Mit klaren Visionen und praxisnahen Ansätzen überzeugt er nicht nur Mandanten und Gerichte, sondern inspiriert und unterrichtet an der Juristischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf den Nachwuchs. Wir sprachen mit ihm über seinen Weg ins Baurecht, besondere Mandate und die Zukunft des Baurechts.
Herr Prof. Dr. Fuchs, können Sie uns etwas über Ihren beruflichen Werdegang erzählen? Ganz besonders interessiert uns, wie Sie Ihren Weg ins (private) Baurecht gefunden haben.
Prof. Dr. Heiko Fuchs: Um ehrlich zu sein: Ich bin da so rein gestolpert, völlig ungeplant. (lacht) Ich hatte mich im Referendariat auf das öffentliche Recht konzentriert, weil das so schön systematisch ist, und weil ich auch nebenbei als Repetitor tätig war in diesem Gebiet. Nach dem zweiten Staatsexamen habe ich mich seinerzeit beworben, unter anderem auch bei Kapellmann in Düsseldorf, und zwar für das öffentliche Recht.
Im Bewerbungsgespräch sagte Herr Kapellmann, er würde mich lieber im privaten Baurecht sehen. Und da der Termin sehr angenehm verlief und Herr Kapellmann sich zudem meiner annehmen wollte, dachte ich mir, dass das so falsch nicht sein kann.
Ich war zwar nicht auf das öffentliche Recht festgelegt, aber das war eigentlich der Plan. Und dann ist es doch das private Baurecht geworden, und das habe ich bis heute nie bereut, ganz im Gegenteil.
Wir hören öfter, dass der Zufall bei einer Karriere im Baurecht eine große Rolle zu spielen scheint.
Im Studium findet das Baurecht, also das private Baurecht, bis auf wenige Ausnahmen an einzelnen Fakultäten eigentlich gar nicht statt. Da kriegen Sie nur einen kleinen Ausschnitt aus dem öffentlichen Baurecht zu hören und das schreckt dann auch eher ab.
Das private Baurecht und auch das Werkvertragsrecht sind in den Vorlesungen zum Schuldrecht nur ein kleiner Annex. Wenn man sich die Kommentare zum allgemeinen Schuldrecht anschaut, da ist immer der Kaufvertrag, vielleicht auch der Mietvertrag ein Thema, aber selten der Werkvertrag.
In der Ausbildung, wenn man nicht gerade im Referendariat zu einer Baukammer kommt, gibt es kaum Berührung mit dem privaten Baurecht.
Die Begegnung mit Herrn Kapellmann hat für mich den Unterschied gemacht. Er gehört zur Gründergeneration, die das Baurecht als eigenes Rechtsgebiet im Werkvertragsrecht identifiziert und schon sehr früh mit Baubetrieblern zusammengearbeitet hat. Die Begeisterung, mit der er dieses Rechtsgebiet mit aufgebaut hat, war schon ansteckend.
Zudem hat Herr Kapellmann schon immer unternehmerisch gedacht und auch über den Tellerrand des reinen Schuldrechts geschaut. Das hat mich einfach inspiriert
Gab es entlang des Weges noch andere Begegnungen, die sie bestätigt haben, dass sie in dem Rechtsgebiet richtig sind?
Ja, auf jeden Fall. Wenn man etwa die Gelegenheit bekommt, zum Beispiel bei den Freiburger Baurechtstagen seinen ersten Vortrag zu halten vor den ganzen „Baurechts-Promis“, dann ist das etwas Besonderes.
Wenn man Leute kennenlernt wie Herrn Vygen, den damaligen Vorsitzenden des Bausenats in Düsseldorf, der in der Szene deutschlandweit bekannt war, oder Professor Kniffka, den BGH-Vorsitzenden. Wenn man dann mit solchen Koryphäen diskutieren darf, das sind schon beeindruckende Persönlichkeiten, die mir immer wieder gezeigt haben, Baurecht ist viel besser als sein Ruf der lästigen Punktesache.
Denn die rechtlichen Fragen, die sich im privaten Baurecht stellen, sind sehr viel komplexer als etwa bei einer Immobilientransaktion, die viel mehr öffentliche Beachtung erhält, als zum Beispiel ein zehn Jahre laufendes Bauprojekt, das mit hochkomplexen rechtlichen, aber auch interdisziplinären Fragen daherkommt – wobei wir wieder an dem Punkt wären, warum ich das Baurecht bis heute spannend finde und meine Entscheidung für dieses Rechtsgebiet zu keiner Sekunde bereut habe
Warum fasziniert Sie das private Baurecht bis heute? Können Sie das noch etwas weiter ausführen?
Als Baurechtler brauche ich keine „Tombstones“ (kleine Acrylglas-Säulen mit den Logos der beteiligten Unternehmen, Anm. d. Red.), die sich beispielsweise Gesellschaftsrechtler nach einem erfolgreichen Deal gerne auf den Schreibtisch stellen.
Ich gehe raus und kann auf ein Gebäude zeigen, an dessen Entstehung ich mitgewirkt habe, und sagen, ‚ich kenne da jede Brandschutzklappe‘. Das große Ganze, aber auch die vielen kleinen Details faszinieren mich.
Das kann für mein Umfeld auch mal nervig sein, wenn ich etwa meinen Kindern, als sie klein waren, auf jeder Fahrt in den Urlaub erstmal den Deckschichtaufbau der Autobahn erklärt habe. (lacht
Gibt es Projekte, die Ihnen in Erinnerung geblieben sind, weil sie für Sie als Baurechtsanwalt besondere Herausforderungen mitbrachten?
Durch meine Tätigkeit bei Kapellmann bin ich in der privilegierten Stellung, große und komplexe Vorhaben begleiten zu können. Ich denke etwa an den Einsturz des Kölner Stadtarchivs mit allen seinen Folgen. Das war schon ein sehr besonderes Mandat.
Genauso besonders, aber ganz anders ist etwa der Neubau des Herzzentrums der Charité in Berlin, ein BIM-Projekt mit Zertifizierung der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen. Hochkomplex und hochspannend.
Oder die großen Pilotprojekte, die als Integrierte Projektabwicklung (IPA) mit Mehrparteienvertrag durchgeführt werden und die wir mit gestalten und begleiten dürfen, der damit einhergehende Kulturwandel ist wirklich inspirierend.
Ein ganz anderes, wenngleich kleineres Mandat, das mir in Erinnerung geblieben ist und bleiben wird, ist das eines Ehepaars, die ein gebrauchtes Fertighaus aus den 1970ern kauften und einen Architekten für eine Erweiterung und einen Umbau beauftragten.
Der hat im Grunde auch alles richtig gemacht, sich allerdings nicht um die alte Bausubstanz gekümmert. Die war dermaßen mit Holzschutzmitteln belastet, das durch das Öffnen von Bauteilen freigesetzt und an die Umgebungsluft abgegeben worden war.
Auffällig war, dass die Mandanten in den Besprechungen immer einen eigenartigen Geruch mitbrachten, wenn sie bei uns in der Kanzlei saßen. Da war dann schnell klar, dass wir einen Schadstoffgutachter brauchten, um den fatalen Fehler des Architekten offenzulegen.
Wir haben die gesamten, für den Umbau nutzlos getätigten Aufwendungen nachher durchgesetzt, die von der Versicherung des Architekten übernommen wurden, nachdem das gesamte Gebäude abgerissen worden war. Das war ein besonderer Fall, kurios und vor allem auch existenziell für die Mandanten.
Lassen sie uns Richtung Nachwuchs schauen. Was würden Sie jemandem empfehlen, der oder die heute im privaten Baurecht startet?
Schuldrecht, Schuldrecht, Schuldrecht ,und ich glaub ich habe das Schuldrecht vergessen. (lacht) In der juristischen Ausbildung ist der Gedanke, dass man sich spezialisieren müssen, weit verbreitet.
Ich bin überhaupt kein Freund davon, weil das, was ich nachher als Anwältin oder Anwalt brauche, das lerne ich nicht in der Vorlesung Bauvertragsrecht. Es sind selten die Spezialisierungen, die einem nachher weiterhelfen, wenn man das Basishandwerkszeug nicht beherrscht, wenn man nicht weiß, was Unmöglichkeit ist, was Verzug bedeutet oder wie eine Vertragsstrafe funktioniert.
Ich erlebe immer wieder, dass die kreativsten Lösungen, die wir in baurechtlichen Fragestellungen erarbeiten, letztlich tief im allgemeinen Schuldrecht verwurzelt sind
Okay, sattelfest in juristischen Grundfragen, insbesondere im Schuldrecht. Aber was sollte jemand noch mitbringen, um im Baurecht erfolgreich zu sein?
Sie müssen Lust auf Technik und ein gewisses Verständnis für technische Zusammenhänge haben. Und wenn Sie dann mit der Zeit mehr und mehr Einblicke in die Bautechnik erhalten, dürfen Sie wiederum nicht anfangen, sich zu überschätzen. Schließlich sind wir immer noch Juristen und keine Bauingenieure.
Gefährlich wird es dann, wenn Sie den Mandanten fälschlich glauben lassen, man wisse ganz genau, worum es technisch geht. Daher mein Tipp an alle jungen Anwältinnen und Anwälte im Baurecht: Fragen Sie nach, stellen Sie die dümmsten Fragen und fangen Sie keinesfalls an, sich die Dinge zusammenzureimen, denn das ist dann meist genau das Detail, dass den Fall entscheidet.
Lassen Sie uns mal in die Zukunft schauen. Ist das private Baurecht auch weiterhin ein zukunftssicheres Rechtsgebiet? Und auf welche Entwicklungen müssen wir uns einstellen?
Ich gehe fest davon aus, dass es noch sehr lange dauern wird, bis wir auf einem Baustellenschild lesen werden: Hier baut ChatGPT (lacht). Gleichwohl werden derartige Entwicklungen das Bauen beeinflussen. Derzeit beschäftigen uns digitale Anwendungen wie etwas das Building Information Modeling (BIM). Das steht zwar immer noch irgendwie in den Startlöchern, aber die Entwicklung schreitet voran, und wir erhalten durch KI noch einmal einen ganz anderen Drive.
Nicht digital, aber kaum weniger bahnbrechend ist aus meiner Sicht die Integrierte Projektabwicklung (IPA). Die Idee, das Ausführende, Planer und Bauherr von Tag 1 vor Beginn der Planung zusammensitzen, die ist schon revolutionär und wird auch ein Booster für BIM sein. In der IPA definieren die Baubeteiligten als Team, mit welcher Software arbeiten wir, wie modellieren wir, wann tauschen wir uns aus, wann wird welches Fachmodell überarbeitet und so weiter. Alles das, was konventionell, wenn ich einzelne Akteure beauftrage, gar nicht möglich ist, kann so eine Allianz dann für sich selbst festlegen. Daher wird BIM in der Integrierten Projektabwicklung seine wahren Potenziale entfalten können.
Modulares Bauen ist sicher ein weiterer Trend, oder besser: eine Notwendigkeit, denn wir müssen schneller bauen. Es kann nicht sein, dass wir jedes Gebäude neu erfinden wie einen Prototyp und immer so tun, als wäre jedes Gebäude einzigartig auf der Welt. Das heißt nicht, dass wir nun wieder zu Plattenbauten zurückgehen sollten, aber wir müssen schneller und innovativer werden. Dazu gehört auch die Diskussion um das Gebäudetyp-E-Gesetz, mit dem der Gesetzgeber das Bauen einfacher und experimenteller machen möchte – als Ziel sicherlich unterstützenswert, auch wenn der Regierungsvorschlag unzureichend ist. Aber die Diskussion an sich ist wichtig.
Wenn Sie auf ihre eigene Karriere zurückschauen. Gibt es etwas, das Sie anders gemacht hätten?
Erst einmal bin ich froh, dass bis hierher so weit alles ganz gut funktioniert hat. (lacht) Was mir in der Rückschau jedoch auffällt: In den ersten Anwaltsjahren habe ich zu wenig oder eigentlich gar nicht auf die Wirtschaftlichkeit meiner Leistung für die Kanzlei geachtet. Das war damals für mich einfach kein Thema. Ich hatte doch einen Arbeitgeber, der mir jeden Monat ein Gehalt zu zahlen hat, wie wir es im Arbeitsvertrag vereinbart hatten. Wie ich meine Aufgaben erledige, mal langsam mal schnell, das hatte damit weniger zu tun. (lacht)
Diese Haltung hat Herrn Kapellmann am Anfang auch zur Verzweiflung gebracht, weil ich immer als baurechtliches Talent galt, aber die PS nicht auf die Straße bekommen habe, was die monetäre Seite betrifft. Das hat mich auch in meiner Entwicklung ein bisschen ausgebremst. Bei den jungen Associates ist das heute meist anders. Die haben ein Verständnis dafür, dass sie auch etwas für Ihr Gehalt tun und rentabel sein müssen, bei allem Spaß an der Arbeit und im Team. Wobei das #bauvergnuegen stets an erster Stelle stehen sollte!
Rechtsanwalt Prof. Dr. Heiko Fuchs
- Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
- Mitglied in der ARGE Baurecht