Bauvertrag gekündigt - Abrechnung folgt

Die Spannung auf Baustellen steigt. Auftraggeber klagen über Auftragnehmer, die nicht bereit seien, die beauftragte Leistung auszuführen, ständig nur Nachtragsforderungen stellten und eine mangelhafte Leistung erbringen würden. Auftragnehmer hingegen klagen darüber, dass Auftraggeber keine baubare Planung vorlegten, sich weigerten, die erforderlichen Entscheidungen bei ungeklärten Ausführungsfragen zu treffen sowie Zahlungen sehr verspätet oder gar nicht leisten würden. Sofern solche Konflikte nicht geklärt werden können, kommt es immer wieder zur Eskalation: Beim Bauvertrag kann das dann mit der Kündigung enden. Welche Formen sieht die VOB/B vor? Wie steht es um die Ansprüche von Auftraggeber und Auftragnehmer? Können nicht erbrachte Leistungen abgerechnet werden? Diese und andere Fragen beantwortet Wirtschaftsingenieur Frank Bötzkes in einem umfassenden Fachbeitrag.

A. Formen der Kündigung durch Auftraggeber und Auftragnehmer

Bevor die konkrete Abrechnung der einzelnen Kündigungsfälle untersucht wird, soll zunächst dargestellt werden, welche Kündigungsformen es gibt.

Die dargestellten Kündigungsfälle werden nachfolgend dem Grunde nach erläutert. Die konkrete Abrechnung wird danach zusammenfassend vorgenommen, da hier aus baubetrieblicher Sicht eigentlich nur zwei Varianten zu berücksichtigen sind: Entweder Abrechnung der vollen Vergütung abzüglich ersparter Aufwendungen und anderweitigem Erwerbs durch den Auftragnehmer oder Geltendmachung von Schadensersatz durch den Auftraggeber.

I. Freie Kündigung des Auftraggebers gem. § 8 Abs. 1 VOB/B

Der Auftraggeber ist berechtigt, eine freie Kündigung auszusprechen, dem Auftragnehmer somit ohne einen Grund, der dessen Verantwortungsbereich zuzuordnen ist, zu kündigen. Allerdings hat der Auftraggeber diese „Freiheit” mit der Verpflichtung zu „bezahlen”, dass er den Auftragnehmer finanziell so stellen muss, als ob er die Leistung vollständig ausgeführt hätte. Das kann für den Auftraggeber durchaus teuer werden.

Ein Grund, warum der Auftraggeber während der Bauausführung kündigt, kann zum Beispiel sein, dass sich das Projektziel für ihn erledigt hat und er die Baumaßnahme nicht mehr benötigt. Weiterhin könnten sich Änderungen im vorhandenen Budget ergeben, so dass der Auftraggeber seine Projekte neu ordnet und deshalb ein Projekt nicht mehr ausführen will.

In der Praxis ist der Auftraggeber selten der Auffassung, dass er frei gekündigt habe, oftmals wird eine Kündigung aus wichtigem Grund gem. § 8 Abs. 3 VOB/B ausgesprochen, welche jedoch häufig in einem streitigen Gerichtsverfahren nicht bestätigt wird. In diesem Fall wird aus der Kündigung aus wichtigem Grund dann eine freie Kündigung, weil eine Rücknahme der Kündigung aus wichtigem Grund und die Fortsetzung der Baumaßnahme faktisch meist nicht mehr möglich sind.

Zu den gegenseitigen Ansprüchen der Vertragsparteien nach einer freien Kündigung ist festzustellen, dass der Auftraggeber lediglich Anspruch auf die Mangelfreiheit der bisher erbrachten Leistungen hat. Im Einzelfall hat er Anspruch, vom Auftragnehmer bereits gefertigtes oder geliefertes Material gegen die vertragliche Vergütung zu übernehmen. Weitere Ansprüche, zum Beispiel aus Mehrkosten bei den Folgeleistungen, stehen dem Auftraggeber jedoch nicht zu. Der Auftragnehmer hingegen hat Anspruch auf die volle Vergütung abzüglich ersparter Aufwendungen und anderweitigem Erwerb. Wie dies abzurechnen ist, wird nachfolgend unter Ziffer 2b) an einem konkreten Beispiel erläutert.

II. Teilkündigung des Auftraggebers gem. § 2 Abs. 4 VOB/B

„Werden im Vertrag ausbedungene Leistungen des Auftragnehmers vom Auftraggeber selbst übernommen (z.B. Lieferung von Bau-, Bauhilfs- und Betriebsstoffen), so gilt, wenn nichts anderes vereinbart wird, § 8 Abs. 1 Nummer 2 entsprechend.”

Wird gem. § 8 Abs. 1 VOB/B der Vertrag vollständig gekündigt, so besteht gem. § 2 Abs. 4 VOB/B für den Auftraggeber die Möglichkeit, nur Teilleistungen des Vertrages zu kündigen. So können einzelne Positionen oder ganze Titel gekündigt werden. Voraussetzung für diese Teilkündigung oder die sogenannte Selbstübernahme des Auftraggebers ist eine eindeutige Erklärung, dass die entsprechenden Leistungen nicht mehr ausgeführt werden sollen. Sofern eine solche Teilkündigung vorliegt, stehen dem Auftragnehmer grundsätzlich die gleichen Ansprüche wie bei einer freien Kündigung gem. § 8 Abs. 1 VOB/B zu.


Der vollständige Aufsatz „Die Abrechnung eines gekündigten Bauvertrages“ erschien zuerst in der Fachzeitschrift „baurecht“ (BauR 2016, 429 - 443, Heft 3). Sie können den Beitrag hier online betrachten und herunterladen.