Herr Dr. Sohn, in diesem Jahr jährt sich Ihre Zulassung als Rechtsanwalt zum 40. Mal. Haben Sie jemals gedacht: Hätte ich bloß ein anderes Rechtsgebiet gewählt?
Ja klar, täglich, insbesondere dann, wenn die Post ein paar Meter Akten zu einem Fall anliefert (lacht). Nein, Spaß beiseite: Wenn man ein Rechtsgebiet so lange bearbeitet wie ich, dann muss es einem Spaß machen. Genau das ist bei mir auch nach all den Jahren immer noch der Fall.
Was genau ist es, was Ihnen Freude bereitet?
Das Baurecht gehört sicher zu den eher schwierigen Rechtsgebieten, die sich einem nicht sofort erschließen. Man braucht etwas Zeit, um sich mit der Materie vertraut zu machen. Das hat aber auch den Vorteil: das kann und will nicht jeder. Dementsprechend ist der Konkurrenzdruck auch nicht so ausgeprägt, wie das vielleicht in anderen Rechtsgebieten der Fall ist. Wobei ich lieber von Wettbewerb als von Konkurrenz spreche.
Der Umgang unter uns Baurechtlern ist äußerst angenehm und partnerschaftlich.
Ist Ihre Karriere nach Plan verlaufen? Welche Rolle hat der Zufall gespielt?
Der Zufall spielt bei uns allen eine weit größere Rolle als wir das vielleicht manchmal zugeben wollen. Ich wusste recht schnell, dass ich Anwalt werden wollte. Das es nun das Baurecht werden sollte, das war wohl eher Zufall. Als ich 1982 bei Heimann Hallermann in Hamm anfing, kam ich mit dem Baurecht in Kontakt. Es war vielleicht nicht Liebe auf den ersten Blick, sondern eher eine erarbeitete Beziehung. Aber genau die sind ja meist von längerer Dauer, wie mein Beispiel zeigt.
Sie waren unter anderem lange im Gesetzgebungsausschuss des Deutschen Anwaltvereins für Bau- und Architektenrecht aktiv. Was hat Sie dazu motiviert?
Ich wurde seinerzeit von den Mitgliedern des Ausschusses angesprochen und gefragt, ob ich darin mitwirken wolle. Das habe ich gerne angenommen. Seitdem nutze ich die Gelegenheit, meine langjährigen Erfahrungen aus der Praxis einzubringen. Es war sehr interessant, einen Blick hinter die Kulissen der Gesetzgebung zu werfen, mitzuerleben, wie Interessengruppen sich einbringen, um bestimmte Ziele zu erreichen. Ich bin aber auch davon überzeugt, dass ein zunächst einmal theoretischer Gesetzesentwurf nach einer kritischen Prüfung und Kommentierung durch erfahrene Praktiker am Ende zu einem deutlich besseren Ergebnis führt. Besonders spannend fand ich das Verfahren zur Entwicklung des neuen Bauvertragsrechts, das zum 1. Januar 2018 in Kraft getreten ist. Zwar ist nicht alles perfekt daran, aber wir konnten einiges einbringen. Darauf bin ich durchaus stolz.
Kürzlich erging ein Urteil des Verfassungsgerichtshof Thüringen: 13 Jahre Bauprozess ist zu lang. Als Baurechtsanwalt braucht man offenbar Geduld, oder?
Als Baurechtsanwalt brauchen Sie auf jeden Fall Geduld (lacht). Das liegt daran, dass die meisten Fälle sehr komplex sind und schon die Aufklärung des Sachverhalts einige Zeit dauert. Manchmal braucht es akribische Detailarbeit, um herauszufinden, wo der Hase im Pfeffer liegt. Mit anderen Worten: Sie brauchen technisches Verständnis und Abstraktionsvermögen. Sie müssen hartnäckig sein und solange nachfragen, bis sie einen Sachverhalt durchdrungen haben, um am Ende dann die beste juristische Option ziehen zu können. Das ist keinesfalls immer der Prozess vor staatlichen Gerichten. Wir sollten viel häufiger die Möglichkeiten der außergerichtlichen Einigung suchen, etwa in Form eines vorprozessualen Vergleichs oder eines Schiedsgerichtsverfahrens. Damit kommt man häufig schneller und wirtschaftlich sinnvoller zu einer Lösung.
Was braucht man noch, um im Baurecht erfolgreich zu sein?
Sie müssen ein guter Jurist sein und den Drang haben, stetig zu lernen und besser zu werden. Da Baurecht weitgehend Richterrecht ist, also die obergerichtlichen Entscheidungen eine wesentliche Rolle bei der Beurteilung einer Rechtslage spielen, müssen auch den Überblick über die relevanten Urteile behalten. Hinzu kommt das technische Interesse.
Sie müssen eine Sachlage immer auch technisch verstehen. Diese beiden Aspekte, Recht und Technik, bilden das Fundament einer Karriere im Baurecht.
Darf man als Anwalt Fehler machen?
Selbstverständlich nicht, ich machen nie Fehler (lacht). Im Ernst: Natürlich dürfen Sie als Anwalt ein Mandat nicht durch eigene Fehler gefährden. Aber: Nobody is perfect. Überall da, wo Menschen arbeiten, passieren Fehler, und im schlimmsten Fall gibt es ja noch die Anwaltshaftpflichtversicherung.
Was waren für Sie die spannendsten Veränderungen im Baurecht der letzten Jahre?
Dazu gehört aus meiner Sicht die schon erwähnte Einführung des neuen Bauvertragsrecht, dessen Entwicklung ich begleiten durfte. Auch die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure, die HOAI, muss ich hier nennen. Seit deren Neuregelungen vom 1. Januar 2021 sind die Honorare für planende Berufe frei verhandelbar, was die Praxis verändern wird. Einmal abgesehen von diesen Meilensteinen ist es im Baurecht grundsätzlich wichtig, die obergerichtlichen Entscheidungen zu verfolgen, und da passiert jede Woche etwas Interessantes.
Hat das Baurecht Zukunft?
Ja, selbstverständlich hat das Baurecht Zukunft. Bauen boomt und daran wird sich auch in der weiteren Zukunft wenig ändern. Somit gibt es für baurechtlich spezialisierte Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte auch künftig viel zu tun. Einmal abgesehen von den wirtschaftlich guten Aussichten tragen wir Baurechtler aber auch eine besondere Verantwortung. Indem wir ein Bauvorhaben juristisch sauber vorbereiten und vertraglich absichern, können wir die am Bau üblichen Reibungsverluste durch Konflikte und unklare Rechtslagen minimieren. Wir können also die Zukunft des Baues mitgestalten.
Herr Dr. Sohn, vielen Dank für das Gespräch.
Rechtsanwalt Dr. Peter Sohn
- Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
- Mitglied in der ARGE Baurecht