Ausgangslage
Dem Unternehmer steht gemäß § 648a BGB in der seit dem 01.01.2009 geltenden Fassung ein einklagbarer Anspruch auf eine Sicherheit über 110 % der noch nicht über Abschlagszahlungen realisierten Gesamtvergütung einschließlich der Nachträge zu. Anders als bei § 648 BGB ist dabei nicht erforderlich, dass die Leistung schon erbracht ist. Der Anspruch kann auch noch nach der Abnahme geltend gemacht werden. Gegenrechte des Auftraggebers - insbesondere Mängelrechte - bleiben bei der Berechnung der Sicherheit außen vor, soweit sie nicht unbestritten oder rechtskräftig festgestellt sind.
Die Sicherheit ist vom Auftraggeber auf Anforderung innerhalb sehr kurzer Fristen von 7 - 10 Tagen beizubringen. Nach Ablauf der Frist kann der Unternehmer - ohne vorher darauf hingewiesen zu haben - die weitere Leistung verweigern oder den Vertrag kündigen. Im Falle der Kündigung erhält er die volle Vergütung abzüglich ersparter Aufwendungen und anderweitigem Erwerb aufgrund der durch die Kündigung freigewordenen Arbeitskraft.
Neben Bauunternehmen können auch Architekten und Ingenieure nach § 648a BGB vorgehen. Die öffentliche Hand muss hingegen keine Sicherheit leisten. Auch Verbraucher müssen keine Sicherheit leisten, wenn sie ein Einfamilienhaus bauen. Ab dem 01.01.2018 müssen auch Verbraucher, die ein Mehrfamilienhaus bauen, keine Sicherheit nach § 650f BGB leisten.
Tatsächlicher Einsatz in Konfliktsituationen
Von der Möglichkeit des § 648a BGB wird in der Praxis im Regelfall kein Gebrauch gemacht - jedenfalls nicht in dem Maß und zu dem Zweck, den der Gesetzgeber sich vorgestellt hat. Das mag auf den ersten Blick verwundern, gibt doch der § 648a BGB eine insolvenzfeste Sicherung für den Werklohnanspruch an die Hand. Der Grund für den zurückhaltenden Gebrauch liegt einerseits darin, dass der Unternehmer die Kosten der Sicherheit zu tragen hat (§ 648a Abs. 3 BGB) und andererseits in der normativen Kraft des Faktischen: Wer die Sicherheit nach § 648a BGB von seinem Auftraggeber einmal verlangt, wird in der Regel keinen weiteren Auftrag mehr erhalten.
Zum Einsatz kommt § 648a BGB dagegen häufig in Konfliktsituationen: Kommt es während des Bauablaufes zum Streit über Nachträge oder die Ursache und damit die Kosten von Bauablaufstörungen, wird vom Unternehmer häufig der Anspruch nach § 648a BGB völlig unvermittelt und ohne jede Vorankündigung geltend gemacht. Entsprechende Schreiben werden bewusst gerne an einem Freitagnachmittag per Fax abgesetzt, um so die ohnehin schon knappe Reaktionszeit des Auftraggebers zu verkürzen.
Auftraggebern ist die Vorschrift des § 648a BGB häufig nicht geläufig. Ihnen ist insbesondere oft nicht bewusst, dass sie zur Stellung einer Sicherheit verpflichtet sind, die sogar höher ist, als die geschuldete Vergütung, und dass der Unternehmer sich nach Ablauf der kurzen Frist vom Vertrag durch eine Kündigung lösen oder ein Leistungsverweigerungsrecht geltend machen und den Bau einstellen kann. Auf diese Unkenntnis "hofft" in Konfliktsituationen der Unternehmer. Daher wird in der Regel auch nicht von der Klagemöglichkeit auf die Sicherheit Gebrauch gemacht, sondern auf das Leistungsverweigerungsrecht oder die Kündigungsmöglichkeit spekuliert.
Klage auf eine Sicherheit nach § 648a BGB
§ 648a BGB bietet dem Unternehmer aber nicht nur die soeben beschriebenen Möglichkeiten im Falle einer Konfliktsituation. Auch eine Klage sollte gerade dann in Betracht gezogen werden, wenn Grund und/oder Höhe eines Nachtrags streitig sind. Denn für eine Klage auf eine Sicherheit nach § 648a BGB gelten gegenüber einer "normalen" Werklohnklage "reduzierte" Anforderungen in Bezug auf die Beweisführung zur Höhe des Werklohnes. Denn sind - wie häufig insbesondere bei Nachträgen - die tatsächlichen Voraussetzungen der Berechnungen des Vergütungsanspruchs streitig, ist dem Unternehmer die Sicherheit bereits dann durch ein Urteil zuzusprechen, wenn er seinen Vergütungsanspruch schlüssig darlegt (BGH, Urteil vom 06.03.2014 - VII ZR 349/12). Eine langwierige Beweisaufnahme durch Einvernahme von Zeugen und Einholung von Sachverständigengutachten, die den "normalen" Werklohnprozess zu einem mehrjährigen Marathon werden lassen, steht nämlich dem Sinn und Zweck des § 648a BGB entgegen. Und da auch Mängelbehauptungen und sonstige Gegenrechte für die Frage, ob ein Anspruch auf Sicherheit besteht, keine Bedeutung haben, kann auf diese Art und Weise der Unternehmer quasi im Sprint in kürzester Zeit ein Urteil gegen den Auftraggeber erlangen.
In der Praxis sind die Auftraggeber häufig davon überrascht, wenn sie sich in der ersten mündlichen Verhandlung damit konfrontiert sehen, dass der Prozess ohne weitere Beweisaufnahme verloren zu gehen droht. In diesen Fällen steigt auch häufig die Verhandlungsbereitschaft deutlich, sodass es nicht selten gelingt, eine Einigung über den eigentlichen Streitpunkt - nämlich den Vergütungsanspruch - zu erzielen.
Fazit
Über § 648a BGB kann nicht nur in Konfliktsituationen über Leistungsverweigerungsrecht und Kündigung die Situation des Unternehmers deutlich verbessert werden, sofern der Auftraggeber nicht adäquat reagiert, sondern die Klage auf Sicherheit ist auch ein Mittel, um rasch eine Einschätzung eines Gerichts über die schlüssige Darlegung zum Anspruchsgrund und zur Höhe eines Nachtrags zu erlangen. Letzteres erweist sich in Verhandlungen über Nachträge häufig als sehr hilfreich. § 648a BGB - und ab dem 01.01.2018: § 650f BGB - ist also ein scharfes Schwert in der Hand des Unternehmers, der mit dieser Vorschrift umzugehen weiß.
Rechtsanwalt Marco Röder, Karlsruhe
Mitglied der ARGE Baurecht