Auswirkungen eines Änderungsbegehrens des Bestellers gem. § 650b Abs. 1 Satz 1 BGB auf ein anstehendes oder laufendes Bauvorhaben

Mit § 650b Abs. 1 Satz 1 BGB ist ein Änderungsbegehren des Bestellers als Vorstufe für das Recht des Bestellers zur einseitigen Anordnung von Leistungsänderungen nach 30 Tagen kodifiziert worden. Das Änderungsbegehren ist zum einen abzugrenzen von rechtlich unverbindlichen Voranfragen des Bestellers im Hinblick auf eine Änderung des vertraglich vereinbarten Leistungsinhalts. Von einem Änderungsbegehren kann nur dann gesprochen werden, wenn es seinem objektiven Erklärungswert nach auf den Wunsch des Bestellers ausgerichtet ist, die bisherige Leistung tatsächlich ändern zu wollen und damit die Pflicht des Unternehmers zur Vorlage eines diesbezüglichen Preisangebotes auszulösen.

Zum anderen ist das Änderungsbegehren abzugrenzen von einer den vereinbarten Leistungsumfang nicht berührenden Anordnung des Bestellers zur vertragsgemäßen Ausführung der vereinbarten Leistungen entsprechend § 4 Abs. 1 Nr. 3 VOB/B .  Unterschiedliche Auffassungen bestehen dazu, ob eine entsprechende Anordnung des Bestellers, die objektiv auf eine Leistungsänderung ausgerichtet ist, als stillschweigendes Änderungsbegehren zu werten ist, welches die wechselseitigen Verpflichtungen der Parteien und die 30-Tages-Frist des § 650b BGB  auslöst,  oder ob der Anordnung des Bestellers zumindest hilfsweise die Erklärung eines Änderungsbegehrens i.S.v. § 650b Abs. 1 Satz 1 BGB  zu entnehmen sein muss.  Die entsprechende Frage stellt sich bei einer auf Leistungsänderung ausgerichteten Anordnung vor Ablauf der 30-Tagesfrist des § 650b Abs. 2 BGB , welche insofern rechtlich unwirksam ist.  Bei einer Unklarheit der diesbezüglichen Erklärung des Bestellers oder einer verfrühten leistungsändernden Anordnung obliegt es dem Unternehmer im Rahmen der durch § 650b Abs. 1 BGB  verankerten Kooperationspflicht der Vertragsparteien, bei dem Besteller nachzufragen, ob seine Erklärung zumindest hilfsweise als ein die Pflichten gem. § 650b Abs. 1 BGB  auslösendes Änderungsbegehren aufzufassen sein soll.

 

II. Problemstellung

 

Gegenstand des vorliegenden Beitrags soll sein, welche Auswirkungen ein Änderungsbegehren des Bestellers gem. § 650b Abs. 1 Satz 1 BGB  auf zeitnah anstehende oder laufende Bauvorhaben hat.

Es entspricht dem gesetzgeberischen Willen, dass ein Änderungsbegehren des Bestellers zunächst das ursprünglich vereinbarte Leistungssoll unberührt lässt, welches erst durch Einvernehmen zwischen den Vertragsparteien im Rahmen der Verhandlungen nach dem Änderungsbegehren des Bestellers gem. § 650b Abs. 1 BGB  oder durch leistungsändernde Anordnung des Bestellers gem. § 650b Abs. 2 BGB  nach Ablauf der 30-Tagesfrist in rechtlich verbindlicher Weise geändert wird.

Bei Änderungsbegehren des Bestellers, die auf eine technische Änderung bereits begonnener Bauleistungen auf sog. kritischem Weg ausgerichtet sind, die also nicht verschiebbar und verlängerbar sind, ohne dass die 

Einhaltung des Bauzeitenplans und/oder der Vertragsfristen zum Bauvorhaben gefährdet wäre, nach Retzlaff sog. terminkritischen Änderungsbegehren,  stellt sich die Frage, ob der Unternehmer in Anbetracht eines entsprechenden Änderungsbegehrens die Fortführung der begonnenen Bauleistungen zunächst einstellen darf oder sogar muss, bis entweder ein Einvernehmen zwischen den Parteien über die vom Besteller begehrte Änderung herbeigeführt bzw. eine entsprechende Änderung vom Besteller angeordnet worden ist, oder der Besteller von seinem Änderungsbegehren wieder Abstand nimmt.

Die entsprechende Frage kann sich schon vor Beginn der Bauarbeiten stellen,  wenn etwa im Bauvertrag zeitlich enge Zwischentermine als Vertragsfristen vereinbart worden sind, und eine Einstellung der vertraglich vereinbarten Leistungen im Hinblick auf ein Änderungsbegehren des Bestellers dazu führen würde, dass die erste vereinbarte Zwischenfrist nicht mehr eingehalten werden kann.

Innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Frist von mindestens 30 Tagen zwischen Änderungsbegehren und leistungsändernder Anordnung des Bestellers können bei Einstellung der bisher vereinbarten Bauleistungen nicht unerhebliche Stillstandskosten auf Seiten des Unternehmers und bei Fortsetzung der entsprechenden Leistungen bis zur leistungsändernden Anordnung nicht unerhebliche Rückbaukosten bzw. vergebliche Aufwendungen zu Lasten des Bestellers anfallen.

Retzlaff nimmt insofern an, dass nach dem Wortlaut des § 650b BGB  der Unternehmer nach einem terminkritischen Änderungsbegehren des Bestellers Leistungen auf dem kritischen Weg bis zum Einvernehmen zwischen den Vertragsparteien über die begehrte Leistungsänderung und deren Vergütung bzw. bis zur leistungsändernden Anordnung seitens des Bestellers oder bis zur Rücknahme des Änderungsbegehrens einstellen dürfe, und dass dieses Ergebnis vom Gesetz so gewollt sein dürfte. 

 


- Ende des Auszugs -

Der vollständige Aufsatz „Auswirkungen eines Änderungsbegehrens des Bestellers gem. § 650b Abs. 1 Satz 1 BGB auf ein anstehendes oder laufendes Bauvorhaben" von Rechtsanwalt Hans Achim Dören erschien zuerst in der Fachzeitschrift „Baurecht“ (BauR 2022, 983 - 993, Heft 7). Sie können den Beitrag hier online betrachten und herunterladen.