„Abrechnet wird zum Schluss“ – Zur Unwirksamkeit einer formularmäßigen Vertragsstrafenvereinbarung

In der Entscheidung vom 15.02.20241 hat der VII. Senat eine weitere, bisher nicht problematisierte Anforderung definiert, die eine vom Auftraggeber formularmäßig verwendete Vertragsstrafenklausel einhalten muss, um einer Inhaltskontrolle standzuhalten.

Nachfolgend werden die tragenden Gründe der Entscheidung vorgestellt und es wird ein Ausblick auf die damit noch nicht entschiedenen Konstellationen gegeben. Abschließend wird ein Vorschlag für die Formulierung einer voraussichtlich wirksamen Vertragsstrafenklausel auf der Basis der bisher bekannten Entscheidungen des Bundesgerichtshofes unterbreitet.

Die Einhaltung der Vertragstermine ist für den Auftraggeber ein wesentlicher Faktor. Vor diesem Hintergrund ist die Vereinbarung einer Vertragsstrafe branchenüblich und Bestandteil fast aller Bauverträge. In § 11 Abs. 1 VOB/B ist klargestellt, dass durch die Vereinbarung der VOB/B allein noch keine Vertragsstrafenregelung getroffen ist, sondern es hierfür einer ausdrücklichen Vereinbarung im Bauvertrag bedarf. In der Praxis werden Vertragsstrafen überwiegend durch vom Auftraggeber gestellte Allgemeine Geschäftsbedingungen vereinbart.

Bislang hatte der VII. Senat keine Veranlassung, die Frage zu klären, ob als Bezugsgröße für die Vertragsstrafe in vorformulierten Klauseln des Auftraggebers als Verwender (unter Beachtung der seit langem geklärten Obergrenze von 5 % des Vergütungsanspruchs) wirksam an die „Auftragssumme“ oder an die „Abrechnungssumme“ angeknüpft werden kann.

Diese Fragen sind durch das Urteil vom 15.02.2024 teilweise geklärt worden. Eine Vertragsstrafenklausel des Auftraggebers hält jedenfalls bei einem Einheitspreisvertrag der Inhaltskontrolle nicht stand, wenn diese für die Grenze von 5 % des Vergütungsanspruchs auf die vor Auftragsdurchführung vereinbarte Auftragssumme und nicht auf die nach Auftragsdurchführung tatsächliche Abrechnungssumme (Schlussrechnungssumme) Bezug nimmt.

Bei einem Einheitspreisvertrag kann aus unterschiedlichen Gründen (z.B. durch Verringerung der tatsächlich ausgeführten gegenüber den bei Vertragsschluss zugrunde gelegten Mengen) nachträglich eine Absenkung des Auftragsvolumens dazu führen, dass die vom Auftragnehmer zu erbringende Strafzahlung die Grenze von 5 % seines tatsächlichen Vergütungsanspruchs, der sich in der Abrechnungssumme darstellt, übersteigt. 

Die maßgebliche Bezugsgröße für den Grenzwert von 5 % des Vergütungsanspruchs ist nur diese Abrechnungssumme, weil sich diese an dem tatsächlichen „Verdienst“ des Auftragnehmers orientiert, der durch den Verlust von mehr als 5 % der Vergütungssumme nicht nur seinen Gewinn verlieren, sondern einen spürbaren Verlust erleiden würde. Dies stellt eine unangemessene Benachteiligung des Auftragnehmers dar, die nicht durch einen gegenüberstehenden Vorteil ausgeglichen wird.

Durch dieses Urteil wird sich in der Praxis zu zahlreichen bereits geschlossenen Bauverträgen die Frage der Wirksamkeit der dort verwendeten Vertragsstrafenklausel stellen.

Offen ist die Frage, ob die das Urteil tragenden Gründe auch auf Vertragsstrafenklauseln bei einem Pauschalpreisvertrag übertragbar sind. Dies wird zu bejahen sein. Auch bei einem Pauschalpreisvertrag ist es durch die Anordnung oder Vereinbarung geänderter oder zusätzlicher Leistungen möglich, dass die Abrechnungssumme nach Auftragsdurchführung geringer ausfällt als die bei Vertragsschluss vor Auftragsdurchführung vereinbarte Pauschal-Auftragssumme.

Damit kann durch die Bezugnahme auf diese Auftragssumme bei der gebotenen generalisierenden abstrakten Betrachtungsweise eine Vertragsstrafe auch bei einem Pauschalpreisvertrag die zulässige Höhe von 5 % der Abrechnungssumme übersteigen und somit unwirksam sein.

Der Senat hatte in dem Urteil keine Veranlassung, die teilweise streitig diskutierte Frage zu entscheiden, ob man unter „Auftragssumme“ auch die nach der Abwicklung des Vertrages geschuldete Vergütung verstehen kann. Eine Stellungnahme hierzu war nicht erforderlich, weil in dem zu entscheidenden Fall ausdrücklich und damit zweifelsfrei an die „im Auftragsschreiben genannte“ Auftragssumme angeknüpft wurde.

Aber auch in den Fällen, in denen kein Hinweis auf ein Auftragsschreiben vorhanden ist und nur eine allgemeine Bezugnahme für die Grenze von 5 % des Vergütungsanspruches auf die „Auftragssumme“ erfolgt, spricht Vieles für eine Unwirksamkeit dieser Klausel.

Im Rahmen seiner unmissverständlichen und klaren Ausführungen hat der Senat keinen Zweifel daran gelassen, dass er allein die – so wörtlich – „Abrechnungssumme“ als wirksame Bezugsgröße akzeptiert. Damit gibt es eine Richtschnur insbesondere für alle zukünftig zu formulierenden Vertragsstrafenklauseln.

Die weitere Verwendung des Begriffs der „Auftragssumme“ und nicht die des jetzt eindeutig definierten Begriffs der „Abrechnungssumme“ trägt das erhebliche Risiko der Unwirksamkeit in sich (§ 307 Abs. 1 Satz 2; § 305c Abs. 2 BGB).

Es wird einem Auftraggeber schwer fallen, im Rahmen einer Auslegung „zur Rettung“ der von ihm verwendeten Klausel argumentativ darzustellen, dass mit „Auftragssumme“ tatsächlich die „Abrechnungssumme“ gemeint sein soll, wenn der BGH für die wirksame Bezugsgröße ausdrücklich den Begriff „Abrechnungssumme“ verwendet und wörtlich klarstellt, dass „die vor Ausführung des Auftrags vereinbarte Vergütung“ nicht die zutreffende Bezugsgröße ist (Rdnr. 40)

 


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Der vollständige Aufsatz „„Abgerechnet wird zum Schluss" - Zur Unwirksamkeit einer formularmäßigen Vertragsstrafenvereinbarung" von Dr. Vanessa Bargon und Prof. Thomas Thierau erschien zuerst in der Fachzeitschrift „Baurecht“ (BauR 2024, 969 - 971, Heft 7)Sie können den Beitrag hier online betrachten und herunterladen.