen den Ausgleichsverpflichteten (gegen den anderen Gesamtschuldner) begründen, von denjenigen, die einen Anspruch des Gläubigers gegen ihn selbst begründen, sowie von denjenigen, die das Gesamtschuldverhältnis begründen, und schließlich von den Umständen, die im Innenverhältnis eine Ausgleichspflicht begründen. Diese Voraussetzungen dürften bei Baumängeln üblicherweise erst dann vorliegen, wenn die Ursachen einer Mangelerscheinung bekannt sind, was wiederum regelmäßig nach Vorlage eines Gutachtens der Fall sein wird. Allerdings sind Ausnahmen hiervon gerade aufgrund der beim Architekten vorhandenen bzw. zu erwartenden Kenntnisse vom Bauablauf bei Beauftragung mit Überwachungsleistungen denkbar.

Für den Beginn der Verjährungsfrist muss hinzukommen, dass, der Anspruch i.S.d. § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB entstanden  ist. Der Ausgleichsanspruch aus § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB entsteht nach herrschender Meinung in dem Augenblick, in dem die mehreren Ersatzpflichtigen dem Geschädigten ersatzpflichtig werden, also mit der Entstehung des Gesamtschuldverhältnisses. Er besteht zunächst als Mitwirkungs- und Befreiungsanspruch und wandelt sich erst nach Befriedigung des Gläubigers in einen Zahlungsanspruch um. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes handelt es sich sowohl bei dem Mitwirkungs-, Befreiungs- als auch bei dem Zahlungsanspruch um einen einheitlichen Anspruch, der einer einheitlichen Verjährung unterliegt. Bezifferbarkeit des Ausgleichsanspruchs ist nicht Voraussetzung für den Beginn der Verjährungsfrist. Es genügt die Möglichkeit, eine die Verjährung unterbrechende Feststellungsklage zu erheben.

II. Begründung der Gesamtschuld 

Wann entsteht das Gesamtschuldverhältnis bei Mängeln der Werkleistung des Architekten und des Bauunternehmers? Nach Auffassung des BGH ist dies in dem Augenblick der Fall, in dem sowohl der Architekt als auch der Bauunternehmer dem Geschädigten ersatzpflichtig werden. Architekt und Bauunternehmer müssen nach § 421 Satz 1 BGB dem Bauherrn „eine Leistung“ schulden und der Bauherr muss berechtigt sein, von beiden diese Leistung zu fordern. Dass es sich insoweit um nicht gleichartige Leistungen (Schadenersatzanspruch, gerichtet auf Zahlung gegen den Architekten und Nachbesserungsanspruch gegen den Bauunternehmer) handelt, ist für die Begründung des Gesamtschuldverhältnisses unschädlich. Der Gesetzgeber hat in der Überschrift des § 650t BGB n.F. ausdrücklich das Gesamtschuldverhältnis zwischen ausführendem Unternehmer und bauüberwachenden Architekten angesprochen und damit die Rechtsprechung zur Gesamtschuld erstmalig in eine Rechtsnorm überführt. Die Begründung der Gesamtschuld setzt Folgendes voraus:

1. Das Bauwerk muss errichtet worden sein; die Mängel müssen sich im Bauwerk verkörpert  haben. Andernfalls stünden dem Bauherrn (noch) keine Mängelrechte gegen den Bauunternehmer zu. Gegen den Architekten stünde dem Bauherrn in diesem Fall ebenfalls noch kein Anspruch auf Ersatz des Mangelfolgeschadens (Mangelbeseitigungskosten) zu, sondern allenfalls Nachbesserungsansprüche im Falle des Vorhandenseins noch korrigierbarer Planungsfehler. Jedenfalls wären die Voraussetzungen für ein Gesamtschuldverhältnis zwischen Architekt und Bauunternehmer nicht gegeben.

2. Haben sich der Mangel der Werkleistung des Architekten und der Mangel des Bauunternehmers im Bauwerk verkörpert, sind die Voraussetzungen für ein Gesamtschuldverhältnis grundsätzlich gegeben. Die Rechtsprechung und Stimmen in der Literatur fordern allerdings neben dem Vorhandensein zweier Schuldner die Gleichrangigkeit  bzw. Gleichstufigkeit  der Ansprüche des Gläubigers gegen die beiden Schuldner. Gleichrangigkeit bzw. Gleichstufigkeit ist nicht gegeben, wenn einer der beiden Schuldner nur subsidiär haftet, also z.B. nur das Ausfallrisiko des Gläubigers im Hinblick auf den anderen Schuldner vermindern soll. Im Regelfall ist die Gleichstufigkeit bzw. die Gleichrangigkeit bei Mängeln der Werkleistung des Architekten und des Bauunternehmers zu bejahen. Etwas anderes könnte allerdings dann gelten, wenn Subsidiaritätsklauseln  vertraglich zwischen dem Gläubiger und einem der Schuldner vereinbart wurden. In Architektenverträgen finden sich gelegentlich derartige Subsidiaritätsklauseln mit unterschiedlichem Inhalt.


- Ende des Auszugs - 

Der vollständige Aufsatz „Verjährungsbeginn des Ausgleichsanspruchs bei Gesamtschuld zwischen Architekt und Bauunternehmer“ erschien zuerst in der Fachzeitschrift „baurecht“ (BauR 2017, 1262 - 1266 (Heft 8)). Sie können den Beitrag hier online betrachten und herunterladen.