Neues zur Klageabweisung als „zurzeit unbegründet“ – auch bei fehlender Prüffähigkeit der Schlussrechnung?

Wie mit Werklohnklagen umzugehen ist, wenn mangels prüffähiger Schlussrechnung keine Fälligkeit eingetreten ist, hat der VII. Zivilsenat des BGH schon vor langer Zeit entschieden: Sie sollen grundsätzlich als „zurzeit unbegründet“ abgewiesen werden.

Neuere Entscheidungen des III. und des V. Zivilsenats zur Klageabweisung als „zurzeit unbegründet“ im Zusammenhang mit anderen nicht fälligen Ansprüchen stellen dies allerdings infrage. Denn danach sollen sämtliche Vorfragen bis zur Fälligkeit vorrangig zu prüfen sein. Und das Ergebnis dieser Prüfung soll in materielle Rechtskraft erwachsen, auch wenn die Klage mangels Fälligkeit als „zurzeit unbegründet“ abgewiesen wird. Sollte dies auch für Werklohnklagen gelten, wäre eine Klageabweisung als „zurzeit unbegründet“ ohne Feststellungen zu Grund und Höhe des Anspruchs nicht mehr zulässig. Dann aber könnte auch sogleich auf Leistung erkannt werden. Schließlich wäre es eine sinnlose Förmelei, die Fälligkeit des Werklohns, dessen Höhe bereits gerichtlich festgestellt wurde, noch von einer prüffähigen Schlussrechnung abhängig zu machen.

I. Die bisherige Rechtsprechung des VII. Zivilsenats

Nach § 650g Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BGB ist bei einem Bauvertrag die Vergütung grundsätzlich erst zu entrichten, wenn der Unternehmer dem Besteller eine prüffähige Schlussrechnung erteilt hat. Gleiches gilt über § 650q für Architekten- und Ingenieurverträge. Diese Normen sind zwar erst auf Verträge anzuwenden, die ab dem 01.01.2018 geschlossen wurden (Art. 229 § 39 EGBGB). Bereits zuvor galt Entsprechendes aber für eine Vielzahl von Verträgen aufgrund von §§ 14 Abs. 1, 16 Abs. 3 VOB/B, sonstigen vertraglichen Vereinbarungen oder § 15 Abs. 1 HOAI a.F. In der Folge existiert eine reichhaltige Judikatur zum prozessualen Umgang mit nicht prüffähigen Schlussrechnungen.

1. Abweisung als „zurzeit unbegründet“ bei fehlender Prüffähigkeit

Ist eine prüffähige Schlussrechnung Fälligkeitsvoraussetzung und fehlt es hieran, ist die Klage nach ständiger Rechtsprechung des VII. Zivilsenats des BGH grundsätzlich als „zurzeit unbegründet“ abzuweisen. Dagegen soll die Klage nicht „wegen fehlender Substantiierung“ als endgültig unbegründet abgewiesen werden dürfen. In der obergerichtlichen Rechtsprechung wird formuliert, das Gericht habe schon gar nicht in eine „Schlüssigkeits-/Erheblichkeits-/Richtigkeitsprüfung“ einzutreten. Und in der Literatur heißt es mitunter explizit, selbst wenn die Klage unschlüssig sei, dürfe sie nur als „zurzeit unbegründet“ abgewiesen werden. Auch eine Entscheidung des VII. Zivilsenats impliziert dies.

2. Endgültige Abweisung bei Verlust des Einwandes fehlender Prüffähigkeit

Eine „Sachprüfung“ soll jedoch geboten sein, wenn der Besteller den Einwand fehlender Prüffähigkeit verloren hat. Dies ist vor allem der Fall, wenn der Besteller die fehlende Prüffähigkeit nicht rechtzeitig gerügt hat (früher § 242 BGB jetzt § 650g Abs. 4 Satz 3 BGB, ebenso § 16 Abs. 3 Nr. 1 Satz 3 VOB/B). Darüber hinaus ist dem Besteller die Berufung auf die objektiv fehlende Prüffähigkeit in verschiedenen Konstellationen als treuwidrig verwehrt, da sie kein Selbstzweck und daher entbehrlich ist, soweit dem Informationsinteresse des Bestellers anderweitig genügt ist. In diesen Fällen soll die Klage, sofern sie mangels prüffähiger Schlussrechnung zugleich unschlüssig ist, als „endgültig unbegründet“ abgewiesen werden.

3. Materielle Rechtskraft der Abweisung als „zurzeit unbegründet“

Wird eine Werklohnklage als „zurzeit unbegründet“ abgewiesen, erwächst in materielle Rechtskraft, dass dem Kläger bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung kein fälliger Anspruch zustand. Eine neue Klage ohne neue, die Fälligkeit begründende Tatsachen ist daher unzulässig. Dagegen steht die Abweisung als „zurzeit unbegründet“ einer neuen Klage auf Grundlage einer neuen Abrechnung naturgemäß nicht entgegen. Offengelassen hat der VII. Zivilsenat, ob eine Klageabweisung als „zurzeit unbegründet“ mangels prüffähiger Schlussrechnung präjudiziell für die Frage sein kann, ob der geltend gemachte Anspruch abgesehen von der fehlenden Fälligkeit dem Grunde und der Höhe nach besteht. Überwiegend wurde dies bisher jedoch abgelehnt – und zwar auch dann, wenn das Gericht in den Gründen Feststellungen dazu getroffen hatte.

II. Die neue Rechtsprechung des III. und des V. Zivilsenats

Anders entscheiden nunmehr der III. und der V. Zivilsenat des BGH in anderen Zusammenhängen, in denen nicht fällige Ansprüche eingeklagt werden: Der III. Zivilsenat vertritt bereits seit 2017, dass sich das Gericht nicht damit begnügen dürfe, Amtshaftungsklagen als „jedenfalls zurzeit unbegründet“ abzuweisen, wenn der Geschädigte zumutbare anderweitige Ersatzmöglichkeiten noch nicht ausgeschöpft hat (§ 839 Abs. 1 Satz 2 BGB). Vielmehr soll es alle Einwendungen, die den Anspruch endgültig zu Fall bringen könnten, vorrangig prüfen und die Klage ggf. endgültig abweisen müssen. Mit Urteil vom 09.06.2022 hat der III. Zivilsenat dies auf die Parallelregelung zur Notarhaftung (§ 19 Abs. 1 Satz 2 BNotO) übertragen. Und mit Urteil vom 09.12.2022 hat sich dem auch der V. Zivilsenat für den Fall angeschlossen, dass ein aufschiebend bedingter Anspruch mangels Bedingungseintritts jedenfalls noch nicht fällig wäre. Beide Senate nehmen zudem an, dass die inzidente Feststellung des nicht fälligen Anspruchs, die eine Klageabweisung als „zurzeit unbegründet“ zwingend voraussetzen soll, ggf. in materielle Rechtskraft erwächst. In einem etwaigen Folgeprozess soll daher nur noch zu prüfen sein, ob nunmehr Fälligkeit eingetreten ist.

Beides wird vor allem damit begründet, dass nach ständiger Rechtsprechung der Beklagte, der eine endgültige Klageabweisung anstrebt, beschwert ist, wenn die Klage nur als „zurzeit unbegründet“ abgewiesen wird. Daran ist richtig, dass eine materielle Rechtskraftwirkung zulasten des Beklagten diesen natürlich materiell beschwert. Es wäre aber ein klassischer Zirkelschluss, wollte man die Ursache mit ihrer etwaigen Wirkung begründen. Bislang war die Annahme einer Beschwer des Beklagten bei einer Klageabweisung als „zurzeit unbegründet“ in der Rechtsprechung auch keineswegs Ausdruck der Annahme, darin liege eine materielle Beschwer. Sie war vielmehr Ausdruck einer weit verstandenen formellen Beschwer des Beklagten, die allein damit begründet wurde, dass eine endgültige Klageabweisung für ihn günstiger wäre. Darüber, ob eine Entscheidung richtig oder falsch ist, besagt die Beschwer ohnehin nichts. Aus ihr lässt sich daher auch nicht ableiten, ob es geboten ist, den Grund und die Höhe des Anspruchs vorrangig zu prüfen.

 


- Ende des Auszugs -

Der vollständige Aufsatz „Neues zur Klageabweisung als "zurzeit unbegründet"" von Carl Florian Geck erschien zuerst in der Fachzeitschrift „Baurecht“ (BauR 2024, 687 - 701, Heft 5)Sie können den Beitrag hier online betrachten und herunterladen.