Der Bauträger und seine Pflicht zur Besitzverschaffung

Wer mit einem Bauträger baut, tut das nicht als Bauherr auf einem eigenen Grund und Boden. Vielmehr ist der Bauträger selbst der Bauherr, der auf seinem Grund und Boden das Bauwerk – im Regelfall: Eigentumswohnungen - errichtet. Der Bauträger ist also – anders als bei einem „klassischen“ Bauvertrag, bei dem ein Gebäude auf dem Grund und Boden des „Bestellers“ errichtet wird - Eigentümer und Besitzer des zu bebauenden Grundes.

Der – vom Gesetz als „Besteller“ bezeichnete - Erwerber ist verpflichtet nach Baufortschritt Abschlagszahlungen zu bezahlen. Ausgangspunkt des Bauträgervertrages ist also, dass der Erwerber Zahlungen für den Bau leistet, ohne selbst Eigentümer des zu bebauenden Grundstücks zu sein. Hierin besteht der maßgebliche Unterschied zum „klassischen“ Bauvertrag. In diesem Spannungsfeld, das maßgeblich von dem Risiko des Erwerbers geprägt ist, ohne Eigentum oder Besitz an dem zu bebauenden Grundstück Zahlungen für die Errichtung eines Gebäudes oder einer Eigentumswohnung zu leisten, stellt sich die Frage, ab wann und unter welchen Voraussetzungen der Bauträger zur Einräumung zumindest des Besitzes an der verkauften Immobilie verpflichtet ist.

Besitzverschaffung in der Praxis

Nach der gesetzlichen Regelung des § 854 BGB ist es für die Übertragung des Besitzes maßgeblich, dass der Erwerber in die Lage versetzt wird, die von seinem Besitzwillen getragene tatsächliche Gewalt über den Vertragsgegenstand auszuüben. Die Besitzverschaffung setzt daher die Übergabe der Wohnung durch Aushändigung der Schlüssel der Wohnung voraus.

In der Praxis machen Bauträger regelmäßig die Übergabe des Besitzes davon abhängig, dass der Erwerber zumindest das Sondereigentum abnimmt und die sog. Bezugsfertigkeitsrate nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 MabV bezahlt. Dabei beruft sich der Bauträger regelmäßig darauf, dass er vor der Zahlung dieser Rate gesetzlich nicht verpflichtet sei, den Besitz einzuräumen. Insbesondere in den Fällen, in denen es zu zeitlichen Verzögerungen des Baus kommt oder aufgrund von Mängeln dem Besteller Zurückbehaltungsrechte zustehen, weshalb die Bezugsfertigkeitsrate ganz oder teilweise nicht zu zahlen ist, wird vom Bauträger regelmäßig die Besitzübergabe verweigert, weil die Zahlung noch nicht erfolgt ist. Der Bauträger reklamiert dabei den Wortlaut der MaBV für sich, nach der nur Zug-um-Zug gegen Zahlung der Bezugsfertigkeitsrate den Besitz verschaffen muss.

Pattsituation?

Infolge der Regelung des § 3 Abs. 2 Nr. 2 MaBV scheint im Hinblick auf die „Bezugsfertigkeitsrate“ eine Pattsituation zu bestehen, wonach der Bauträger die Besitzübergabe verweigern darf, bevor der Erwerber seinerseits nicht die Zahlung der Rate angeboten hat und umgekehrt der Erwerber die Zahlung der Rate zurückhalten kann, bevor ihm der Bauträger nicht die Verschaffung des Besitzes an der Immobilie anbietet.

Dabei wird aber übersehen, dass die Regelungen in der MaBV öffentlich-rechtliche Schutzvorschriften zu Gunsten des Erwerbs sind, die nicht etwa regeln, wann der Erwerber zur Zahlung verpflichtet ist, sondern öffentlich-rechtlich festlegen, wann der Bauträger frühestens Zahlungen überhaupt entgegennehmen darf. Damit ist aber noch nicht gesagt, ob der Bauträger nicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt zur Verschaffung des Besitzes verpflichtet sein kann.

Diese Frage richtet sich nicht nach dem Zahlungsplan der MaBV, sondern nach dem vertraglich vereinbarten Bezugsfertigkeitstermin, der nicht per se dadurch hinausgeschoben wird, weil der Erwerber berechtigt die Bezugsfertigkeitsrate noch nicht gezahlt hat. Wenn der Bauträger aus von ihm zu vertretenden Gründen den vereinbarten Bezugsfertigkeitstermin nicht einhält, gerät er in Verzug und ist zum Ersatz des daraus erwachsenden Schadens verpflichtet.

Pflicht des Bauträgers zur Besitzverschaffung

Häufig zu beobachten ist, dass Bauträger die Besitzverschaffung von der Erklärung der Abnahme abhängig machen. Dabei ist der Erwerber vor der Besitzverschaffung gar nicht zur Abnahme verpflichtet. Durch die Abnahme (§ 640 BGB) bringt der Erwerber unter körperlicher Entgegennahme der Bauleistung zum Ausdruck, dass er das Werk als in der Hauptsache vertragsgemäße Leistung billigt. Bereits aus der Definition der Abnahme ergibt sich also, dass der Erwerber im Zuge des Abnahmeverlangens des Bauträgers die Besitzübergabe verlangen kann. Folgerichtig hat das OLG München entschieden, dass Gestaltungen in Bauträgerverträgen, wonach eine Abnahme bereits vor der Besitzverschaffung zu erfolgen hat, den gesetzlichen Anforderungen nicht gerecht werden und daher unzulässig sind (OLG München, Urt. v. 25.10.2016 - 9 U 34/16). Solange der Bauträger das Werk also ganz oder in gesondert abnahmefähigen Teilen noch nicht übergeben hat, ist der Erwerber nicht verpflichtet, die Abnahme zu erklären (BGH, Urteil vom 30.06.1983, VII ZR 185/81).Ferner können Erwerbern in dem Fall von Mängeln Zurückbehaltungsrechte zustehen, die in ihrer Höhe den restlichen Kaufpreisanspruch des Bauträgers einschließlich der „Bezugsfertigkeitsrate“ erreichen oder übersteigen. Auch in diesen Fällen gerät der Bauträger in Verzug, wenn er den Besitz nicht zu dem vereinbarten Zeitpunkt verschafft.

Schließlich besteht das Recht des Bauträgers, die Zahlung der „Bezugsfertigkeitsrate“ Zug-um-Zug gegen Besitzübergabe zu verlangen nur dann, wenn ein Ratenzahlungsplan im Sinne der MaBV wirksam vereinbart worden ist. Wenn das nicht der Fall ist – beispielsweise weil im Bauträgervertrag unzulässigerweise eine Abnahme vor Besitzübergang geregelt worden ist (vgl. OLG München, Beschluss vom 28.06.2019, 28 U 3555/18) – kann der Bauträger die Übergabe des Besitzes nicht von der Zahlung des der Bezugsfertigkeitsrate abhängig machen.

Fazit

Die Pflicht des Bauträgers zur Besitzverschaffung richtet sich nicht nach § 3 Abs. 2 MaBV sondern nach der vertraglichen Vereinbarung. Der Bauträger kann daher in Verzug mit der Leistung gelangen, mit der Folge, dass er zum Schadenersatz verpflichtet ist, auch wenn der Erwerber (berechtigt) die Bezugsfertigkeitsrate noch nicht gezahlt hat. Das in der Praxis beliebte „Druckmittel“ des Bauträgers, den Besitz an der hergestellten Immobilie nicht ohne Zahlung an den Erwerber herauszugeben, kann sich daher als Bumerang erweisen.  

Georg Uhlig

  • Rechtsanwalt
  • Mitglied der ARGE Baurecht im DAV
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