Gut, dass wir darüber gesprochen haben – Teil III: Das Sonderkündigungsrecht gemäß § 650r BGB

§ 650r BGB räumt den Vertragsparteien eines Architekten- bzw. Ingenieurvertrags die Möglichkeit ein, sich nach Durchlaufen der Zielfindungsphase, in welcher nach § 650p Abs. 2 BGB eine Planungsgrundlage und Kosteneinschätzung zu erstellen ist, zu entscheiden, ob das Vertragsverhältnis fortgesetzt werden soll.

Damit soll davor geschützt werden, dass – insbesondere Verbraucher – an einen umfassenden Architektenvertrag gebunden sind, obwohl bei Vertragsschluss noch keine konkreten Vorstellungen hinsichtlich der zu planenden Bebauung mitsamt den hierfür anfallenden Kosten vorlagen (vgl. BT-Drs. 18/8486 S. 69).

Während sich Teil I und Teil II dieser Reihe mit der Vereinbarung der wesentlichen Planungs- und Überwachungsziele sowie mit den Anforderungen und dem richtigen Umgang innerhalb der Zielfindungsphase des § 650p Abs. 2 BGB befasst haben, beleuchtet dieser Artikel das in § 650r BGB geregelte Sonderkündigungsrecht, welches sowohl dem Besteller der Architekten- bzw. Ingenieurleistung als auch – unter bestimmten Umständen – dem Architekten selbst zusteht.


Anwendungsbereich und Anforderungen des Sonderkündigungsrechts gemäß § 650r BGB

Sofern eine Pflicht zur Vorlage der Planungsgrundlage inklusive Kosteneinschätzung im Sinne des § 650p Abs. 2 BGB besteht, ist der Anwendungsbereich des in § 650r BGB geregelten Sonderkündigungsrechts eröffnet. Das Sonderkündigungsrecht des § 650r BGB ist mithin eine Folgebestimmung zu § 650p Abs. 2 BGB (vgl. BT-Drs. 18/8486 S. 69). Voraussetzung für dieses Kündigungsrecht ist also, dass zwischen den Parteien ein Architekten- bzw. Ingenieurvertrag mit – jedenfalls zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses – noch unbekannten Planungs- und Überwachungszielen geschlossen wurde. § 650r BGB regelt sowohl ein Sonderkündigungsrecht für den Besteller der Architekten- bzw. Ingenieurleistung (Abs. 1) als auch – unter bestimmten Umständen – für den Unternehmer (Abs. 2).

Das Sonderkündigungsrecht des Bestellers ist in § 650r Abs. 1 BGB geregelt und gilt nicht nur, wenn ein Verbraucher Architekten- bzw. Ingenieurleistungen beauftragt, sondern auch für Verträge, bei denen auf beiden Seiten Unternehmer im Sinne des § 14 BGB handeln (B2B-Verträge). Es entsteht, sobald dem Besteller die Unterlagen im Sinne des § 650p Abs. 2 BGB vollständig vorgelegt werden. Denn erst anhand dieser Unterlagen, bestehend aus Planungsgrundlage und Kosteneinschätzung, kann der Besteller seine Entscheidung treffen, ob er das Vertragsverhältnis fortführen möchte. Diese Entscheidung muss der Besteller zügig treffen, denn mit Entstehung des Sonderkündigungsrechts wird die hierfür gemäß § 650r Abs. 1 S. 2 BGB geltende zweiwöchige Kündigungsfrist in Gang gesetzt.

Handelt es sich beim Besteller der Architekten- bzw. Ingenieurleistung um einen Verbraucher, ist für den vorlegenden Architekten Vorsicht geboten: Denn dann ist der Besteller gemäß § 650r Abs. 1 S. 2 HS. 2 BGB bei Vorlage der Planungsgrundlage und Kosteneinschätzung in Textform (§ 126b BGB) über sein Sonderkündigungsrecht, die für dessen Ausübung geltende Frist und die Rechtsfolgen einer solchen Kündigung zu unterrichten. Unterbleibt diese Unterrichtung, so beginnt die zweiwöchige Kündigungsfrist nicht zu laufen. Das gilt auch, wenn die Unterrichtung nicht entsprechend der gesetzlichen Vorgaben des § 650p Abs. 1 S. 2 HS. 2 BGB erfolgt – etwa, weil das Textformerfordernis nicht eingehalten wird oder weil die Unterrichtung erst zu einem späteren Zeitpunkt, also nicht zeitgleich mit der Vorlage der Unterlagen im Sinne des § 650p Abs. 2 BGB, erfolgt. Das Kündigungsrecht des Bestellers besteht dann grundsätzlich zeitlich unbegrenzt und endet erst, wenn der Besteller seine Zustimmung erklärt. Durch diese „scharfe“ Rechtsfolge bei unterbliebener Unterrichtung soll sichergestellt werden, dass die Architekten bzw. Ingenieure ihre Unterrichtungsverpflichtung ernst nehmen und ihr nachkommen (vgl. BT-Drs. 18/8486 S. 69). Unterbleibt die Unterrichtung besteht das Risiko, dass der Besteller im Laufe des Vertragsverhältnisses, also auch zu einem späteren Zeitpunkt, Abstand vom Vertrag nimmt. Für den Vergütungsanspruch hat das zur Folge, dass nur in dem Umfang, wie es § 650r Abs. 3 BGB vorsieht, eine Vergütung verlangt werden kann und die Vergütungsfolgen einer freien Kündigung gemäß § 648 S. 2 BGB nicht eintreten (hierzu sogleich). Denkbar sind darüber hinaus Schadensersatzansprüche des Bestellers und zwar gerichtet auf die Befreiung von den Honoraransprüchen des Architekten (Kniffka, BauR 2017, 1846, 1874).

Das Sonderkündigungsrecht des Architekten bzw. Ingenieurs folgt aus § 650r Abs. 2 BGB. Es greift aber nur, wenn dem Besteller eine angemessene Frist zur Zustimmung der gemäß § 650p Abs. 2 BGB vorgelegten Planungsgrundlage und Kosteneinschätzung gesetzt wurde und der Besteller diesbezüglich seine Zustimmung verweigert oder sie nicht innerhalb der ihm gesetzten Frist erklärt. Dass das Sonderkündigungsrecht des Architekten lediglich in diesen Fallkonstellationen gilt, trägt dem Gedanken Rechnung, dass der Besteller grundsätzlich auf die Erfüllung des Vertrags vertrauen darf. Das Sonderkündigungsrecht greift daher nur, wenn der Besteller nicht an der Fortführung der Planung mitwirkt, weil er die Zustimmung verweigert oder nicht fristgerecht erteilt (vgl. BT-Drs. 18/8486 S. 69).


Rechtsfolgen

Wird das Vertragsverhältnis gekündigt, weil ein Sonderkündigungsrecht nach § 650r BGB besteht, so endet es mit Ausspruch der Kündigung und gilt nicht mehr für die Zukunft (sog. ex-nunc Wirkung). Die Auswirkung einer solchen Kündigung auf die Vergütung ist in § 650r Abs. 3 BGB geregelt. Hiernach kann nur Vergütung für solche Leistungen verlangt werden, die bis zum Zeitpunkt der Kündigung erbracht worden sind. Für den Architekten hat das jedoch gleichzeitig auch zur Folge, dass für Leistungen, die über die Erstellung der Planungsgrundlage und Kosteneinschätzung im Sinne des § 650p Abs. 2 BGB hinausgehen, kein Vergütungsanspruch besteht. Er bekommt nur Leistungen vergütet, die für die Erstellung der Planungsgrundlage und Kosteneinschätzung tatsächlich erforderlich waren. Es besteht also kein Vergütungsanspruch für Leistungen, die darüber hinaus (voreilig) erbracht worden sind. Hierdurch wird der Besteller vor voreiligen und ggf. noch nicht erforderlichen kostenverursachenden Planungsleistungen geschützt.

Doch was passiert eigentlich in Fällen, in denen dem Besteller die zur Zustimmung gemäß § 650p Abs. 2 BGB vorzulegenden Unterlagen nicht oder nicht vollständig zur Verfügung gestellt werden?

Diese Fragestellung betrifft Konstellationen, in denen die Parteien – mangels Vereinbarung der wesentlichen Planungs- und Überwachungsziele – eine Zielfindungsphase im Sinne des § 650p Abs. 2 BGB (eigentlich) zu durchlaufen haben. Wird diese Zielfindungsphase aber nicht durchlaufen oder werden die in der Zielfindungsphase angefertigten Unterlagen dem Besteller nicht zur Zustimmung vorgelegt, entsteht auch das Sonderkündigungsrecht des § 650r BGB (noch) nicht.

Der BGH hat hierzu bereits entschieden, dass eine Kündigung des Bestellers in einer solchen Situation zwar als freie Kündigung gemäß § 648 BGB zu werten ist und § 650r Abs. 1 BGB gerade nicht entsprechend anzuwenden ist (BGH, Urteil vom 17.11.2022, Az. VII ZR 862/21, Rn. 25 f.). Allerdings kann der Architekt dennoch nicht die sog. „große Kündigungsvergütung“ nach § 648 S. 2 BGB für erbrachte sowie nicht erbrachte Leistungen verlangen. Denn in dieser besonderen Konstellation hat der Architekt bzw. Ingenieur keinen Anspruch auf Vergütung für Leistungen, die – unabhängig davon, ob er sie bereits erbracht hat oder nicht – gemäß § 650p Abs. 2 S. 2 BGB erst nach Vorlage der Planungsgrundlage und Kosteneinschätzung zur Zustimmung zu erbringen gewesen wären (BGH, Urteil vom 17.11.2022, Az. VII ZR 862/21, Rn. 27, 29).

Bei einem Besteller, der – mangels erfolgter Vorlage der Planungsgrundlage und Kosteneinschätzung im Sinne des § 650p Abs. 2 BGB – bereits vor Entstehung des sich aus § 650r Abs. 1 BGB ergebenden Sonderkündigungsrechts eine freie Kündigung ausspricht, lässt sich nach Ansicht des BGH schließen, dass dieser erst recht die Kündigungsmöglichkeit des § 650r Abs. 1 S. 1 BGB ergriffen hätte. In einer derartigen Konstellation darf der Architekt bzw. Ingenieur daher nicht auf die Durchführung des Vertrags vertrauen (BGH, Urteil vom 17.11.2022, Az. VII ZR 862/21, Rn. 30).


Fazit

Abschließend bleibt also festzuhalten, dass in § 650r BGB ein Sonderkündigungsrecht für Fällen geregelt ist, in denen die wesentlichen Planungs- und Überwachungsziele bei Vertragsschluss noch nicht nicht vereinbart werden und daher gemäß § 650p Abs. 2 BGB eine Zielfindungsphase zu durchlaufen ist. In der Praxis ist eine solche Fallkonstellation nicht selten vorzufinden, weil gerade im frühen Stadium des Vertragsschlusses häufig die wesentlichen Planungs- und Überwachungsziele noch gar nicht feststehen und daher bei Vertragsschluss auch (noch) nicht vertraglich vereinbart werden können.

Architekten bzw. Ingenieure, die regelmäßig vertragliche Beziehungen mit Verbrauchern eingehen, sollten zudem ihre Unterrichtungspflicht nach § 650r Abs. 1 S. 2 HS. 2 BGB stets im Blick haben und diesen nachkommen, da anderenfalls das Sonderkündigungsrecht des Bestellers ohne zeitliche Begrenzung besteht und der Besteller jederzeit hierauf zurückgreifen kann.

Vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtsprechung des BGH sind Architekten bzw. Ingenieure darüber hinaus gut beraten, die Zielfindungsphase im Sinne des § 650p Abs. 2 BGB zu durchlaufen und die hierbei erstellte Planungsgrundlage und Kosteneinschätzung nach deren Fertigstellung unter Setzung einer angemessenen Frist zur Zustimmung vorzulegen und dies entsprechend zu dokumentieren. Nur so kann sichergestellt werden, dass für weitere – auf die Zielfindungsphase aufbauende – Planungsleistungen auch tatsächlich ein Vergütungsanspruch besteht.

Laura Deichmann

  • Rechtsanwältin
  • Mitglied der ARGE Baurecht im Deutschen Anwaltsverein
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