Die Praxis zeigt, dass Baugenehmigungsverfahren selten innerhalb dieser zeitlichen Vorgaben durchgeführt werden. Nach Auffassung der Bauwirtschaft Baden-Württemberg e.V. wird die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts durch die Langwierigkeit der Baugenehmigungsverfahren gefährdet. Bund und Länder haben sich 2023 auf einen „Pakt für schnelleres Planen und Bauen“ geeinigt.
Infolge dessen hat nun auch Baden-Württemberg seine LBO reformiert, um baurechtliche Verfahren zu optimieren, bauliche Standards abzubauen und zu beschleunigen und den Ausbau erneuerbarer Energien zu fördern. Insoweit wurde vom Landtag am 13.03.2025 das „Gesetz für das schnellere Bauen“ beschlossen, welches am 28.03.2025 im Gesetzblatt für Baden-Württemberg veröffentlicht wurde.
Das „Gesetz für das schnellere Bauen“ umfasst im Wesentlichen folgende LBO-Änderungen, die jeweils beleuchtet und eingeordnet werden sollen:
- Ausweitung des vereinfachten Baugenehmigungsverfahrens
- Einführung einer Genehmigungsfiktion
- Ausweitung der Verfahrensfreiheit bei der Errichtung von Energieinfrastruktur
- Ergänzung der Typengenehmigung
- Reduktion der Fristen bei der Nachbarbeteiligung
- Einschränkung bei der Zustellung der Baugenehmigung
- Abschaffung des baurechtlichen Widerspruchsverfahrens
- Ausweitung der bauvorlageberechtigten Personen
- Integration der LBOAVO in die LBO
- Bestandsschutz
- Reform der Abstandsflächen und
- Neugestaltung der Kinderspielplatzverpflichtung.
1. Ausweitung des vereinfachten Baugenehmigungsverfahrens
Das vereinfachte Baugenehmigungsverfahren nach § 52 LBO dient der Optimierung und Beschleunigung baurechtlicher Verfahren, da die Zulässigkeit eines Bauvorhabens von der Baurechtsbehörde präventiv allein unter Berücksichtigung der öffentlich-rechtlichen Vorschriften nach § 52 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 LBO überprüft wird und im Übrigen die Konformität des Vorhabens mit den öffentlich-rechtlichen Vorschriften durch den Bauherrn und die von ihm eingesetzten Fachleute sicherzustellen ist.
Nach der Reform soll der Anwendungsbereich des vereinfachten Baugenehmigungsverfahrens nach § 52 Abs. 1 LBO n.F. erweitert werden.
§ 52 Abs. 1 LBO a.F. sieht vor, dass das vereinfachte Baugenehmigungsverfahren bei Bauvorhaben nach § 51 Abs. 1 Satz 1 LBO durchgeführt werden kann. Dabei handelt es sich um die Errichtung von Wohngebäuden (Nr. 1), sonstigen Gebäuden der Gebäudeklassen 1 bis 3, wobei Gaststätten ausgenommen werden (Nr. 2), sonstige bauliche Anlagen, die keine Gebäude sind (Nr. 3) und Nebengebäude sowie Nebenanlagen zu Bauvorhaben nach den Nummern 1 bis 3 (Nr. 4). Nicht unter den Anwendungsbereich von § 51 Abs. 1 Satz 1 LBO fallen Sonderbauten und Vorhaben, die bereits nach § 50 LBO verfahrensfrei sind.
Die LBO-Änderung sieht unter § 52 Abs. 1 LBO n.F. nunmehr folgenden Wortlaut vor:
„Neben dem Kenntnisgabeverfahren kann der Bauherr beantragen, dass ein Baugenehmigungsverfahren durchzuführen ist. Bei Bauvorhaben, mit Ausnahme der Sonderbauten, kann ein vereinfachtes Baugenehmigungsverfahren durchgeführt werden. Bei Wohngebäuden der Gebäudeklasse 1 bis 4 sowie deren Nebengebäude und Nebenanlagen ist neben dem Kenntnisgabeverfahren nur das vereinfachte Baugenehmigungsverfahren eröffnet.“
Dies hat zur Folge, dass nur noch für Sonderbauten das normale Baugenehmigungsverfahren Anwendung findet. Bei Wohngebäuden der Gebäudeklasse 1 bis 4 und deren Nebengebäuden und Nebenanlagen soll dagegen neben dem Kenntnisgabeverfahren lediglich das vereinfachte Baugenehmigungsverfahren statthaft sein. Für alle anderen Bauvorhaben besteht das Wahlrecht des Bauherrn zwischen den Verfahrensarten. Dies soll zu einer Beschleunigung des Baugenehmigungsverfahrens und zu der schnelleren Realisierung von Bauvorhaben führen.
2. Einführung einer Genehmigungsfiktion
Weiter sieht die Reform beim vereinfachten Baugenehmigungsverfahren eine Genehmigungsfiktion für Bauanträge nach § 58 Abs. 1a LBO n.F. vor. Insoweit wird auf die Genehmigungsfiktion nach § 42a des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes (LVwVfG) als Basisnorm Bezug genommen.
§ 58 Abs. 1a LBO n.F. ist wie folgt gefasst:
„Betrifft ein Bauantrag ein Vorhaben im Verfahren nach § 52 oder die Errichtung oder Änderung einer Antennenanlage gilt die Genehmigungsfiktion nach § 42a des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes mit folgenden Maßgaben entsprechend:
1. Für die Vollständigkeit des Bauantrags und der Bauvorlagen sowie für den Beginn der Entscheidungsfrist nach § 42a Absatz 2 Satz 1 des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes ist § 54 maßgebend; eine Verlängerungsmöglichkeit der Entscheidungsfrist nach § 42a Absatz 2 Satz 3 des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes besteht nicht,
2. Abweichungen, Ausnahmen und Befreiungen unterliegen der Genehmigungsfiktion nur, soweit diese beantragt wurden,
3. ein gegebenenfalls versagtes gemeindliches Einvernehmen wurde vor Ablauf der Entscheidungsfrist ordnungsgemäß ersetzt,
4. die Bescheinigung nach § 42a Absatz 3 des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes ist unverzüglich schriftlich oder elektronisch in Textform nach Maßgabe des Absatzes 1 Satz 6 bis 9 zuzustellen oder bekanntzugeben; sie hat den Inhalt der Genehmigung wiederzugeben und eine Rechtsbehelfsbelehrung nach § 58 der Verwaltungsgerichtsordnung zu enthalten.
Satz 1 findet keine Anwendung, wenn der Antragsteller vor Ablauf der Entscheidungsfrist gegenüber der Baurechtsbehörde elektronisch in Textform auf den Eintritt der Genehmigungsfiktion verzichtet hat. Im Fall des Satzes 1 finden Absatz 1 Satz 1, 2, 4 und 5 keine Anwendung.“
Entscheidet die Baurechtsbehörde über den Bauantrag im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren nicht innerhalb von drei Monaten, nachdem die vollständigen Bauvorlagen und alle für die Entscheidung notwendigen Stellungnahmen und Mitwirkungen vorliegen (§ 54 Abs. 5 Satz 2 LBO), gilt die baurechtliche Entscheidung gegenüber dem Antragsteller als erteilt. Die Möglichkeit der Verlängerung der Entscheidungsfrist nach § 42a Abs. 2 Satz 3 LVwVfG wird ausdrücklich ausgeschlossen.
Abweichungen, Ausnahmen und Befreiungen i.S.v. § 56 LBO werden nur dann von der Genehmigungsfiktion erfasst, soweit sie auch beantragt wurden. Auf Verlangen des Bauherrn ist ihm der Eintritt der Genehmigungsfiktion unverzüglich schriftlich oder elektronisch in Textform zu bescheinigen, wobei der Inhalt der Genehmigungsfiktion wiederzugeben ist.
Es wird davon auszugehen sein, dass es sich bei dieser Bestätigung um einen feststellenden Verwaltungsakt i.S.d. § 35 Satz 1 LVwVfG handelt, sodass seitens des Bauherrn im Falle der Ablehnung oder der Nichterteilung des Verwaltungsaktes innerhalb einer angemessenen Frist i.S.v. § 75 VwGO die Erhebung einer Verpflichtungsklage gegen die Baurechtsbehörde denkbar ist.
Zu beachten ist, dass die Genehmigungsfiktion vom Bauherrn nicht als „Freifahrtschein“ aufgefasst werden darf. Stellt sich nach Baubeginn ein Verstoß gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften heraus, kann die Baurechtsbehörde trotzdem bauaufsichtsrechtliche Maßnahmen nach § 47 Abs. 1 LBO, die Einstellung der Arbeiten nach § 64 Abs. 1 Satz 1 LBO, den teilweisen oder vollständigen Abbruch der Anlage nach § 65 Abs. 1 Satz 1 LBO oder eine Nutzungsuntersagung nach § 65 Abs. 1 Satz 2 LBO anordnen.
Letztlich trägt der Bauherr das Risiko, dass das Bauvorhaben mit den öffentlich-rechtlichen Vorschriften übereinstimmt. Er darf sich durch die Genehmigungsfiktion nicht in Sicherheit wiegen, da die Bauausführung durch verwaltungsrechtliche Anordnungen der Baurechtsbehörden nachträglich noch verhindert oder zumindest erheblich verzögert werden kann.
Aus diesem Grund sieht § 58 Abs. 1a Satz 2 LBO n.F. vor, dass der Bauherr vor dem Ablauf der Entscheidungsfrist gegenüber der Baurechtsbehörde elektronisch in Textform auf den Eintritt der Genehmigungsfiktion verzichten kann. Der Bauherr kann damit zumindest den Bauantrag einer inhaltlichen Prüfung durch die Baurechtsbehörde im Baugenehmigungsverfahren zuführen und Rechtsklarheit erlangen.
Weiter gilt es zu beachten, dass die Wirksamkeit der fingierten Genehmigung gegenüber Dritten, die möglicherweise in ihren Rechten beeinträchtigt werden, mangels Bekanntgabe nicht eintritt. Ihnen gegenüber beginnt auch keine Anfechtungsfrist zu laufen, auch nicht die Jahresfrist nach § 58 Abs. 2 VwGO.
Das Bescheinigungsverlangen nach §§ 58 Abs. 1a Satz 1 Nr. 4 LBO n.F., 42a Abs. 3 LVwVfG löst dieses Problem nicht, da der Drittbetroffene vom Eintritt der Genehmigungsfiktion in der Regel keine Kenntnis haben wird, soweit er nicht ausnahmsweise vom Genehmigungsempfänger in Kenntnis gesetzt wird. Sofern eine solche Ausnahmesituation nicht vorliegt, wird der Dritte mangels Kenntnis von der Genehmigungsfiktion schon gar keine Bescheinigung nach §§ 58 Abs. 1a Satz 1 Nr. 4 LBO n.F., 42a Abs. 3 LVwVfG verlangen.
Es kommt dann nur die Verwirkung des Widerspruchs- oder Klagerechts des Drittbetroffenen in Betracht, sofern dieser nicht innerhalb eines Jahres Widerspruch bzw. Klage gegen die fingierte Genehmigung erhebt, gerechnet von dem Zeitpunkt an, von dem er Gelegenheit gehabt hätte, von der Existenz des Verwaltungsaktes Kenntnis zu nehmen.
Dies ist bei Vorhaben, die mit Bauarbeiten verbunden sind, in dem Zeitpunkt anzunehmen, in dem der Drittbetroffene Kenntnis vom Beginn der Arbeiten erlangt hat oder hätte erlangen können. Es kann dem Genehmigungsempfänger daher nur empfohlen werden, den Angrenzern und sonstigen Nachbarn, die in ihren nachbarschützenden Rechten verletzt sein könnten, über die Genehmigungsfiktion in Kenntnis zu setzen, um die Jahresfrist in Gang zu setzen.
- Ende des Auszugs -
Der vollständige Aufsatz „Das neue „Gesetz für das schnellere Bauen“ in Baden-Württemberg: Ein Überblick" von Prof. Dr. Klaus Krebs, Rechtsanwalt Dr. Markus Klett und Rechtsanwalt Matthias Himmelsbach, erschien zuerst in der Fachzeitschrift „Baurecht“ (BauR 2025, 995-1016, Heft 7). Sie können den Beitrag hier online betrachten und herunterladen.