Herr Professor Heuchel, ist Bauen eine Kunst?
Ja klar, unbedingt (lacht). Der Kunst und der Architektur liegen ähnliche Systeme zugrunde. Am Anfang steht eine Idee, die dann umgesetzt wird. Ich bin darauf spezialisiert, Kunst, Architektur und Realität miteinander zu verbinden. Mit jedem Projekt untersuchen wir aufs Neue, wo die Kunst beginnt, wo sie aufhört, wie sich das Künstlerische, das Architektonische am besten mit der Lebenswelt der Menschen verbinden lässt.
Wie hat sich dieser Ansatz entwickelt?
Freie Kunst, vor allem Malerei, fand ich schon immer spannend. Die Jungen Wilden, die Punk-Bewegung, das alles hat mich als junger Mann sehr fasziniert. Aus dem Bauch heraus habe ich mich seinerzeit für ein Architekturstudium entschieden. Einer meiner Professoren meinte damals, ich müsste unbedingt an die Kunstakademie Düsseldorf, da es dort eine Klasse für Baukunst gab – also genau diese besondere Fusion aus Kunst und Architektur, die mich bis heute begeistert. So ging ich nach Düsseldorf und studierte unter anderem bei Ernst Kasper, Elia Zenghelis, Josef Kleihues, Max Dudler – und lernte Laurids Ortner kennen, von dem ich mich sofort verstanden fühlte. Irgendwann fragte mich Laurids, ob ich nicht für sein Büro arbeiten wolle. Heute bin ich Geschäftsführender Gesellschafter des Büros O&O Baukunst und leite die Standorte Köln und Wien.
Sie sind seit zwei Jahrzehnten Architekt. Inwiefern hat sich die Architektur und das Bauen in dieser Zeit verändert?
Architektur verändert sich permanent. Das war schon bei den Römern, den Griechen und durch alle folgenden Epochen der Fall. Bewegungen in der Gesellschaft, bei den technischen Baumöglichkeiten und der Ästhetik führen immer wieder zu einer neuen Architektur.
Heute geht es um Resilienz der Städte und Gebäude, um Nachhaltigkeit der Baumaterialien, um den CO2-Abdruck von Gebäuden. Wohnungsnot, Mobilität oder ‚Eventisierung‘ des Außenraums beeinflussen die Baukultur.
Das Building Information Modeling verändert die Planung und Umsetzung von Architektur. Alles ist in Bewegung, auch wenn Baustellen häufig still stehen (lacht).
Können Architekturschaffende auch ohne Baurechtsberatung (über)leben?
Die Zeiten, als Großprojekte noch per Handschlag vereinbart wurden, wie bei O&O seinerzeit regelmäßig der Fall, sind schon lange vorbei. Früher kam der Rechtsanwalt immer erst dann ins Spiel, wenn man als Architekt schon mit einem Fuß im Knast war. Heute ist das völlig anders. Ohne juristische Beratung geht gar nichts mehr.
Die Rolle der Rechtsanwält:innen im Planungs- und Bauprozess hat sich völlig verändert, vom Problemlöser zum Möglichmacher.
Was ist Ihnen bei Baurechtsanwält:innen wichtig?
Es muss ein Profi sein, der oder die im gesamten Baurecht, im Stadtplanungsrecht, im Urheberrecht zuhause ist und Bescheid weiß in Sachen Digitalisierung, Stichwort BIM. Ein gewisses Standing ist ebenso wichtig. Unser Rechtsbeistand sollte sich zu positionieren wissen, beim Bauherrn auftreten und Eindruck hinterlassen können. Dienst nach Vorschrift kann ich da nicht brauchen. Vielmehr muss sich mein Rechtsanwalt auf unsere Projekte einlassen, individuelle Szenarien entwickeln, Risiken abwägen, sich auch mal etwas trauen. Mit Unterstützung meines Rechtsanwalts habe ich zum Beispiel einfach einmal eine völlig überzogene Nachtragsforderung gestellt. Am Ende haben wir zwar nicht alles, aber doch deutlich mehr bekommen. Von der Kanzlei angebotene Fortbildungen für mich und meine Mitarbeitenden finde ich auch super. All das und mehr bietet unsere derzeitige Kanzlei und ich werde ihr wohl ewig treu bleiben, auch wenn die Honorare manchmal wehtun (lacht).
Müssen Baurechtsanwält:innen kreativ sein?
Ja, auf jeden Fall! Ohne die Kreativität unseres Anwalts hätten wir beim Landesarchiv Duisburg niemals eine Urheberrechtsklage gegen das Land NRW erhoben. In der Vorbereitung sind wir mit unserer Kanzlei alle Szenarien durchgegangen: Welchen Weg können wir gehen? Welche Strategie verspricht am ehesten Erfolg?
Dabei muss eine Rechtslage dann auch einmal kreativ beleuchtet werden.
Auch beim Bau des 25hours Hotel im Gerling Quartier musste unser Anwalt um die Ecke denken, um einen Weg zu einem angemessenen Honorar zu finden. Da es sich um einen Altbau unter Denkmalschutz handelte, ließen sich die Leistungsbilder der HOAI nur bedingt anwenden.
Holst du dir schon in der Kreativ- und Planungsphase baurechtliche Unterstützung?
Es ist immens wichtig, dass der Rechtsanwalt Teil des Teams ist, und zwar von der Anbahnung neuer Projekte bis zu deren Abschluss, von den ersten Vertragsverhandlungen, über die Begleitung des Planungsablauf in den Leistungsphasen, die baubegleitende Rechtsberatung, jederzeit mögliche Bauablaufstörungen bis hin zu Abnahme-, Nachtrags- und Gewährleistungsthemen.
Wir können fast nichts mehr ohne Rechtsanwalt.
Was verbirgt sich hinter deinem Projekt „Der Architekt mit der Puppe“?
Die Frage musste ja kommen (lacht). In meinem Arbeitsfeld als Architekt, Stadtplaner und Professor spielt Kommunikation eine enorm wichtige Rolle. Damit meine ich die Art und Weise, wie ich über Architektur spreche, etwa in Vorträgen, Jurys, in öffentlichen Beteiligungsprozessen oder auch in Artikeln oder Podcasts. Irgendwann habe ich gespürt, dass sowohl der akademische Diskurs als auch der Dialog über das Bauen nicht mehr genügen. Zu abstrakt, zu komplex und zu manipulativ erscheint das Kauderwelsch der Architekten. Das Manifest, das uns durch die Moderne führte, ist heute unbrauchbar. Der Mensch braucht die klare Ansprache. Genau die kann ich als „Der Architekt mit der Puppe“ realisieren.
Im schöpferischen Dialog zwischen Architekt und Puppe lässt sich die Komplexität des Bauens und der Architektur wunderbar reduzieren.
Van Heuchel (die Puppe) und ich wollen, dass Architektur wieder als etwas Persönliches wahrgenommen wird. Einigen mag der Ansatz befremdlich vorkommen, aber das ist mir egal. Das hat vielleicht mit meiner Sturheit zu tun – die kann man auch beim Bauen gut gebrauchen kann (lacht).
Herr Professor Heuchel, wir danken für das Gespräch!
Heuchel studierte Architektur in Karlsruhe und Baukunst an der Kunstakademie Düsseldorf, wo er seit 2000 lehrt. Er ist Gründer der Architektengemeinschaft rheinflügel, des Künstlerbüros Heuchel Klag und des Künstlerkollektivs ULTRASTUDIO. Als geschäftsführender Gesellschafter von O&O Baukunst führt er seit 2006 die Standorte Köln und Wien. 2020 wurde er zum Member of the Advisory Board des Fachbereichs „Art and City“ an der Universität Complutense Madrid berufen. Seit 2021 hat er eine Professur an der Kunstakademie Düsseldorf und ist zum Stadtplaner ernannt worden. Seine Beiträge als „der Architekt mit der Puppe“ geben Impulse für die Diskussion über Stadt und Architektur.